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FORSCHUNG/506: Energiegewinnung aus Biogas (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
10. Jahrgang · Ausgabe 2 · November 2014

Energiegewinnung aus Biogas
Ein Beitrag zur Energiewende

Von Ruth Freitag


Biogas besteht zu etwa gleichen Teilen aus Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2). Daneben können noch geringe Mengen an Wasserstoff (H2), Ammoniak (NH3), Schwefelwasserstoff (H2S) oder Stickstoff (N2) enthalten sein. Biogas entsteht überall dort, wo sich biologisches Material unter Sauerstoffausschluss zersetzt, also in Mooren und Sümpfen, im Verdauungstrakt besonders von Wiederkäuern, aber auch in Reisfeldern, Kläranlagen oder sogar Komposthaufen. Produziert wird das Biogas von einer komplex zusammengesetzten Gemeinschaft von Mikroorganismen. Die eigentlichen Methanproduzenten sind dabei die Archäen. Dies sind Urmikroben, die sich darauf spezialisiert haben, Stoffwechselprodukte von Bakterien und anderen Mikroorganismen umzusetzen (Abb. 1).


Biogas als Komponente im Mix der erneuerbaren Energien

In den Fokus der Energietechnik gelangte dieser biologische Stoffwechselvorgang, weil sich das im Biogas enthaltene Methan vergleichsweise einfach, zum Beispiel in Blockheizkraftwerken, in Strom und Wärme umwandeln lässt. So galt die Biogasproduktion aus nachwachsender Biomasse als ein idealer Beitrag zu einem modernen Mix an regenerativ erzeugten Energien. Vorteilhaft schien auch die "Grundlastfähigkeit" des Biogases. Während die Produktion von Solarstrom oder Windenergie je nach Wetterlage und Tageszeit stark schwankt, wird Biogas gleichmäßig 24 Stunden am Tag produziert. Daher wurden vor allem Anlagen subventioniert, die nachwachsende Rohstoffe (NaWaRos) und Gülle verarbeiten. Allein in Bayern entstanden im Laufe der vergangenen zehn Jahre weit über tausend landwirtschaftliche Biogasanlagen.

Inzwischen hat sich allerdings gezeigt, dass Biogas als Rohstoff für die Stromproduktion nur bedingt taugt. Im Gegensatz zu Sonne und Wind, die im Prinzip in beliebigen Mengen und umsonst zur Verfügung stehen, muss die Biomasse für die Biogasproduktion erst einmal produziert werden. Die Fläche, die dafür zur Verfügung steht, ist endlich - abgesehen von ethischen Fragen wie der Debatte, inwieweit der Anbau von Energiepflanzen die Nahrungsmittelproduktion zurückdrängt, oder der nicht unproblematischen "Vermaisung" der Landschaft. Dem wurde in der jüngsten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2014) Rechnung getragen. Boni für NaWaRo-Anlagen oder Gasaufbereitung zu Biomethan wurden ersatzlos gestrichen. Bereits am Netz befindliche Anlagen genießen zwar Bestandsschutz, ihre maximale Stromerzeugungskapazität wurde aber begrenzt.

So ist davon auszugehen, dass die klassische landwirtschaftliche Biogasanlage zukünftig keine wesentliche Rolle in der Versorgung der Bevölkerung mit regenerativ erzeugtem Strom mehr spielen wird. Die Zukunft von Biogas liegt in anderen Bereichen - insbesondere wenn es gelingt, die Substratbasis zu erweitern: also weg von den Energiepflanzen, hin zu einer Nutzung von organischem Abfall.


Biogas - wohin geht die Reise?

Unser Energiebedarf wird derzeit nur teilweise durch Strom gedeckt. Wir benötigen darüber hinaus auch Wärme und verbrauchen noch immer nicht unerhebliche Mengen an stofflicher Energie, um Motoren zu betreiben. Viele Szenarien zur Machbarkeit der Energiewende klammern zum Beispiel die Mobilität bewusst aus, da es hier noch an überzeugenden Lösungen fehlt. Zwar lässt sich auch mit elektrischer Energie heizen oder Auto fahren. Doch dafür muss der "Strom" vorrätig gehalten, d.h. die elektrische Energie gespeichert werden: ein derzeit intensiv beforschtes, aber nur ansatzweise gelöstes Problem. Davon zeugen auch die vielen "Power-to-Gas"- und "Power-to-Liquid"-Projekte. Dabei wird die Wandlung von elektrischer Energie in stoffliche Energie, also in gasförmige oder flüssige Treibstoffe, erforscht. Auch der Stromtransport vom Produktionsort hin zu den Nutzern löst derzeit Kontroversen aus.

Biogas hat im Mix der regenerativen Energien Alleinstellungsmarkmale. Es wird bereits als stofflicher Energieträger produziert. Statt einer - immer möglichen - Verstromung ist auch die direkte stoffliche Nutzung eine Option. Insbesondere nach einer Aufbereitung zu Bio-Methan steht mit dem Erdgasnetz ein fast unbegrenzt aufnahmefähiger Speicher zur Verfügung.

Biogasanlagen eignen sich sogar für "Power-to-Gas"-Anwendungen. Überschüssiger Strom lässt sich dazu nutzen, Wasserstoff über eine Wasserelektrolyse zu produzieren. Wasserstoff selbst wird zwar auch immer wieder als stofflicher Energieträger diskutiert, etwa für Brennstoffzellen. Allerdings sind hier Fragen zu Lagerung und Transport noch weitgehend ungelöst. Bereits technisch ausgereift ist hingegen die - nach dem französischen Chemiker Paul Sabatier benannte - katalytische Reaktion, bei der Wasserstoff und CO2 in Methan (und Wasser) umgewandelt werden. Es wurde nachgewiesen, dass dies sogar direkt mit Biogas funktioniert und sich so der Methangehalt des Roh-Biogases von 50 Prozent auf weit über 90 Prozent steigern lässt.[1] Nach einer weiteren Reinigungsstufe hat das so produzierte Bio-Methan praktisch Erdgasqualität. Es lässt sich ins Erdgasnetz einspeisen oder verflüssigen und als Treibstoff nutzen. Oder es wird bei Bedarf wieder verstromt, in diesem Fall fungiert es quasi als schneller, flexibler "Stromzwischenspeicher". Denn ähnlich wie Gaskraftwerke könnten auch Biogaskraftwerke schnell ans Netz geschaltet werden, um Stromtäler auszugleichen. Damit die Biogasanlage der Zukunft diese Aufgaben übernehmen kann, muss sie "intelligenter" werden. Statt einer konstanten Produktion werden in Zukunft ein hohes Maß an Flexibilität, Reaktions- und Kommunikationsfähigkeit gefordert sein. Biogasanlagen hierfür fit zu machen, ist eine Aufgabe der Bioverfahrenstechnik.


Biogasproduktion und Abfallentsorgung in Kombination

Leitthema der energietechnischen Forschungsvorhaben im ZET der Universität Bayreuth ist die "Verwertung ungenutzter Energieströme". Im Fall von Biogas heißt das zunächst einmal, das Spektrum der zu verwertenden Rohstoffe in Richtung Abfallbiomasse zu erweitern. Vorbilder existieren in der industriellen Anaerobtechnik, bei der organisch belastete Abwässer biologisch unter Sauerstoffausschluss gereinigt werden. Auch wenn diese Verfahren in erster Linie der Abwasserreinigung dienen - die Biogas-/Stromproduktion ist nur ein angenehmer Nebeneffekt - belegen sie das Potenzial der Kombination von Biogasproduktion mit Abfallentsorgung. Beim leicht verderblichen Biomüll ist zudem ein Transport zu einigen wenigen Großentsorgungsanlagen wenig praktikabel.

Im Gegensatz zum Energiepflanzenmix schwankt allerdings die Zusammensetzung des Biomülls stark, beispielsweise mit der Jahreszeit. Um unter diesen Bedingungen einen robusten Prozess sicherzustellen, ist eine verbesserte Steuerung und Regelung der Biogasanlage, vor allem aber ein besseres Verständnis der zugrunde liegenden biologischen Vorgänge erforderlich. Am Lehrstuhl für Bioprozesstechnik unter der Leitung von Prof. Dr. Ruth Freitag werden komplexe "technische Ökosysteme" wie Biogasanlagen bereits seit 2005 erforscht. Hier konnten im Rahmen von Industriekooperationen auch Erfahrungen mit kommunalen Abfall-Biogasanlagen gesammelt werden (Abb. 3). Es hat sich gezeigt, dass gerade solche Anlagen stark von Stoffwechsel-Redundanzen geprägt sind. Dies erhöht zwar die Stabilität der Biogas-Erzeugung, erschwert aber auch die gezielte Beeinflussung und Steuerung der Anlage.

Möglicherweise sind die Mikroorganismen, die in einer Biogasanlage stabil etabliert sind, nicht immer ideal für eine effiziente Biogasproduktion. So kann es geschehen, dass zwei parallel betriebene Reaktoren unterschiedliche Mengen an Biogas produzieren. Daher richtet sich das Interesse am Lehrstuhl für Bioprozesstechnik derzeit auf die Anlaufphase von Biogasanlagen und auf die Art und Weise, wie sich die jeweiligen Mikroorganismen etablieren. Dies geschieht u.a. in Zusammenarbeit mit der Anlage der Firma MR Bioenergie Bayreuth UG & CoKG (Abb. 2).

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Das Kompetenznetzwerk Biogas Nordbayern

Mit dem Ziel, Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Biogas-Technologien voranzubringen, haben Fachleute aus Wissenschaft und Wirtschaft im Jahre 2012 an der Universität Bayreuth das Kompetenznetzwerk Biogas Nordbayern gegründet. Dieses Netzwerk war der Ausgangspunkt für eine Initiative, die auf innovative Lösungen für die jüngsten Herausforderungen in der Biogasbranche abzielt. Sie wird getragen von der Universität Bayreuth, den Hochschulen Coburg und Hof (im Rahmen der TechnologieAllianzOberfranken), der Technischen Hochschule Amberg-Weiden, der Bioenergieregion Bayreuth sowie von mittelständischen Unternehmen aus den Bereichen Anlagenplanung und Anlagenbau.

Gemeinsam wollen die Partner die Energiegewinnung aus Biogas dahingehend weiterentwickeln, dass ein möglichst breites Spektrum verwertbarer Rohstoffe genutzt wird. Vor allem arbeitet diese Initiative darauf hin, dass diese Energie ihren vollen Beitrag zur Energiewende leisten kann. Dafür werden beispielsweise Module entwickelt, die bei der Biogasveredlung an kleinen Anlagen oder der gewinnbringenden Nutzung der erzeugten Wärme zum Einsatz kommen. Aber auch Möglichkeiten zur Nutzung der Gär-Reste sollen untersucht werden. Denn die darin noch enthaltenen Wertstoffkomponenten wie Phosphat würden sich bei einer vollständigen Kreislaufwirtschaft rückgewinnen lassen (Abb. 4).


Autorin

Prof. Dr. Ruth Freitag ist Inhaberin des Lehrstuhls für Bioprozesstechnik an der Universität Bayreuth.


Anmerkung

[1] Medieninformation des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) (idw, 16. Januar 2013).


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 1: Biogasbildende Gemeinschaft von Mikroorganismen. Links: lichtmikroskopisches, rechts: fluoreszenz-mikroskopisches Bild

Abb. 2: Anlage der Firma MR Bioenergie Bayreuth (links), Konzentration an methanbildenden Mikroorganismen (Mitte) Biogasproduktion (rechts)

Abb. 3: Biogasanlage der Firma Biokraftwerke Fürstenwalde GmbH

Abb. 4: Einbindung der Biogasanlage in ein integriertes kommunales Energie- und Abfallkonzept.


Sie finden das Magazin als PDF-Datei mit Abbildungen unter:
http://www.uni-bayreuth.de/presse/spektrum/spektrum-pdf/ausgabe_02_14.pdf

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Quelle:
spektrum - Magazin der Universität Bayreuth
Ausgabe 2, November 2014, S. 70 - 73
Herausgeber: Universität Bayreuth
Stabsstelle Presse, Marketing und Kommunikation
95440 Bayreuth
Telefon: 0921/55-53 56, -53 24, Fax: 0921/55-53 25
E-Mail: pressestelle@uni-bayreuth.de
Internet: www.uni-bayreuth.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2015

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