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VERKEHR/1099: Besser mobil statt mehr Verkehr - Warum Ökos ihre Autobahnen behalten wollen (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 131/4.2016

Besser mobil statt mehr Verkehr
Warum Ökos ihre Autobahnen behalten wollen

von Monika Lege


Eines der Lieblingsprojekte von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, CDU, ist die Gründung einer Bundesautobahngesellschaft. Wenn es ihm gelingt, dafür noch während der Großen Koalition die Voraussetzungen zu schaffen, dann haben sich die vier Jahre in Berlin für ihn gelohnt. Vergessen sein Kamikaze-Einsatz für eine Maut wider europäisches Recht, mit der er sich in Bayern als Vorkämpfer nationaler Interessen profilierte. Vergessen der Bundesverkehrswegeplan, dem das Bundesumweltamt bescheinigt, er bestehe seine eigene Umweltprüfung nicht. In der Schublade bleibt hoffentlich auch Dobrindts Luftverkehrskonzept, in dem Klima- und Lärmschutz nur schöne Worten sind.

"Schneller planen, direkt finanzieren, mehr bauen"

Das Ziel einer Bundesautobahngesellschaft beschreibt der Minister so: "schneller planen, direkt finanzieren, mehr bauen". ROBIN WOOD ist Mitglied der "Plattform gegen eine Bundesfernstraßengesellschaft". Das Bündnis sieht in der geplanten Gesellschaft einen wesentlichen Schritt zur künftigen Beteiligung privater Kapitalanleger am Bau und Betrieb von Autobahnen, die der öffentlichen Daseinsvorsorge dienen.

Autobahnen als Teil der Daseinsvorsorge? Da sträuben sich der Umweltbewegten erstmal die Nackenhaare. Autobahnen sind aus Umweltsicht in erster Linie ein Problem. Sie zerschneiden Naturräume, sind die Rollbahn für Blechlawinen. "Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten", so das Credo kritischer Verkehrswissenschaft. Ein Fünftel der energiebedingten Treibhausgase emittieren wir in Deutschland durch unsere Wege von A nach B und das Herumfahren von Sachen. Ohne den von Deutschland ausgehenden Luft- und Seeverkehr ist es ganz überwiegend der Straßenverkehr, der die Klimabilanz belastet. Zum Schutz von Umwelt und Klima müssen wir Verkehrspolitik anders denken - und machen. Vor allem das alte Dogma, Verkehrswachstum sei ein Zeichen volkswirtschaftlicher Prosperität, ist längst überholt. Verkehrswachstum gehört so wenig zum guten Leben wie Müllwachstum. In den Worten von Helmut Holzapfel, emeritierter Verkehrswissenschaftler an der Uni Kassel: "Verkehr ist ein Abfallprodukt der Industriegesellschaft." Dekarbonisierung bedeutet auch für unsere Mobilität, weg von fossilen Kraftstoffen zu kommen. Die effektivste Form der E-Mobilität sind nicht hochsubventionierte E-Autos, LKW und Busse. Sie rollt auf der Schiene. Viel wirksamer für den Klimaschutz wäre es also, endlich das gesamte Schienennetz zu elektrifizieren.

Der Business Plan privatisierter Autobahnen ist darauf nicht angelegt. Als Anlageoption für privates Kapital müsste die Immobilie Autobahn Gewinn abwerfen. Dieser Gewinn soll über Nutzungsgebühren reinkommen, also eine Maut für alle Fahrzeuge. Während eine Maut, die in den Bundeshaushalt geht, für ein postfossiles Umsteuern der Verkehrsströme genutzt werden könnte - runter von der Straße, rauf auf die Schiene - hat eine "Autobahn AG" das Interesse, dass möglichst viele KundInnen ihre Immobilien und nicht die der eisernen Konkurrenz nutzen.

Autobahnen als Teil der Daseinsvorsorge?

Schon mit der Umwandlung von Bundes- und Reichsbahn in die privatrechtlich verfasste Deutsche Bahn AG hat der Bund viel Gestaltungspotenzial aus der Hand gegeben. Auch hier ist es der Immobilienschatz der Bahn, besonders in Innenstadtlagen, der die Verfechter von Börsengang und Anteilsverkäufen an Privatanleger antreibt. Aus dem Privatisierungskurs bei der DB AG lässt sich viel für die Folgen privatisierter Autobahnen lernen:

  • Die planerische Trennung von Nah- und Fernverkehr bevorzugt den Fernverkehr und vernachlässigt das nahräumliche Netz.
  • "Cashcow" sind die Einnahmen aus den Trassenpreisen, vergleichbar der Maut.
  • Zweitgrößter "Gewinn"-Bringer ist der mit staatlichen Geldern bezahlte Nahverkehr. Zuschüsse werden als Unternehmensgewinn verbucht.
  • Das Sachziel - ein funktionierender inländischer Eisenbahnbetrieb - ist dem Gewinnziel einer privatrechtlichen AG nachgeordnet.
  • Von der "Behördenbahn" ist die DB AG eine "Managerbahn" geworden: "Echte EisenbahnerInnen" im Betrieb werden im Verhältnis zu Verwaltung und Marketing immer weniger.
  • Der Bund als Eigentümer hat keine Kontrolle über das Unternehmen. Teils fehlt die Transparenz, weil die DB AG ausgiebig auf ihr Recht zur Geheimhaltung von Unternehmensdaten pocht. Teils fehlt der Wille. So bemängelte der Bundesrechnungshof im September die fehlende Kontrolle des Bundes über die DB bezüglich der auf 10 Milliarden Euro geschätzten Kosten für Stuttgart 21.

Deutschland wird das Klimaziel von Paris nur mit einer ökologischen Verkehrswende erreichen. Teil davon ist die Verlagerung von der Straße auf die Schiene. Dafür müssen Schiene UND Straße in öffentlicher Hand bleiben. Deshalb gehören Autobahnen auch aus Umweltsicht zur Daseinsvorsorge.


Monika Lege ist Mobilitätsreferentin bei ROBIN WOOD e.V. in Hamburg und hat das Bündnis "Bahn für Alle" mitgegründet

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 131/4.2016, Seite 12 - 13
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
Verlag:
Bremer Straße 3, 21073 Hamburg (Harburg)
Tel.: 040/380 892-16, Fax: 040/380 892-14
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2017

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