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VERKEHR/993: 20 Jahre Bahnreform (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 121/2.2014

20 Jahre Bahnreform
Bahnchef Grube präsentiert für das Geschäftsjahr 2013 eine Bilanz der Deutschen Bahn AG, vor der wir immer gewarnt haben

Von Monika Lege



Der Deutschen Bahn AG hat es im vergangenen Jahr die Bilanz verhagelt. Das Jahresergebnis sank von 1,46 Milliarden Euro im Vorjahr auf nur noch 649 Millionen Euro. Der Umsatz stagniert. Die Prognose für 2014 ist düster. Woran liegt es?

Die Bilanz ist so schlecht, weil das Netz zerbröselt: Angeblich leidet die Schieneninfrastruktur unter einem "Sanierungsstau". Grube beziffert ihn auf 30 Milliarden Euro. Notwendige Instandhaltungsmaßnahmen wurden so lange aufgeschoben, dass die "Störung im Betriebsablauf" der Normalfall ist.

Jedes Jahr bekommt die DB AG rund 4 Milliarden Euro aus Steuergeldern für Instandhaltung, Neu- und Ausbau von Schienennetz und Bahnhöfen. Seit der Bahnreform vor 20 Jahren wurden aber 7.000 Streckenkilometer abgebaut, über tausend Bahnhöfe geschlossen und fast 60.000 Weichen und Kreuzungen herausgerissen. Wo ist das viele Geld geblieben, das die DB AG dafür bekommt?

Es verschwindet säckeweise in Hochgeschwindigkeitsstrecken und glamourösen Bahnhöfen. Der ehemalige Bahnmanager Professor Karl-Dieter Bodack kritisiert an den Großbauvorhaben, "dass die DB AG offensichtlich die Kosten der Realisierung systematisch zu niedrig ansetzt" und "es offensichtlich für jedes Vorhaben kostengünstigere Alternativen gibt, die die DB AG ignoriert oder verwirft."

Großprojekte wie der Berliner Hauptbahnhof oder die ICE-Strecke Nürnberg-München sprengen mit schöner Regelmäßigkeit die Kosten. Sie verschlingen die Mittel, die für ein gut funktionierendes Netz in der Fläche mit eng getaktetem Fahrplan gebraucht werden. Da "stauen" sich dann die Sanierungen. Weniger elegant ausgedrückt: Bahnhöfe und Schienen verrotten, weil die DB AG ihr Geld für Einkaufzentren mit angeschlossenem Zughalt ausgibt.

Im Dezember 2012 erklärt Bahnchef Grube, dass die Kosten von Stuttgart 21 von 4,5 auf 6,8 Milliarden Euro steigen. Das sind satte fünfzig Prozent. 4,5 Milliarden Euro hatte Grube als "Sollbruchstelle" definiert. 1994 wurde Stuttgart 21 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert, schon damals waren es 4,5 Milliarden, allerdings D-Mark. Am 5. März 2013 entschied der Aufsichtsrat der Bahn, frisches Geld für Stuttgart 21 zur Verfügung zu stellen und damit das Scheitern des technisch und finanziell desaströsen Projektes herauszuschieben. Der zukünftige DB-Manager und damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla rief die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat persönlich an, um ihnen diese Entscheidung nahe zu legen. Wie im Brennglas zeigt Stuttgart 21 die massive Fehlsteuerung in der Bahnpolitik, denn dieses unterirdische Projekt baut für das Zehnfache des diesjährigen DB-"Gewinns" nachweislich Bahnkapazitäten ab.

Die Bilanz ist so schlecht, weil die DB AG Marktanteile im Nahverkehr verloren hat: Die DB AG bekommt jedes Jahr weitere rund 4 Milliarden Euro Steuergelder als Regionalisierungsmittel für den Nahverkehr. Sie verdient am hoch subventionierten Nahverkehr: Dort, wo sie selbst Bahnen und Busse für den ÖPNV betreibt, erhält sie alle dafür vorgesehenen Gelder. Dort, wo ihre Konkurrenten auf der Schiene unterwegs sind, kassiert die DB AG Stations- und Trassenentgelte. Der Nahverkehr wird von den Ländern bestellt, und häufig bewirbt die DB AG sich mit Erfolg.

Die Fahrgastzahlen im Nahverkehr haben seit der Bahnreform zugenommen, und das ist gut so. Doch die DB AG nutzt den hoch subventionierten Nahverkehr zur Querfinanzierung anderer Unternehmensaktivitäten. Anlässlich der DB-Bilanz 2010 rechnet Bahn für Alle vor: "Obwohl der Nahverkehr nur ein Fünftel der Umsätze der DB AG ausmacht, werden damit ein Drittel der so genannten Gewinne gemacht. Umgekehrt ist die Relation im internationalen Logistik-Geschäft: Hier werden bei 41 Prozent der Umsätze gerade mal 14 Prozent des ausgewiesenen Gewinns realisiert."

Die Bilanz ist so schlecht, weil der Güterverkehr schwächelt. Bei der weltweit tätigen Logistik-Sparte Schenker ist der Gewinn 2013 um 22 Prozent auf 298 Millionen Euro eingebrochen. Die Einkaufstouren der DB AG im nichtschienengebundenen Güterverkehr waren noch nie ein finanzieller Erfolg und haben dem Schienengüterverkehr Konkurrenz gemacht und Mittel abgezogen. Seit 1994 wurden 9500 Gleisanschlüsse stillgelegt und der Stückgutverkehr nahezu abgeschafft. Der Anteil der Schiene am Modal Split ist nicht gewachsen.

Die Bilanz ist so schlecht, weil Arriva floppt: Im August 2010 hat die DB AG das britische Unternehmen Arriva für die Rekordsumme von 2,7 Milliarden aufgekauft. Es war die bisher größte Einzelausgabe der DB AG. Arriva betreibt hauptsächlich Busse in vierzehn europäischen Ländern. Das Deutschlandgeschäft von Arriva hat die DB AG an Trenitalia verkauft. Die Hälfte der Beschäftigten gehört zur britischen Bus- und Bahntochter, die andere Hälfte verteilt sich auf den Rest Europas. Doch 2013 blieb ein Beförderungsauftrag in Großbritannien mit einem Volumen von 1,2 Milliarden Euro aus.

Die Bilanz ist so schlecht, weil die Personalkosten steigen: Seit 1994 hat die DB AG die Zahl der Beschäftigten im Schienenbereich halbiert. Der Umsatz je Beschäftigten wuchs auf das Dreifache. Gleichzeitig stiegen Anzahl und Vergütung von Führungsposten. Seit 2006 steigt der Krankenstand. Er liegt am höchsten bei denen, die im Herzstück des Bahnbetriebs arbeiten, deren Job Züge und ihre Fahrgäste sind: Beim Zugbegleitpersonal und im Bereich Rangieren und Wagenuntersuchung. 2013 ist der Bahnhof der Landeshauptstadt Mainz wochenlang nur eingeschränkt in Betrieb und tageweise komplett vom Fernverkehr abgehängt, weil drei Stellwerksmitarbeiter im Urlaub und vier krank sind. Der Konzern hat keine Vertretung für die Arbeit dieser Kollegen. Laut DB AG sollen ab dem 1. November 2013 neun zusätzliche Mitarbeiter auf dem Stellwerk Mainz im Einsatz sein.

Fazit: Die DB AG hat das Verkehrsmittel der Zukunft in der Hand und ruiniert es für die Klimakiller von gestern. Die Zahlenakrobatik der DB-Bilanz will Rationalität vortäuschen. Die Irrationalität gipfelt in Stuttgart 21, wo die DB AG mit gigantischen Summen im Ergebnis Bahnkapazitäten abbaut.

Bahn für Alle fordert stattdessen eine bessere Bahn unter demokratischer Kontrolle.

Monika Lege, ROBIN WOOD Verkehrsreferentin


Den Alternativen Geschäftsbericht der DB AG vom Bündnis Bahn für Alle für das Geschäftsjahr 2013 finden Sie im Internet zum Downloaden unter: www.robinwood.de/bahn

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 121/2.2014, Seite 30 - 31
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. August 2014