Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V. - Pressedienst, 11. Oktober 2023
Bundeswaldgesetz: Den Wald gegen die Klimakrise wappnen
Umweltverbände DNR, DUH, NABU und WWF stellen eigenen Gesetzesvorschlag zum neuen Bundeswaldgesetz vor
Berlin - Das aktuelle Bundeswaldgesetz (BWaldG) von 1975 kennt keine Klimakrise und kein Artensterben. Es schafft nicht den notwendigen Rahmen, unsere heimischen Wälder gegen die zunehmenden Extremwetter anzupassen und gegen die steigende Holznachfrage zu wappnen. Deshalb soll das dringend reformbedürftige Gesetz vollständig novelliert werden. Vier der größten Umweltverbände Deutschlands zeigen nun, wie das neue Gesetz konkret ausgestaltet werden sollte, um den Anforderungen an den Wald gerecht zu werden.
Die Umweltverbände fordern, dass das neue Gesetz den Erhalt und die Stärkung des Ökosystems Wald ins Zentrum rücken soll. Nur so können die natürliche Widerstandskraft und Anpassungsfähigkeit unserer Wälder gegen Klimafolgen gestärkt werden. Auch wichtige Funktionen des Waldes, etwa die Versorgung mit sauberem Wasser und reiner Luft, der Schutz vor Erosion und Fluten, sowie seine Funktion als Kohlenstoffspeicher, Naherholungsort und Lebensraum unzähliger Arten werden so gesichert. Die forstliche Waldbewirtschaftung würde dadurch mit dem in der Verfassung festgeschriebenen Erhalt der Lebensgrundlagen befriedet und in Zeiten hoher naturräumlicher Risiken langfristig gesichert.
Insbesondere der schwammige Begriff der "guten fachlichen Praxis" muss dafür durch zeitgemäße, konkrete und rechtssicher formulierte Anforderungen für die private und öffentliche Waldbewirtschaftung ersetzt werden. Notwendig sind hierfür unmissverständliche Anforderungen an ein zukunftsfähiges Waldmanagement, klare Definitionen erklärter Ziele und erwünschter "guter Zustände" des Waldes sowie wirksame Regelungen für den Vollzug des neuen Gesetzes.
Florian Schöne, Geschäftsführer des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR): "Angesichts des dramatischen Zustands unserer Wälder können wir uns ein 'Weiter so' in der Waldbewirtschaftung nicht mehr leisten. Wir brauchen einen neuen und langfristigen Gesellschaftsvertrag mit den Waldbesitzenden, der dem Erhalt des Waldes als unsere Lebensgrundlage dient. Einkommen für Waldbesitzende sollte nicht nur durch forstliche Nutzung, sondern auch durch Honorierung von Schutz und Erhalt des Waldes gesichert werden. Gleichzeitig müssen weitreichende Sanktionen im neuen Bundeswaldgesetz gewährleisten, dass sich schwerwiegende Zerstörungen von Waldökosystemen nicht länger lohnen."
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH): "Das neue Waldgesetz muss deutsche Wälder fit machen für die Folgen der Klimakrise und die Stärkung der Bindung von Treibhausgasen als zentrales Ziel jeglichen Waldmanagements verankern. Die deutschen Wälder kühlen Landschaften und schützen vor Extremwetterereignissen wie Starkregen oder Hochwasser. Ihre Funktion als natürliche Kohlenstoffsenke ist von enormer Bedeutung zur Erreichung der Klimaschutzziele. Damit Wälder diese Funktionen erfüllen können, müssen sie widerstandsfähiger werden. Das gelingt, wenn ihre Behandlung und Bewirtschaftung stärker als bisher auf den Erhalt der Böden, den Aufbau des Holzvorrats, und die Kühlung durch Wasserrückhalt ausgerichtet werden."
Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbundes (NABU): "Um den Wald mit allen wichtigen Funktionen zu erhalten, müssen wir seine Selbstregulierungskräfte stärken. Dies kann nur gelingen, wenn wir die Waldbewirtschaftung naturverträglicher und damit zukunftsfähig gestalten. Alle, die einen Wald besitzen, tragen hierbei Verantwortung. Konkret brauchen wir eine Einigung auf gesetzlich verankerte Grundpflichten für alle Waldbesitzenden. Für Wälder in öffentlicher Hand braucht es besonders verantwortungsvolle Standards. In Schutzgebieten muss die Forstwirtschaft sich am Schutzziel orientieren, nicht umgekehrt. Hier bestehen aktuell noch sehr große Probleme. Mit einem neuen und zeitgemäßen Bundeswaldgesetz sind enorme Chancen für Natur und Wirtschaft gleichermaßen verbunden. Diese Chancen müssen wir jetzt gemeinsam nutzen."
Dr. Susanne Winter, Programmleiterin Wald (WWF): "Der Harz ist ein schockierendes Beispiel: Wo einstmals grüner Wald lockte, sieht es heute aus wie in einem schlechten Science Fiction Film. Doch nur jeder fünfte Baum ist in Deutschland noch frei von Schäden. Dabei verpflichtet uns das Grundgesetz, den Wald und nicht nur seine Flächenausdehnung zu bewahren. Das neue Gesetz muss deutlich festlegen, was Ziele, Grundsätze und vorbildliches Waldmanagement sind. So sollte flächige Nutzung ausgeschlossen und der Zuwachs zu maximal 80 Prozent für Holzeinschlag genutzt werden können. Neue Bildungs- und Beratungsangebote für Waldbesitzende helfen, Boden, Fauna und Flora als wichtige Bestandteile des Ökosystems zu erhalten. Nur so kann der Wald angesichts der hohen Holznachfrage und im Klimawandel überleben."
Hintergrund:
Wälder bedecken ein Drittel der Landesfläche Deutschlands und sind
essenzieller Teil unserer natürlichen Lebensgrundlagen, zu deren
Erhalt das deutsche Grundgesetz (Art. 20a GG) verpflichtet. Wälder
sind ebenso die Lebensgrundlage für einen Großteil der Pflanzen-, Pilz-
und Tierarten, sie filtern Luft und Wasser von Schadstoffen,
speichern enorme Mengen Kohlenstoff, puffern extreme Niederschläge und
Temperaturen und sie versorgen die Gesellschaft neben dem immer
wichtigeren Rohstoff Holz auch mit der Kühlung von Landschaften und
Räumen für die Erholung. Dennoch ist der deutsche Wald heute in einem
besorgniserregend schlechtem Zustand. Nur noch jeder fünfte Baum ist
frei von Schäden. Das Bundeswaldgesetz berührt also nicht nur einen
großen Teil der deutschen Landesfläche, sondern ist auch der
maßgebliche Hebel dafür, den besorgniserregenden Zustand der deutschen
Wälder zu verbessern und ihren Fortbestand für künftige Generationen
zu sichern. Die Vorlage eines Referentenentwurfs des Gesetzes durch
das federführende Bundeslandwirtschaftsministerium gemeinsam mit dem
Bundesumweltministerium wird in Kürze erwartet.
Zur Zusammenfassung des Vorschlags für ein neues Bundeswaldgesetz:
https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/wald/231010-zusammenfassung_vorschlag-umweltverbaende-novelliertes-bwaldg-2023.pdf
Zum gutachterlichen Volltext:
https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/wald/231010-gesetzentwurf-verbaende-bwaldg.pdf
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Quelle:
NABU Pressedienst, 11.10.2023
Herausgeber:
Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)
Pressestelle
Charitéstraße 3, 10117 Berlin
E-Mail: presse@NABU.de
Internet: www.NABU.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 13. Oktober 2023
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