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VERKEHR/1034: Bus, Bahn oder Auto? - Studie ermittelt optimales Verkehrsmittel (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 187 - August/September 2015
Die Berliner Umweltzeitung

Bus, Bahn oder Auto?
Studie des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) ermittelt optimales Verkehrsmittel

Von Veit Ulrich


Seit der Freigabe des Fernbusverkehrs im Jahr 2013 dürfen in Deutschland Fernlinienbusse in großer Anzahl fahren. Da deren Anbieter mit deutlich günstigeren Preisen winken als die Bahn, hat sich am Markt eine hohe Dynamik entwickelt. Bereits im Jahr 2014 gab es im Fernbusverkehr 255 Verbindungen mit 7.500 Fahrten pro Woche, auf denen insgesamt bis zu 19 Millionen Fahrgäste transportiert wurden. Alle größeren Städte sind mittlerweile für wenig Geld mit dem Bus erreichbar. Doch gibt es einen Haken? Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat in seiner Studie "Bahntest 2014/2015" untersucht, ob der Fernbus im Verhältnis zu Bahn und Auto wirklich das optimale Verkehrsmittel ist.

Im direkten Vergleich zwischen Bus und Fernbahn untersuchte der VCD auf 10 Strecken in Deutschland insgesamt 540 Verbindungen. Für den Vergleich wurden verschiedene Reisetypen und ebenso unterschiedliche Vorlaufzeiten bei der Ticketbuchung berücksichtigt. Dies sollte eine ausgewogene Untersuchung gewährleisten.

Die Bahn ist teuer, aber schnell

Das Ergebnis: Die Bahn ist fast immer teurer als der Bus, aber die Reise mit dem PKW kostet in jedem Fall noch mehr als die Bahnfahrt. Lediglich bei frühzeitiger Buchung kann die Bahn im Einzelfall günstiger als der Bus sein. Außerdem werden Familien bei den Ticketpreisen der Fernbahn bevorzugt, bei den Fernbussen gibt es oftmals keine Ermäßigung für Kinder.

Und wie sieht es aus, wenn die Umweltbilanz mit einbezogen wird? Die verschiedenen Verkehrsmittel stoßen pro gefahrenen Personenkilometer unterschiedliche Mengen an Treibhausgasen, Stickstoffoxiden und Feinstaub aus. Die Emissionen hängen von der Art des Antriebs und von der Auslastung der Fahrzeuge ab. Bei der Ferneisenbahn wird in der Studie des VCD beispielsweise eine Auslastung von 44 Prozent angenommen, bei PKW geht der Bahntest von durchschnittlich 1,5 Personen in einem Auto aus. An dieser Stelle sei noch angemerkt, dass die Emissionen, die bei der Erzeugung der Treibstoffe (Strom, Diesel, etc.) anfallen, in der Studie ebenso berücksichtigt werden. Beim Treibhausgasausstoß hat der Fernlinienbus mit 30 Gramm pro Personenkilometer (g/pkm) knapp die Nase vorn, dicht gefolgt von der Fernbahn (43 g/pkm). Weit abgeschlagen ist der PKW mit einem Ausstoß von 139 g/pkm. Wie man sieht, hat der Fernlinienbus neben dem günstigen Fahrpreis auch bei der Umweltbilanz die Nase vorn. Dies wäre sicherlich anders, wenn die Bahn zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energien fahren würde. Doch der Anteil des grünen Stroms ist bei der Bahn noch sehr gering - immerhin soll er bis 2020 auf 35 Prozent steigen.

Wird der Fernbus auch künftig so günstig bleiben? Sowohl die große Konkurrenz als auch die niedrigen Ticketpreise haben zur Folge, dass kleinere Anbieter schon wieder vom Markt verschwunden sind und dass Busunternehmen fusionieren, wie zum Beispiel Meinfernbus und Flixbus. Außerdem ist der Anteil der Fernbuslinien am Markt im Vergleich zu Bahn und Flugzeug immer noch sehr gering. Eigentlich zu Unrecht, werden doch die Busverbindungen immer attraktiver. So fahren die Fernlinienbusse heute auch Mittel- und Kleinstädte an. Außerdem stellt der VCD-Bahntest fest, dass sich Drehkreuze herausbilden, wo die Fahrgäste Anschlüsse in mehrere Richtungen gut erreichen können.

Der große Nachteil der Fernbusse ist allerdings die Fahrtdauer. Auf allen durch den VCD getesteten Strecken braucht der Fernbus im Vergleich zu Bahn und Auto am längsten. So benötigt er zwischen Berlin und Hannover beispielsweise doppelt so lange wie der ICE/IC der Deutschen Bahn. Aber es lohnt sich dennoch, die Reisezeit von Bus und Bahn vor Reiseantritt zu vergleichen. Auf der Strecke zwischen Freiburg und München braucht der Fernlinienbus zum Beispiel nur fünfzehn Minuten länger als der Schnellzug.

Ein weiterer Nachteil der Fernlinienbusse, wenn auch vermutlich für viele Reisende zweitrangig, sind die eingeschränkten Fahrgastrechte. Während Passagiere bei der Bahn schon nach einer Stunde Verspätung einen Anspruch auf Entschädigung haben, so wird dieser beim Fernlinienbus erst nach zwei Stunden Verspätung wirksam, und auch dann erst ab einer Reisedistanz von mindestens 250 Kilometern. Des Weiteren sind die Busanbieter nicht dazu verpflichtet, eine Entschädigung zu zahlen, wenn es beispielsweise wegen schlechter Wetterbedingungen zu einer Verspätung kommt. Die Bahn entschädigt ihre Fahrgäste hingegen auch bei "höherer Gewalt". Und wie sieht es mit der Information über Verspätungen aus? Während Bahnreisende zumindest an größeren Bahnhöfen über Verspätungen, Ausfälle und Ähnliches informiert werden, können Fernbusreisende diese Informationen in der Regel nur über die Smartphone-Apps der entsprechenden Anbieter abrufen.

Der Bahn laufen die Fahrgäste weg

Trotz dieser Widrigkeiten machen die Fernbusse der Bahn mächtig zu schaffen. Auf ihrer Bilanzpressekonferenz im Juli 2014 musste die Bahn Umsatzeinbußen in der Größenordnung von 50 Millionen Euro durch die Konkurrenz der Fernbusse eingestehen. Dies ist angesichts regelmäßig steigender Fahrpreise auch kein Wunder. Da nehmen Reisende auch gern einmal längere Fahrzeiten in Kauf. In letzter Zeit hat die Bahn durch den langen Tarifstreit mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zusätzlich an Ansehen verloren.

Bahnchef Rüdiger Grube fordert jetzt aufgrund der wachsenden Beliebtheit des Fernbusreisens eine Maut für Fernbusse, die seiner Meinung nach "in Sachen Steuern und Abgaben im Vergleich zur Bahn massiv bevorzugt werden". Es ist gut möglich, dass die Forderungen des bundeseigenen Konzerns irgendwann in der Politik Gehör finden. Schließlich zahlen LKWs auch eine Maut für die Benutzung von Fernstraßen. Damit es für die Fernbusse nicht dazu kommt, hat der Busverband BDO eine Studie in Auftrag gegeben, um sich eine Argumentationshilfe für künftige Konfrontationen zu besorgen. Diese Studie untersucht die Infrastrukturkosten, die Fernzüge und -busse verursachen und den Betrag, den sie leisten, um diese auszugleichen. Sie kommt zu dem Schluss, dass der Fernbus seine Infrastrukturkosten durch die Mineralölsteuer mehr als deckt. "Er zahlt seine Wegekosten und bietet besonders einkommensschwachen Menschen eine komfortable Möglichkeit zu reisen", sagt BDO-Hauptgeschäftsführerin Christiane Leonard. Hingegen trage die Fernbahn ihre Infrastrukturkosten nur zu einem Viertel selbst, der größere Teil werde durch den Bund finanziert.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Bahn aufgrund der kurzen Reisezeit in den meisten Fällen das ideale Verkehrsmittel ist. Aufgrund der günstigen Preise und der guten Umweltbilanz ist jedoch auch der Fernbus oftmals eine gute Wahl. Das Auto hingegen ist nur zu empfehlen, wenn Orte erreicht werden sollen, die mit Bus und Bahn nicht erreichbar sind. Aus den Ergebnissen des VCD-Bahntests ergibt sich die Forderung, Fernbus- und Fernbahnverkehr attraktiver zu machen und auszubauen, damit wieder mehr Orte mit diesen Verkehrsmitteln erreichbar sind.


Weitere Informationen:

VCD-Bahntest: www.vcd.org/bahntest-2014-2015.html

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Quelle:
DER RABE RALF
26. Jahrgang, Nr. 187, Seite 15
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. September 2015

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