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BERGBAU/131: Auch Anlieger des Pinnower Sees fordern Dichtwand um Vattenfall-Tagebau (GRÜNE LIGA Cottbus)


GRÜNE LIGA Umweltgruppe Cottbus - Pressemitteilung, 13. Januar 2011

Auch Anlieger des Pinnower Sees fordern Dichtwand um Vattenfall-Tagebau

Grundeigentümer übergaben ihre Fragen an Umweltministerin Anita Tack


Potsdam, 13.01.2011. Vertreter von Lausitzer Grundeigentümern sowie des Umweltverbandes GRÜNE LIGA schilderten heute in Potsdam Umweltministerin Anita Tack ihre Sorgen zum Wasserhaushalt um den Tagebau Jänschwalde. Sie übergaben Briefe, in denen zweihundert Eigentümer von mehr als 750 Grundstücken Fragen an die obere Wasserbehörde des Landes formulieren. Zahlreiche Anlieger des intensiv zur Erholung genutzten Pinnower Sees unterstützen darin die Forderung, eine Dichtwand um den Vattenfall-Tagebau Jänschwalde zu prüfen. Auch Waldbesitzer und Hauseigentümer der umliegenden Orte sehen ungeklärte Probleme durch die Wasserhaltung des Tagebaus.

"Während es überall im Land zu viel Wasser gibt, müssen wir uns schon wieder vor der Trockenheit des nächsten Sommers fürchten. Der Wasserspiegel des Pastlingsees bei Grabko ist im Herbst 2010 trotz der extremen Niederschläge einfach weiter gesunken. Für uns ist klar, dass nur Vattenfalls Tagebau die Ursache sein kann." sagt Bernd Quilisch aus Grabko, der an der Übergabe der Briefe an die Ministerin teilnahm. "Uns Anliegern des Pinnower Sees haben die Landesbehörden lange Zeit erzählt, der Wasserspiegelrückgang habe keinerlei Zusammenhang zum Tagebau. Inzwischen wird vom LUGV offiziell ein Einfluß des Tagebaus auf die Seen der Region nicht mehr ausgeschlossen. Dieser Verdacht muß restlos aufgeklärt und wirksame Schutzmaßnahmen eingeleitet werden." sagt Georg Abel von der Siedlungsgemeinschaft Südufer am Pinnower See.

"Die Frage nach der Dichtwand muß wieder auf die Tagesordnung. Bisherigen Prüfungen dazu vor zehn Jahren wurden nicht objektiv durchgeführt, wie wir bei einer Akteneinsicht feststellen mußten. Hauptziel der Behörden war damals offenbar, dass Vattenfall keine zusätzlichen Kosten entstehen." sagt René Schuster von der GRÜNEN LIGA aus Cottbus. Zu den Unterzeichnern gehören Bewohner der Dörfer Tauer, Bärenklau, Pinnow, Grano, Schenkendöbern, Deulowitz, Kaltenborn, Schlagsdorf, Groß Gastrose, Taubendorf, Kerkwitz, Atterwasch und Grabko, aber auch auswärts ansässige Grundeigentümer aus Guben, Berlin, Dresden, Eisenhüttenstadt und weiteren Orten.

Grundwasserabsenkung durch Tagebaue wirkt mehrere Kilometer ins Umland und kann Bergschäden an Gebäuden und Straßen, Einschränkung der Erholungsnutzung an Seen, Austrocknen geschützter Feuchtlebensräume oder Schäden in der Waldwirtschaft hervorrufen. Der Entwässerungstrichter des Tagebaus Jänschwalde soll in den nächsten Jahren weiter nach Norden fortschreiten. Den unterzeichnenden Bürgern ist bewußt, dass die derzeitige Feuchteperiode nur eine vorübergehende Linderung der Entwässerungsprobleme schaffen kann und bestehende Zeitfenster zu Entscheidungen über wirksame Schutzmaßnahmen genutzt werden müssen.

Raute

Unser Wasser soll bleiben!

Hintergründe zu Auswirkungen des Tagebaus Jänschwalde auf den Wasserhaushalt

Die Grundwasserabsenkung reicht weiter, als Vattenfall zugibt!

Im Braunkohlenplan Jänschwalde ist eine "bergbauliche Beeinflussungslinie" des Grundwassers verzeichnet. Vattenfall und Behörden behaupten stets, außerhalb dieser Linie gäbe es keine Beeinträchtigungen. Richtig ist aber: Diese Linie umschließt nur den Bereich, in dem mehr als 2 Meter Absenkung durch den Tagebau vorhergesagt werden. Auch bei geringerer Absenkung können
- Bäume vertrocknen,
- Bergschäden an Gebäuden oder Straßen auftreten,
- Wärmepumpen beeinträchtigt werden,
- geschützte Feuchtwiesen verschwinden oder
- Seewasserspiegel absinken.

So liegt der Pinnower See nur wenige hundert Meter hinter der Linie. Ein weiteres Abfallen des Seewasserspiegels durch den Tagebau wäre kaum vermeidbar! Vermutlich werden auch Absenkungen von mehr als 2 Meter wesentlich weiter reichen, als bisher berechnet! Die Wasserstands-Prognosen zu den Jänschwalder Laßzinswiesen erwiesen sich 2009 als fehlerhaft und mussten neu berechnet werden. Auch die Prognosen zu anderen Gebieten müssen deshalb überprüft werden!

Aktuell sinkt trotz massiver Niederschläge der Wasserstand im Pastlingsee dramatisch. Hier wurde von Vattenfall stets behauptet, der See liege abgedichtet über dem regionalen Grundwasserspiegel und würde dessen Absenkung überstehen. Dies könnte sich nun als eine weitere Fehleinschätzung erweisen. Für im Grundwasser liegende Seen, wie z.B. den Pinnower See, galt diese Argumentation ohnehin nie.

Landkarte mit drei eingezeichneten Regionen: Gebiet des Tagebaus Jänschwalde - Gebiet der Grundwasserbeeinflussung lt. Vattenfall - Gebiet (größer), in dem Grundwasserabsenkung nicht auszuschließen ist - GRÜNE LIGA, Umweltgruppe Cottbus

Abb. 1: GRÜNE LIGA, Umweltgruppe Cottbus

Die Beeinträchtigungen durch den Grundwasserentzug des Tagebaus Jänschwalde sind NICHT genehmigt!

Anfang der 1990er Jahre drückten sich Land und Bergbaubetrieb davor, für den Tagebau Jänschwalde ein Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Es existiert deshalb keine umfassende Genehmigung für sämtliche Folgen des Bergbaus, sondern nur bergrechtliche Betriebspläne und die wasserrechtliche Erlaubnis zum Abbpumpen des Grundwassers aus dem Jahre 1996. Dagegen ist es nicht zulässig, etwa Schutzgebiete, geschützte Biotope oder geschütze Tier- und Pflanzenarten durch die Grundwasserabsenkung zu beeinträchtigen. Wo dies dennoch geschieht, müssen die Beeinträchtigungen unterbunden oder ein Genehmigungsverfahren nachgeholt werden. Sind die Beeinträchtigungen nicht genehmigungsfähig, so ist die wasserrechtliche Erlaubnis nachträglich rechtswidrig. Dann muss sie zurückgenommen, ausgesetzt oder um Auflagen ergänzt werden. Eine solche Auflage könnte der Bau einer Dichtwand am Nordrand des Tagebaus sein. Für Beeinträchtigung von Eigentum gilt - auch bei genehmigten Verschlechterungen - die Entschädigungspflicht als Bergschaden.

Eine Abdichtung am Nordrand des Tagebaus wäre möglich, wurde aber bisher nicht vorgeschrieben

Unterirdische Dichtwände werden bereits in vier von fünf Lausitzer Tagebauen eingesetzt, um die Reichweite der Grundwasserabsenkung zu begrenzen. Möglich sind sie, wenn sie auf einen wasserstauenden Horizont unter der Kohle aufgesetzt werden können. Dieser liegt auch im Tgb. Jänschwalde vor. Nur in den eiszeitlichen Rinnenstrukturen (z.B. Taubendorfer Rinne) ist nicht nur das Kohleflöz, sondern meist auch dieser Basishorizont unterbrochen.

Die Auflage Nr. 6.6 der wasserrechtlichen Erlaubnis des Tagebaus Jänschwalde lautet: "Es ist zu untersuchen, ob durch eine Weiterführung der beantragten Dichtwand im Nordabschluß in Richtung Westen das Maß der notwendigen Entwässerung für den Tagebau Jänschwalde und deren Auswirkungen auf den Natur- und Wasserhaushalt gemindert werden kann. (...) Es bleibt vorbehalten, eine entsprechende Weiterführung der Dichtwand zu fordern."

Im Ergebnis einer aktuellen Akteneinsicht konnten wir die dazu vorgelegten Unterlagen prüfen und haben festgestellt, dass die bisherigen Untersuchungen durch falsche Aufgabenstellungen beeinflusst waren. Ein Kurzgutachten für den Braunkohlenausschuss vom 1998[1] stellte fest, dass eine Dichtwand außerhalb der Abbaukante in der Taubendorfer Rinne läge. Nicht geprüft wurde aber, die Abbaukante des Tagebaus so zu verlagern, dass die Wand auf geeigneten Untergrund gesetzt werden kann. Genau das wäre aber nötig gewesen. In einer weiteren 2000/01 dem Bergamt vorgelegte Untersuchung wurde nur eine Dichtwand von 1600 Metern Länge geprüft! Dass sich dabei der Absenkungstrichter nur wenig verkleinern würde, verwundert niemanden. Eine Dichtwand an der gesamten Nordmarkscheide wäre mindestens 3300 m lang.

Die geologischen Schnitte der Gutachten zeigen: Am Nordrand des Abbaufeldes läge der benötigte "Basishorizont" geschlossen vor, wenn die Abbaukante um wenige hundert Meter zurückverlegt wird. Der Verlust an gewinnbarer Kohle bliebe gering, da größtenteils geologisch gestörte Bereiche der Taubendorfer Rinne vom Abbau ausgenommen werden müssten. Am Nordwestrand des Tagebaufeldes (Richtung Grabko) stellen selbst die Gutachter des Bergbaubetriebes die Machbarkeit einer Dichtwand ausdrücklich fest.[2] Bei der Beantragung eines Braunkohlenplanes "Jänschwalde-Nord" kündigt Vattenfall 2008 eine komplette Durchquerung der Taubendorfer Rinne mit einer Dichtwand nun plötzlich als möglich an. Müsste dann nicht sogar ohne Rücknahme der Abbaukante eine Dichtwand um den Tagebau Jänschwalde möglich sein? Lage der Abbaukante und Grenzen der Taubendorfer Rinne

Landkarte zeigt: Lage der Abbaukante und Grenzen der Taubendorfer Rinne - GRÜNE LIGA, Umweltgruppe Cottbus

Abb. 2: Lage der Abbaukante und Grenzen der Taubendorfer Rinne
GRÜNE LIGA, Umweltgruppe Cottbus

Vereinfachter Schnitt durch die Taubendorfer Rinne: links: Kohlefeld Jänschwalde Nord; Mitte: geplante Abbaukante (Dichtwand nicht möglich); rechts: Kohlefeld Jänschwalde-Mitte, sinnvolle Abbaukante (Dichtwand möglich) / dargestellte Schichten von oben nach unten: Geländeoberkante, Kohleflöz, Basishorizont (wasserdurchlässig) - GRÜNE LIGA, Umweltgruppe Cottbus

Abb. 3: Vereinfachter Schnitt durch die Taubendorfer Rinne
GRÜNE LIGA, Umweltgruppe Cottbus

Die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft (WRRL)

Die Wasserrahmenrichtlinie der EU schreibt - verbindlich für alle Mitgliedstaaten - ein Verschlechterungsverbot für Oberflächengewässer und Grundwasserkörper vor. Eine massive Grundwasserabsenkung, wie sie der Tagebau Jänschwalde weiter herbeiführen würde, ist damit nicht vereinbar. Im Bewirtschaftungsplan für das Oder-Einzugsgebiet nimmt Deutschland zwar "Bei den aktiven Tagebauen den abbautechnisch notwendige Grundwasserstand" als Ausnahme (weniger strenges Umweltziel) an. Doch Grundwasserabsenkung ist gerade nicht "abbautechnisch notwendig", wenn machbare Schutzmaßnahmen unterlassen wurden. Als solche Maßnahmen nennt der Bewirtschaftungsplan ausdrücklich "Berücksichtigung der Beeinflussung des Grundwasserhaushaltes bei der Festlegung der Abbaugrenzen" und "Bau von Dichtwänden".[3] Damit ist durch den Betrieb des genehmigten Tagebaus Jänschwalde nicht einmal das der Braunkohlenwirtschaft zuliebe formulierte "weniger strenge Umweltziel" erfüllt!

[1] STOLL & Partner (1998): Kurzgutachten zur technischen Machbarkeit einer Dichtwand an der West- und Nordmarkscheide Tagebau Jänschwalde der Lausitzer Braunkohle Aktiengesellschaft

[2] STOLL & PARTNER, S.28

[3] FGG Elbe: Begründung von "Ausnahmen" von Bewirtschaftungszielen, -fristen, und -anforderungen für die im deutschen Teil der Flußgebietseinheiten Elbe und Oder durch den Braunkohlenbergbau und den Sanierungsbergbau beeinflußten Grundwasserkörper in Übereinstimmung mit der EG-Wasserrahmenrichtlinie, Dezember 2009


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Quelle:
Pressemitteilung und Hintergrund vom 13.01.2011
Herausgeber: GRÜNE LIGA, Umweltgruppe Cottbus
c/o Eine-Welt-Laden
Straße der Jugend 94, 03046 Cottbus
Telefon: 0355 / 4837815
E-Mail: umweltgruppe@web.de
Internet: www.lausitzer-braunkohle.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2011