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ENERGIE/1299: Liberalisierter Strommarkt... Die Macht der großen Vier! (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 101/2.2009
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

energie

Die Macht der großen Vier!

Von Dirk Seifert


Ende der 90er Jahre wurde mit der sogenannten Liberalisierung der Energiemärkte in der Europäischen Union begonnen. Ziel war es, mehr Wettbewerb zu erzeugen und damit die Kosten für die Energieversorgung zu reduzieren. Ein Ziel, das nicht nur in Deutschland als weitgehend gescheitert angesehen werden muss. Aus ehemals acht großen Energiekonzernen in Deutschland bildeten sich vier noch größere Unternehmen heraus. E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW kontrollieren heute über 80 Prozent der Stromerzeugung und einen fast ebenso großen Anteil bei der Stromversorgung der EndkundInnen. Und daran soll sich - geht es nach dem Willen der vier Stromkonzerne - auch in Zukunft nichts ändern. Im Gegenteil: Vom deutschen Markt aus, greifen sie nach Europa und wollen so ihre Dominanz weiter ausbauen und zum Global Player auf den Energiemärkten in Europa werden.

Die Liberalisierung des Energiemarktes haben die großen Vier bis heute weitgehend verhindern können und stattdessen die Konzentration im deutschen Energiemarkt sogar noch ausgebaut. Das fast vollständige Fehlen von nennenswertem Wettbewerb ermöglicht den Konzernen eine Preisbildung, die enorme Gewinne zur Folge hat. So haben sich die Strompreise zwischen 2000 und 2006 um rund 50 Prozent erhöht.


Marktmacht - Stromerzeugung

Bei der Stromerzeugung, also den Kraftwerken, halten die vier Konzerne heute einen Anteil von durchschnittlich etwa 80 Prozent, bei den Grundlastkraftwerken sogar über 90 Prozent (Leprich 2007, S. 29)

Möglicherweise wird sich diese eindeutige Dominanz in den nächsten Jahren etwas abschwächen. Neue Unternehmen werden sich im Erzeugungsmarkt durch die in Bau bzw. in Planung befindlichen über 20 neuen Kohlekraftwerke etablieren können. Unternehmen wie Südwest-Strom, Electrabel oder Dong könnten dadurch den Einfluss der großen Vier reduzieren. Dennoch bleiben diese mit über der Hälfte der neuen Kraftwerkskapazitäten im Geschäft. Einen weiteren Anteil an der Energieerzeugung werden die erneuerbaren Energien einnehmen, die überwiegend von kleineren und mittelständischen Unternehmen betrieben werden. Auch hier wird sich der bisherige Einfluss der großen Vier bei der Stromerzeugung in der Zukunft etwas abschwächen.

Doch an ihrer strategischen Marktmacht wird sich - so wie es aussieht - insgesamt wenig ändern. Denn die vier Unternehmen verfügen über die entsprechenden finanziellen Potentiale, um auch kurzfristig auf Veränderungen zulasten ihrer Macht reagieren zu können. Unliebsame Konkurrenz kann notfalls einfach aufgekauft und so integriert werden.

Inzwischen haben E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW z.B. die derzeit in Planung befindlichen Off-Shore-Windparks entlang der deutschen Küsten fast vollständig unter ihre Kontrolle gebracht. Diese Anlagen haben große Bedeutung für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland. Nach den Planungen des Bundesumweltministeriums sollen diese Off-Shore-Windparks im Jahr 2025 etwa 15 Prozent Anteil am Stromerzeugung haben, während die an Land befindlichen Windanlagen lediglich 10 Prozent liefern sollen.

Auch wenn die großen Vier in den nächsten Jahren bei der Stromerzeugung also etwas an Einfluss verlieren werden - so besetzen sie sowohl bei den im Bau und Planung befindlichen Kohlekraftwerken als auch im Offshore-Bereich Schlüsselbereiche. Und damit kontrollieren sie auch, in welche Richtung die Energieerzeugung verlaufen wird. Denn die Stromnetze, die bislang ebenfalls noch unter fast vollständiger Kontrolle der großen Vier stehen, sind für die Aufnahme und Verteilung des Stroms von entscheidender Bedeutung.

Schon heute kommt es immer wieder dazu, dass dezentrale Stromerzeuger wie die Windparks vorrübergehend abgeschaltet werden müssen, weil die Netze überlastet sind. Diese Problematik wird sich weiter zuspitzen. Vor allem in Norddeutschland sollen große Kraftwerkskapazitäten an Land (Kohle) und aus See (Wind) neu entstehen.

Für die Aufnahme dieser hohen Leistung sind die Stromnetze aber bislang nicht ausgelegt. Um sowohl die neuen Kohlekraftwerke als auch die auf See befindlichen Windparks integrieren zu können, sind erhebliche Investitionen und der Ausbau der Stromnetze erforderlich. In welchem Umfang das passiert und wie schnell das geht, kontrollieren die großen Vier. Und damit haben sie den Schalter in der Hand, ob es zugunsten der Windenergie oder der Kohlekraft weiter geht.


Marktmacht - Stromabsatz

Ebenso beherrschend wie bei der Stromerzeugung sind die vier Konzerne auch beim Absatz. Nicht nur was die direkten Verträge mit EndverbraucherInnen angeht, sondern vermittelt über zahlreiche regionaler Energieversorger und Stadtwerken, an denen sie beteiligt sind. Im Jahr 2007 hielten diese Konzerne an insgesamt 325 regionalen Versorgern Anteile und damit an rund 40 Prozent dieser regionalen Versorger.

Obwohl die Konzerne in vielen Fällen lediglich Minderheitsbeteiligungen halten, geht auch das Bundeskartellamt davon aus, dass sie diese damit weitgehend kontrollieren. Leprich kommt daher zu dem Ergebnis, "dass die vier Großen bereits Einfluss auf rund 80 Prozent des gesamten Stromabsatzes in Deutschland besitzen ... und auf diese Weise den Vertrieb ihres in Großkraftwerken erzeugten Stroms sicherstellen." (S. 33)


Ziel Europa

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, über welche außerordentliche Macht diese vier Konzerne in der deutschen Energiepolitik verfügen. Neben der französischen EDF und "Gas de France Suez" (GDF Suez) sowie der italienischen Enel gehören E.ON und RWE inzwischen zu den größten Stromversorgern in Europa und sind außerdem im Gas- und Wärmegeschäft überaus agil. Seit Jahren verfolgen diese beiden Konzerne eine intensive Expansionspolitik in Europa.

Um die wachsende Macht der Konzerne wenigstens teilweise kontrollieren zu können, versuchte die EU-Wettbewerbs-Kommission in den vergangenen zwei Jahren durchzusetzen, dass die Konzerne wenigstens die Stromnetze verkaufen sollten. Mit der Trennung von Stromerzeugung und Stromverteilung sollte ein Mindestmaß an Wettbewerb durchgesetzt werden. Nicht nur die Konzerne, sondern vor allem auch die Regierungen in Deutschland und Frankreich lehnten das strikt ab. Dennoch erhöhte die Wettbewerbskommission zunächst den Druck und ging wegen des Verdachts illegaler Preisabsprachen z.B. massiv gegen E.ON und RWE vor. Millionenschwere Schadensersatzforderungen drohten und die Genehmigung von Firmenübernahmen im Ausland lagen vorerst auf Eis. E.ON bot schließlich an, das gesamte Stromleitungsnetz und Anteile ihres Kraftwerkspark in Deutschland zu verkaufen.

Doch im März 2009 musste die Wettbewerbs-Kommission schließlich klein beigeben. Die deutsche und französische Regierungen setzten sich beim Gesetzespaket zum Energiebinnenmarkt durch und verhinderten so die von der EUKommission angestrebte Aufteilung der Konzerne. Für die Stromkonzerne mehr als nur ein wichtiger Teilsieg, selbst wenn E.ON inzwischen erklärte, den Verkauf der Stromnetze dennoch weiter zu verfolgen. Auf ihrem Weg, sich als Global-Player im europäischen Energiemarkt zu etablieren und damit ihre wirtschaftliche Vormachtstellung noch weiter auszubauen, haben RWE und E. ON eine deutliche Stärkung erfahren. Nicht nur in Deutschland, sondern in steigendem Masse in Europa werden sie künftig ein entscheidendes Wort in der Energiepolitik mitreden.

Die Studie "Die vier großen deutschen Energieunternehmen unter der Lupe (Kurzstudie), Uwe Leprich, Saarbrücken, 28. November 2007" steht im Internet als PDF-Datei zum Download zur Verfügung. Download-Link und weitere Informationen unter http://www.robinwood.de/MehrInformationen.60.0.html

Dirk Seifert ist ROBIN WOOD-Referent für Energie in Hamburg
Kontakt: energie@robinwood.de


Vattenfall, zu 100 Prozent im Besitz des schwedischen Staates, strebt nach eigenem Bekunden eine dominante Rolle in den Ostsee-Anrainer-Staaten an und will "nördlich der Alpen" agieren. Das Unternehmen ist gegenwärtig in Dänemark, Finnland, Deutschland, Polen, Schweden und Großbritannien tätig. Vattenfall Europe hat seinen Umsatz im Jahr 2007 um elf Prozent auf 12,3 Milliarden Euro gesteigert. Für Aufmerksamkeit sorgte erst vor kurzem die Übernahme des Stromkonzern Nuon, mit dem Vattenfall nun auch auf dem holländischen Markt eingestiegen ist und sich bei dieser Gelegenheit auch gleich einen norddeutschen Konkurrenten vom Hals geschafft hat.

EnBW steigerte seinen Umsatz im Jahr 2008 um rund 10 Prozent auf nun 16,3 Mrd. Euro. Das Unternehmen mit Sitz in Karlsruhe befindet sich zu 45,01 Prozent im Besitz des französischen Staatskonzerns EDF und betreibt unter anderem die Billig-Marke Yellow Strom. EDF kontrolliert EnBW und damit den Strommarkt vor allem im Südwesten Deutschlands. Auch wenn EnBW stärker auf den deutschen Markt orientiert ist, hält das Unternehmen gewichtige Anteile an tschechischen und polnischen Energieversorgungsunternehmen Prazská energetika a.s. und Elektrownia Rybnik S.A.. Außerdem ist EnBW in Österreich, Ungarn und der Schweiz aktiv.

E.ON ist heute der größte Stromkonzern in Europa. Die Landkarte des Unternehmens ist beeindruckend: In 18 europäischen Staaten ist E.ON inzwischen auf dem Strom- und Wärmemarkt vertreten, darunter Russland, Großbritannien, Schweden, Italien und Spanien. Außerdem in den USA. E.ONs eigener Anspruch: "Mit Leistung und Engagement sind wir auf dem Weg, unsere Vision Wirklichkeit werden zu lassen: E.ON wird das weltweit führende Strom- und Gasunternehmen. Bereits jetzt sind wir mit knapp 87 Mrd. Euro Umsatz und rund 93.500 Mitarbeitern eines der weltweit größten privaten Stromund Gasunternehmen." Über die Eigentumsverhältnisse bei E.ON gibt es wenig konkrete Infomationen. Im Geschäftsjahr 2007 befanden sich von den im Umlauf befindlichen Aktien 19 Prozent im Inland und 56 Prozent im Ausland (E.ONs Geschäfte 2007/08, urgewald). Zu den großen Anteilseignern gehören die Allianz Versicherung und die amerikanischen Investmentgesellschaften Capital Research und Templeton.

RWE über sich selbst: "Unser Markt ist Europa. RWE ist der größte Stromerzeuger in Deutschland und die Nr. 3 in Großbritannien. Unsere Position in Zentral- und Südosteuropa bauen wir kontinuierlich aus." Schon jetzt macht RWE bei einem Gesamtumsatz von rund 49 Mrd. Euro mit 18 Mrd. Euro (Zahlen 2008) ein Drittel seines Geschäfts außerhalb Deutschlands. Wichtige Anteile hält RWE an Strom- und Gasversorgern in Großbritannien, in Ungarn und der Slowakei. Die Eigentümerstruktur bei RWE ist äußerst komplex. Der ehemals hohe Anteil kommunaler Gesellschaften ist inzwischen auf unter 25 Prozent gesunken. Beteiligungen halten u.a. die Allianz, die Münchener RückversicherungsGesellschaft, die amerikanische Capital Research and Management Company. Rund 37 Prozent befinden sich bei institutionellen Anlegern und rund 13 Prozent in den Händen privater Investoren.


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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juli 2009