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VERKEHR/868: Verkehrspolitik - Mehr Mut zu Prioritäten (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 3/2011
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Verkehrspolitik
Mehr Mut zu Prioritäten

von Werner Reh


Normalerweise verteilen Bedarfspläne für Verkehrswege ihre Investitionen nach dem Gießkannenprinzip über alle Regionen. Bei den Wasserstraßen wird die Bundesregierung nun erstmals klare Prioritäten setzen - ein Vorbild auch für Fernstraßen und Schienenwege.

Wenig Freunde fand Verkehrsminister Ramsauer auf der Nationalen Maritimen Konferenz Ende Mai in Wilhelmshaven. Hafen-, Schifffahrts- und Flussbaulobby liefen Sturm gegen seine Priorisierung der Bundeswasserstraßen, die etwa Elbe und Saale nur noch dem Neben- oder Randnetz zuordnete. Doch Ramsauer hielt stand und sagte klar, was nicht mehr durchzusetzen und zu finanzieren ist. Der jahrzehntelange Kampf des BUND gegen einen überzogenen Flussausbau ohne ökologische und ökonomische Vernunft verspricht nun Früchte zu tragen.


Straßenneubau stoppen

Mehr Mut zu Prioritäten sollte der Minister auch beim Bau von Bundesstraßen und Autobahnen zeigen. Denn hier stehen die Prioritäten kopf: So flossen fünf Milliarden Euro weniger als geplant in die Erhaltung der Straßen, mehr Geld als geplant dagegen in den Bau neuer Autobahnen und zahlloser Ortsumfahrungen ohne echte Entlastung der Ortskerne. Viel zu viele Politiker und Bürokraten drängeln sich bei Spatenstichen, statt die Lösung unserer Verkehrsprobleme ernsthaft anzugehen.

Die Erhaltung des heutigen Fernstraßennetzes und die Sanierung der rund 40 000 Brücken kosten pro Jahr mindestens drei Milliarden Euro. Diese Investitionen schaffen deutlich mehr Arbeitsplätze als der Straßenneubau. Der BUND plädiert auf neue Straßen künftig prinzipiell zu verzichten. Viele hoch belastete Strecken und Verkehrsknoten ließen sich ohne mehr Flächenverbrauch durch den Umbau der Seitenstreifen entlasten. Wo nötig, hat der BUND Ausbaualternativen entwickelt, die kostengünstiger, umweltverträglicher und schneller umzusetzen wären als die geplanten neuen Trassen. Alternativen gibt es speziell für die allermeisten der im Bedarfsplan noch enthaltenen 600 Ortsumfahrungen. Der § 5a des Fernstraßengesetzes erlaubt Investitionen in den Umbau von Ortsdurchfahrten und in innerörtliche Entlastungsstraßen.

Zugleich sollte sich Peter Ramsauer für ein allgemeines Tempolimit und ein Verkehrsmanagement einsetzen, das Alternativen zum Individualverkehr bietet.


Mehr Takt statt Prestige

Verkehrte Prioritäten auch bei der Schiene, wo viel Geld in die falschen Projekte fließt. So schönt die Deutsche Bahn bei einem Prestigeprojekt wie Stuttgart 21 die Kosten und rechnet qua »Stresstest« eine hohe Leistungsfähigkeit des geplanten U-Hauptbahnhofs herbei.

Rund 10 Milliarden Euro würde dieses Projekt zusammen mit der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm kosten. Noch mehr Geld, nämlich 20 Milliarden Euro, haben Bahn und Politik bisher ins deutsche Hochgeschwindigkeitsnetz gesteckt. Dennoch sank der Verkehrsanteil des Personenfernverkehrs - ganz anders als der Nahverkehr, der um fast ein Drittel zunahm.

Die Bahn wie auch CDU, SPD und FDP verweigern sich bisher dem dringend nötigen Strategiewechsel. Die Fernzüge aber werden erst dann für mehr Menschen attraktiv, wenn die Bahn ihren Fern- und Nahverkehr bundesweit besser vertaktet. Auch sollten Bahn und Politik die Öffentlichkeit viel früher als bisher an ihrer Investitionsplanung beteiligen und Alternativen gründlicher prüfen.

Fazit: Im nächsten Bundesverkehrswegeplan müssen alle Straßen und Schienenwege, deren Bau noch nicht beendet ist, auf den Prüfstand. Wie bei den Wasserstraßen sind hier rasch neue Prioritäten gefragt - um Klima und Umwelt zu schonen, aber auch um weitere Steuerverschwendung und neue Milliardengräber zu vermeiden.

Werner Reh ist der Verkehrsexperte der BUND-Bundeszentrale.


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Quelle:
BUNDmagazin 3/2011, Seite 31
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Oktober 2011