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ATOM/833: Leck im Atomkraftwerk Biblis B - GRS warnt vor alten Atomkraftwerken (IPPNW)


IPPNW - Berlin, den 12. März 2009

Leck im Atomkraftwerk Biblis B

GRS verzeichnet einen Anstieg gefährlicher Lecks in den alternden Atomkraftwerken


Wie der Atomkonzern RWE und die Hessische Atomaufsicht erst gestern mitteilten, wurde am 7. März im hessischen Atomkraftwerksblock Biblis B an einer Rohrleitung im "Keller" des Reaktorgebäudes ("Ringraum") ein kleines Leck entdeckt. Der Atommeiler ist schon seit rund 32 Jahren in Betrieb. "Die Brisanz dieses Vorkommnisses liegt darin, dass die alten Rohrleitungen des so genannten Nebenkühlwassersystems in Biblis B den Korrosionsangriffen des durchströmenden Rheinwassers offenbar nicht mehr Stand halten", so Henrik Paulitz, Atomenergieexperte der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW. "Größere Leckagen in dem harmlos klingenden Nebenkühlwassersystem können geradezu lehrbuchmäßig zu einem schweren Kernschmelzunfall führen."

Im Rahmen der 1989 veröffentlichten "Deutschen Risikostudie Kernkraftwerke - Phase B" wurden zu diesem in Biblis B möglichen Unfallszenario umfangreiche Untersuchungen durchgeführt. "Die Untersuchungen zeigten, dass je nach Leckgröße nach nur etwa 30 oder gar nur 12 Minuten im Keller des Reaktorgebäudes wichtige Kühlpumpen und andere Sicherheitssysteme aller vier Redundanzen mit Rheinwasser überflutet sein können, so dass diese ausfallen. Infolge dessen kann es zu einer Kernschmelze und zur Atomkatastrophe kommen", so Paulitz. Die Untersuchungen ergaben, dass es sowohl im Leistungsbetrieb des Atomkraftwerks als auch beim Anlagenstillstand zu einem Unfall kommen kann. Neuere Untersuchungen im Rahmen der "Periodischen Sicherheitsüberprüfung" von Biblis B haben das Problem bestätigt. Altanlagen wie Biblis B sind wegen der immer wieder kritisierten unzureichenden räumlichen Trennung wichtiger Sicherheitssysteme im "Keller" des Reaktorgebäudes besonders gefährdet.

Im Nebenkühlwassersystem des Altmeilers kann es nach Angaben der IPPNW deswegen leicht zu Korrosionsschäden und Lecks kommen, weil durch das System schmutziges Rheinwasser gepumpt wird. In Biblis B wurde bereits am 28. Oktober 2006 eine kleine Leckage im Nebenkühlwassersystem vorgefunden.

Die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) hat in einer so genannten "Weiterleitungsnachricht" (WLN 2007/02) im Jahr 2007 festgestellt, dass in den letzten Jahren "ein Anstieg von meldepflichtigen Ereignissen mit Schäden an ferritischen Rohrleitungen in Nebenkühlwassersystemen in deutschen Druck- und Siedewasserreaktoren" zu verzeichnen war. Allein in den Jahren 2005 und 2006 wurden demnach zehn meldepflichtige Ereignisse mit zum Teil mehreren Befunden gemeldet. Die GRS führt die Zunahme der Schäden auf das hohe Alter der deutschen Atomkraftwerke zurück: "Es gibt Hinweise, dass mit zunehmender Betriebszeit der Anlagen eine Häufung von alterungsbedingten Schäden auftritt." In ihrer vornehmen Sprache warnt die GRS vor dem Super-GAU: "Je nach Leckage könnte auch ein erhöhter Wasseranfall in Räumen mit sicherheitstechnisch wichtigen Einrichtungen auftreten und deren Funktion beeinträchtigen."

Nach Auffassung der IPPNW ist ein Weiterbetrieb der veralteten deutschen Atomkraftwerke vor diesem Hintergrund nicht länger zu verantworten. "Wir müssen die Anlagen schnellstmöglich abschalten", fordert Paulitz. "Zeitweise waren bis zu sieben der 17 deutschen Atomkraftwerke nicht in Betrieb, ohne dass die Lichter ausgegangen sind. Ohnehin arbeiten drei Atomkraftwerke meistens nur noch für den Stromexport, weil die Erneuerbaren Energien immer mehr Strom ins Netz einspeisen. Auch ohne Atomstrom wird es keine Stromlücke geben. Atomkraftwerke sind gefährlich und überflüssig."

Hinweis:
Die IPPNW klagt vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel auf Stilllegung des Atomkraftwerksblocks Biblis B:
http://www.ippnw.de/presse/presse_2008/index.html?expand=2430

Sehen Sie den Film zur Biblis-Klage: http://www.ippnw.de/biblis/

Lesen Sie die Zeitung "Biblis angeklagt" (pdf):
http://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/biblis-zeitung.pdf


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Quelle:
Presseinformation der IPPNW - Deutsche Sektion der
Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, 12.03.2009
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Sven Hessmann, Pressereferent
Tel.: 030-69 80 74-0, Fax: 030-69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2009