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WALD/220: Wälder - im Stich gelassen (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2022

WÄLDER: IM STICH GELASSEN

Forst- und Holzwirtschaft versagen beim Klimaschutz

von László Maráz


Es ist derzeit schwer einzuschätzen, wie es den Wäldern wirklich geht. Die zahlreichen Berichte darüber sind nicht nur sehr unterschiedlich, sondern teilweise so geschickt formuliert, dass die Verwirrung eher zunimmt. Fest steht, dass im Hitze- bzw. Dürresommer 2022 wieder zahllose Bäume und Forstflächen geschädigt oder gar zerstört wurden. Allein in Europa verbrannten zwischen 600.000 und 800.000 Hektar Waldflächen. Deutschland ist hier weniger betroffen, die Debatten werden dennoch recht hitzig geführt.

Ursache von Waldbränden ist fast ausschließlich Fehlverhalten von Menschen. Keine Hitzewelle, keine noch so große Menge dürren Holzes kann ein Feuer auslösen. Dafür sind Temperaturen über 280 Grad erforderlich. Auch brennende Feuer werden durch Totholz nicht verstärkt, da dieses meist auf dem Boden liegt, teilweise vermodert und auch im heißen Sommer zu feucht ist, um als Brandbeschleuniger zu dienen. Auch die Rufe nach einer verbesserten - und teuren - Brandbekämpfung lösen das Problem nicht. Natürlich lassen sich alle Arten von Bränden mit besserer Ausrüstung und Organisation rascher löschen. Die Klimakrise als Hauptursache der Brände wird sowohl in der Berichterstattung als auch in folgenden Debatten meist verschwiegen. Die meisten Bäume sterben leise. Sie verlieren ihr Laub und sind danach kaum noch sichtbar - für Medienberichte viel zu unspektakulär.

Im Zuge der sich verschärfenden Klimakrise geraten fast alle Wälder an ihre Grenzen. Viele Bäume können sich mit massiven Blattverlusten zwar auch über längere Dürreperioden retten. Doch ein, zwei weitere Hitzejahre dürften viele von ihnen nicht überleben. Was auch übersehen wird: Die überlebenden Bäume produzieren kaum Holz. Bei Wassermangel und bei großer Hitze wird die Produktion ganz eingestellt.

Mehr Holzeinschlag als Allheilmittel?

Vor diesem Hintergrund sind viele der aktuellen Debatten um Wald- und Holznutzung wenig hilfreich. Manche Interessengruppen wollen die Waldbewirtschaftung verstärken. Mehr Holzeinschlag, um klimaschützende Wirkungen der Holzverwendung deutlich zu steigern. Zahlreiche andere Werkstoffe wie Beton, Stahl oder Kunststoffe sind viel energieintensiver. Mehr Holzeinschlag, um mehr angeblich 'klimaneutrales' Energieholz verbrennen zu können. Mehr Holzeinschlag, um die leidenden Kunstforste zu 'klimastabilen' Wäldern umzubauen.

An einigen Vorschlägen ist durchaus etwas Wahres dran. Es gibt in Deutschland viele Waldflächen, besonders im Kleinprivatwald, in denen Nadelbäume dicht an dicht stehen, weil jahrzehntelang kein Holz geerntet wurde. Holzvorräte von 500-600 Kubikmeter pro Hektar (Durchschnitt in Deutschland: etwa 350), die deutlich abgebaut werden könnten, bevor sie der nächsten Hitzeperiode zum Opfer fallen. Man könnte hier große Mengen wertvolles Bauholz ernten, ohne die Flächen kahlzuschlagen, damit neue Baumbestände im Schutz von lebenden und abgestorbenen Bäumen aufwachsen können. Dafür könnte man andere Waldflächen schonen und eine behutsamere Holzernte durchführen, damit Sonne und Wind die Bestände nicht weiter austrocknen. Mehr Holzeinschlag also in bestimmten Waldgebieten, um viel Bauholz für klimaschonende Aus- und Neubauten gewinnen. Weniger auf der überwiegenden Waldfläche. Dass die nachwachsende Holzmenge ihre Grenzen hat und sogar abnehmen dürfte, wird leider meistens verschwiegen.

Klimaneutrale Holzverbrennung?

Auch beim Energieholz ist die Sache differenziert zu betrachten. Klimaneutral ist die Verbrennung natürlich nicht, sonst bräuchte man keine Schornsteine. Wird aber nur Holz verbrannt, das weder im Wald bleiben muss noch einer besseren Verwendung dient, entsteht auch kein Klimaschaden. Schädlich sind jedoch speziell bei den ineffizienten Kaminöfen vor allem Feinstaub und giftige Luftschadstoffe. Sowohl die Eigentümer:innen als auch die Nachbar:innen von Ofenbesitzer:innen werden mit Beginn der Heizperiode regelmäßig zu Raucher:innen. Kein Grund, die Energieholznutzung zu verbieten, aber massive Beschränkungen sind bei solchen Öfen notwendig. Unverständlich auch, dass für Energieholz fast immer der reduzierte Mehrwertsteuersatz gilt.[1]

Das Heizen mit Holz ist ja nicht gemeinnützig. Und
aufgrund der hohen Nachfrage nach Brennholz mehren
sich nicht nur Holzdiebstähle, sondern auch Meldungen
von Sägewerken, die über Engpässe bei der Beschaffung
von Stammholz klagen.

Holz wird seit Menschengedenken als Brennstoff genutzt. Zum Kochen, Heizen, zur Glasherstellung und Metallverhüttung. Auch heute wird mit Holz geheizt. Bis vor Kurzem zählte der Klimaschutz nicht zu den Gründen dafür. Die Menschen kaufen nicht um des Klimaschutzes willen Brennholz, sondern weil sie nicht frieren möchten. Das Argument des Klimaschutzes dient vor allem dazu, das Geschäft anzukurbeln und um öffentliche Fördermittel für diesen Wirtschaftszweig zu bekommen.

'Weckruf' von Holzlobbyisten

Befeuert wurde die Debatte um die richtige Art der Waldund Holznutzung durch einen gemeinsamen Brief von Forstwissenschaftler:innen und anderen Gegner:innen des Waldnaturschutzes. Mit ihrem Schreiben an die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen forderten sie eine 'klima-intelligente Waldnutzung' und wandten sich damit auch gegen jede weitere Unterschutzstellung wertvoller Waldgebiete.[2]

Wiederholt werden darin mehrere fragwürdige und meist nachweislich falsche Behauptungen, mit denen die Intensivierung der Holzerzeugung als die beste Strategie für den Klimaschutz, den Erhalt gesunder Waldgebiete und sogar für den Schutz der biologischen Vielfalt gepriesen wird. Dass die Wälder momentan mehr als je zuvor durch die Klimakrise, Schadstoffeinträge und intensive Waldnutzung leiden, wird unterschlagen. Beworben wird das eigene Geschäftsmodell, das als Wunderheilmittel gegen eine Reihe aktueller Probleme gefördert werden soll. Über die Nebenwirkungen schweigt man sich aus.

Der Schutz der biologischen Vielfalt oder Klimaschutz waren nie eine entscheidende Motivation für die Holzverwendung. Sie sind es auch heute nicht.

Milchmädchenrechnungen

Unterschlagen wird zum Beispiel, dass mit den geernteten Bäumen das Kohlenstoffdepot des Wirtschaftswaldes immer wieder angezapft wird. Während dieses Depot in Urwäldern stets gefüllt bleibt, ist der Kohlenstoffvorrat von Wirtschaftswäldern im Durchschnitt halb leer. Denn wir ernten ja immer wieder Holz, so wie seit Jahrhunderten. Das ist kein Drama, aber im Wald auch kein Beitrag zum Klimaschutz.

Eine weitere Begründung: das geerntete Holz würde bei der Verwendung den Kohlenstoff in Produkten speichern, während im Urwald stets so viel Holz verrottet, wie nachwächst. Im sogenannten Produktspeicher, der aus Balken, Brettern und Möbeln, ja sogar aus Papier besteht, werde dieses Verrotten vermieden und die Atmosphäre dadurch entlastet.

Auch hier wird, wie im Wirtschaftswald, das allgegenwärtige Kreislaufgeschehen ausgeblendet. Niemand stopft seine Wohnung mit Möbeln und Papier voll. Altes wird entsorgt, Häuser werden renoviert oder abgerissen, sodass der Produktspeicher so lange konstant bleibt, bis wir mehr langlebige Holzhäuser errichten und dadurch dieses Depot vergrößern. Diese begrüßenswerte Entwicklung findet zurzeit statt, doch dadurch wächst dieser Speicher nur sehr langsam an. Denn die allermeisten Holzprodukte sind ohnehin kurzlebig: Papier, Brennholz, Einweg- bzw. Wegwerfprodukte landen nach kurzer Zeit in der Verbrennung oder werden entsorgt.

Der Schutz der biologischen Vielfalt oder Klimaschutz waren nie eine entscheidende Motivation für die Holzverwendung. Sie sind es auch heute nicht. Holz ist ein vielseitig verwendbarer und gut zu verarbeitender Werkstoff mit vielen wunderbaren Eigenschaften. Holz ist in allen Regionen gut verfügbar, und auch seine Entsorgung ist spätestens in Form energetischer Verwertung meist problemlos möglich. Klimaschutz? Fehlanzeige!

Von Seiten der Forstakteur:innen liest man oft, Wälder seien 'unsere besten Klimaschützer'. Gemeint sind stets die forstlich bewirtschafteten Wälder. Man lobt nicht die Wälder an sich, sondern die eigene kommerzielle Tätigkeit. Demnach sorgten Waldpflege, das Ernten von Bäumen, für mehr Licht und Wachstum junger Bäume. Diese wüchsen schneller als alte Bäume und saugten mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Urwälder hingegen befänden sich im Gleichgewicht, Zuwachs und Absterben halten sich in etwa die Waage. Sie nehmen also kaum noch Treibhausgase aus der Luft auf.

Das klingt zwar plausibel, ist aber falsch. Noch schlimmer als diese bewusste Irreführung ist aber, dass der gesamte Sektor, Waldeigentümer:innen, Forstleute und Holz verarbeitende Betriebe, sich bisher nicht getraut hat, die Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zu wirksamem Klimaschutz aufzufordern. Obwohl die eigene Geschäftsgrundlage bereits im Sterben liegt. Klimaschutz wird ausschließlich durch das Weiterverfolgen der bisherigen Geschäftspraxis beworben.

Verteidigt endlich eure Wälder!

Es wäre auch für die Klimaschutzpolitik ein wichtiger Beitrag, wenn sich die Verbände der Land- und Forstwirtschaft lautstark für Klimaschutz einsetzen würden. Stattdessen lässt man z. B. die jungen Menschen, die mit teilweise drastischen Aktionen Klimaschutz einfordern, im Regen stehen. Man begnügt sich damit, von den Steuerzahler:innen Geld zu fordern, um einige der Schäden zu reparieren. In vertrockneten Wäldern und Ernten. So viel Geld ist aber nicht vorhanden, um sämtliche Schäden zu reparieren.

László Maráz, Dipl. Forstwirt, koordiniert die AG Wälder im Forum Umwelt und Entwicklung sowie das Verbändeprojekt Dialogplattform Wald.

Anmerkungen:
[1] Koch, J. (2018): Volle Umsatzsteuer für Hackschnitzel aus Rohholz.
[2] Simon, F. (2022): Scientists call for 'climate smart' forestry in face of global warming.

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Quelle:
Rundbrief 3/2022, Seite 49-51
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 920
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 4. April 2023

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