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VIELFALT/213: Eingewanderte Pflanzenarten können die biologische Vielfalt gefährden (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 107/4.2010
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

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Pflanzen mit Migrationshintergrund
Eingewanderte Pflanzenarten können die biologische Vielfalt gefährden

Von Christian Offer, Berlin


Der Mensch hat schon immer Pflanzen von einem Ort an den anderen verfrachtet - sei es als Samen zwischen den Zehen der Steinzeitmenschen oder in den Schuhsohlen der Jetztzeit. Viele dieser Neophyten können die Artenvielfalt in unseren Breiten gefährden. Im günstigsten Fall fügt sich die neue Art ins Ökosystem ein, ohne es in Zusammensetzung und Funktion wesentlich zu stören. Im schlimmsten Fall kommt es aber zu einer vernichtenden Invasion, in deren Verlauf die eingewanderte Pflanzen- bzw. Tierart einheimische Arten verdrängt. Pflanzen und Tiere mit einem derartigen Vernichtungs-Potenzial werden als invasive Arten bezeichnet. Hinzu kommt, dass viele Neophyten nur wenigen einheimischen Arten einen Lebensraum bieten.

In Deutschland bergen viele der Neophyten eine ökologische Gefahr. Zum Beispiel nimmt an feuchten Waldstandorten der wuchernde Stinktierkohl (Lysichiton americanus) der einheimischen Pflanzenwelt mit seinen überdimensionalen Blättern das Licht zum Leben. Andere eingewanderte Arten wie die Robinie bewirken durch die in ihr enthaltenen Giftstoffe, dass nur wenige Pflanzenarten in ihrem Unterwuchs gedeihen - obwohl genug Licht vorhanden ist. Einige invasive Arten können sogar zu einem wirtschaftlichen Problem werden, beispielsweise, wenn ihre Ausbreitung der Nutzung anderer Arten im Wege steht. Bei der nordamerikanischen Traubenkirsche (Prunus serotina) ist das der Fall. Die bis zu zwanzig Meter hohen Bäume wurden Ende des neunzehnten Jahrhunderts wegen ihrer duftenden Blütentrauben und schwarz-glänzenden Beeren sowie aufgrund ihrer Genügsamkeit als Schmuckbaum an Wegen gepflanzt. Inzwischen ist die Traubenkirsche zu einem großen Problem der Forstwirtschaft geworden: Da sich das dichte Laub ihrer breiten Schirmkrone bereits im späten Winter entfaltet und bis in den späten Herbst hinein am Baum bleibt, hat der Jungwuchs der einheimischen Baum- und Straucharten unter ihr keine Chance. Hinzu kommt, dass der Baum durch Vögel schnell und weit verbreitet wird.

Unter den 380 Neophyten in Deutschland bedrohen etwa 30 invasive Arten die biologische Vielfalt. Eine dieser dominanten neuen Pflanzenarten ist der Japanische Staudenknöterich (Reynoutria japonica). Eigentlich eine krautige Pflanze, bildet er doch bis zu 3,50 Meter hohe, verholzte Stängel mit großen Blättern aus. Über unterirdische Fortläufer pflanzt sich der Staudenknöterich ungeschlechtlich in rasantem Tempo fort und überwuchert die einheimische Vegetation. In Deutschland hat er vor allem an Flussufern bereits ganze Lebensgemeinschaften vernichtet.

Ein naturverträglicher Ansatz, dieser Bedrohung Herr zu werden, ist das Staudenknöterich Projekt von Peter Becker in Wiesbaden. In aller Welt erlebte der begeisterte Naturkundler, wie dem Knöterich mit der chemischen Keule zu Leibe gerückt wurde. Becker ist sich sicher, dass die Herbizide nicht nur die Umwelt belasten und die biologische Vielfalt vermindern, sondern dass sie das Problem oft nur auf die lange Bank schieben: "Die Erfahrung zeigt, dass Gift den Japanknöterich in einen dem Dornröschenschlaf ähnlichen Dämmerzustand versetzt, aus dem die Pflanze auch nach Jahren noch aufwachen und dann schnell zu alter Größe zurückfinden kann."

Becker, ausgebildeter Koch, interessiert sich für ausgefallene Nahrungsmittel und, siehe da: Der Japanische Staudenknöterich ist eines von ihnen! In Asien wird er in Salat geschnitten, gedünstet oder gekocht. Peter Becker experimentierte so lange, bis er ein würziges Relish und eine Marmelade komponiert hatte, die feinschmeckerischen Ansprüchen genügten. Dabei nutzt Becker die Wucherpflanze so lange, bis der Wurzelstock nicht mehr austreiben kann.

Infos Neophytenprojekt Peter Becker: www.newtritionink.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Einsatz gegen den riesigen Stinktierkohl, der die heimische Sumpfvegetation überwuchert
- Peter Becker kocht Delikatessen aus dem Japanischen


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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Dezember 2010