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GEFAHR/060: Nanotechnologie - Minis mit Nebenwirkungen (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 4/2009
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

TITELTHEMA
Nanotechnologie
Minis mit Nebenwirkungen

Von Sarah Häuser


Ob Krebstherapie oder Solarzellentechnik - Nanotechnologie wird häufig mit hochspezialisierten Anwendungen in Verbindung gebracht. Doch auch in immer mehr Alltagsprodukten kommen Nanomaterialien zum Einsatz, meist ohne dass wir Verbraucher davon erfahren. Und mit ungeklärten Folgen für unsere Gesundheit.

Wie viele Nanoprodukte auf dem Markt sind, lässt sich nicht ermitteln. Eine Kennzeichnung und Registrierung ist nicht vorgeschrieben. Die Datenbank des »Project on Emerging Nanotechnologies« (USA) verzeichnet aber bereits über Tausend Einträge zu Nanoprodukten: Sonnencremes und Haushaltsreiniger gehören genauso dazu wie Socken und Nahrungsergänzungsmittel. Gemeinsam ist all diesen Waren, dass sie künstliche Partikel in der Größenordnung von Milliardstel Metern enthalten. Die Hersteller machen sich zunutze, dass Stoffe in Nanogröße sich anders verhalten als größere Partikel gleicher chemischer Zusammensetzung. So sind Nanopartikel deutlich reaktionsfreudiger. In Organismen und in der Umwelt sind sie mobiler und besser verfügbar. Selbst ihre Farbe kann sich auf Grund der geringen Partikelgröße ändern. Diese neuen Eigenschaften bergen allerdings auch neue Risiken für Mensch und Umwelt.


Versilbertes Risiko

Risiken sind vor allem da zu vermuten, wo Nanopartikel »verbrauchernah« in Lebensmitteln, Textilien oder Kosmetika Anwendung finden. Hier sind sie meist nicht fest im Material gebunden und können in die Umwelt entweichen. Dank ihrer geringen Größe gelangen sie leichter in den menschlichen Körper. Bestimmte Partikel durchdringen sogar die Zellmembranen und körpereigene Schutzbarrieren wie die Blut-Hirn- und die Plazenta-Schranke. Noch weiß man zu wenig, was dies für unsere Gesundheit bedeutet. Zu bestimmten Nanomaterialien liefern Tierversuche aber schon beunruhigende Erkenntnisse: So erwies sich Nanosilber, mit Nano-Titandioxid eines der am häufigsten verwendeten Nanomaterialien, als giftig für Zellen von Mäusen und Ratten. Da Nano-Silber antimikrobiell wirkt, werden Lebensmittelverpackungen und Küchenprodukte, Sportbekleidung und Waschmaschinen damit imprägniert: Lebensmittel sollen so länger frisch bleiben, Sportsocken nicht mehr müffeln und Wäsche keimfrei sauber werden.

Nano-Titandioxid wiederum findet sich als UV-Schutz in vielen Sonnencremes, wird aber auch als Lebensmittelzusatz etwa zum Bleichen oder Haltbarmachen verwendet. In einer aktuellen Studie wurde es trächtigen Mäusen injiziert - und rief bei den Embryos Störungen des Genital- und Nervensystems hervor. In einem anderen Tierversuch löste Nano-Titandioxid nach Aufnahme über die Atemwege Lungenkrebs aus. Inwiefern diese Ergebnisse auf den Menschen zu übertragen sind, ist noch nicht geklärt.

Fakt ist, dass die Risikoforschung der Markteinführung von NanoProdukten deutlich hinterherhinkt. Der Gesetzgeber kommt seiner Aufgabe, uns Verbraucher durch nanospezifische Regulierung zu schützen, bisher nur sehr schleppend nach. Einen Anfang macht die neue EU-Kosmetikverordnung, die jedoch erst 2012 in Kraft tritt. Sie schreibt erstmals auch Sicherheitstests und eine Kennzeichnung für Nanopartikel vor. Welche Regeln künftig für Nano-Lebensmittel gelten sollen, wird im Rahmen der neuen Novel-Food-Verordnung in Brüssel diskutiert.

Der BUND setzt sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Nanotechnologie ein, der Umwelt- und Gesundheitsschutz vor Profitinteresse stellt. Unsere Materialien zum Thema, wie die neue Studie »Nanosilber - der Glanz täuscht« (ab 19.11.) und der Flyer »Nanos überall - Nanotechnologie im Alltag«, erhalten Sie auf www.bund.net/publikationen oder im BUNDladen, Tel. 0 30/2 75 86-4 80, bundladen@bund.net.

Sarah Häuser ... arbeitet fürs BUND-Referat »Stoffe und Technologien«.

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Nanosilber - die Giftzwerge sind auf dem Vormarsch.


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Quelle:
BUNDmagazin 4/2009, S. 17
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
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Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Januar 2010