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HOLZ/280: Umkämpftes Holz - Aktuelle Recherche zur großindustriellen Verbrennung von Holz (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 157/2.2023

Umkämpftes Holz
Aktuelle ROBIN WOOD-Recherche zur großindustriellen Verbrennung von Holz

von Jana Ballenthien, Waldreferentin
ROBIN WOOD, Hamburg


Ein Recherche-Team von ROBIN WOOD ging 2022/23 einer spannenden Spur nach, die zu Holzkraftwerken und Pelletwerken an sieben Standorten in Ost- und Norddeutschland führte: Von Satellitenbildern wussten wir, dass an diesen Standorten große Mengen Holz lagern. Wir wollten wissen: Was wird in den deutschen Kraftwerken verfeuert? Wie sieht dieses sogenannte 'Restholz' und 'Schadholz' aus, das angeblich nur noch zum Verfeuern taugt? Dreistes Greenwashing? Wird hier Holz verfeuert, das noch für stoffliche Nutzung geeignet wäre?

Was wir entdeckten, bestätigte unsere schlimmsten Befürchtungen. Qualitativ hochwertige, ganze Stämme landen in den Öfen der Großkraftwerke, die in der Baubranche zur Produktion von Holzdämmwolle, Pressholzplatten oder sogar als Konstruktionshölzer und Möbel verwertbar wären. Es ist ein Skandal, dass diese wertvollen, über Jahrzehnte gewachsenen Stämme direkt verfeuert werden! Dabei ist unser Wald unersetzlich im Kampf gegen die Klimakrise! Schließlich speichert er schädliches CO2 als Kohlenstoff im Boden und in den Stämmen und senkt lokal die Temperaturen. Er mildert aktiv die Wetterextreme des Klimawandels - sofern wir ihn lassen.

Besonders problematisch ist die großindustrielle Verbrennung, die momentan von der Branche vorangetrieben wird. Eine Branche, die für die Holzverbrennung in ihren Großkraftwerken milliardenschwere Subventionen bekommt, da die EU Holzverbrennung als eine Form von erneuerbarer Energie betrachtet. Doch so werden wir unsere Klimaziele weit verfehlen! Die Klimaziele der EU und auch das deutsche Klimaschutzgesetz setzen voraus, dass der Wald jedes Jahr mehr CO2 aus der Atmosphäre zieht. Tatsächlich ist die CO2-Aufnahme durch die Wälder in den letzten Jahren aber bereits drastisch gesunken! Nach der sogenannten ökonomischen Gesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes sind die Wälder in Deutschland im Jahr 2022 zum ersten Mal kein CO2-Speicher mehr, sondern eine CO2-Quelle. Das ist eine Katastrophe, aber auch nicht überraschend, weil wir jetzt schon unsere Wälder übernutzen. Auch in Deutschland wird weit mehr Holz aus Beständen herausgeholt, als unsere geschädigten Ökosysteme verkraften können. Zudem ist das Nachwachsen des Holzes unter den sich verändernden klimatischen Bedingungen ungewiss. Dabei brauchen wir unsere Wälder, um der Klimaerhitzung etwas entgegenzusetzen!

Wir haben unsere Informationen mit einem internationalen Journalisten-Netzwerk für das Projekt "Deforestation Inc." geteilt. So konnten wir die Machenschaften der Holzbranche öffentlich machen. Bekannte Medienformate wie die ARD griffen unsere Recherche auf, wie das TV-Magazin Monitor des WDR. Die sehr empfehlenswerte Sendung können Sie hier noch einmal online schauen: [1]

Dieses Jahr kann die Wende bringen, denn neben einer dringenden Revision des Bundeswaldgesetzes soll auch zum ersten Mal eine Biomassestrategie von der Bundesregierung entwickelt werden. Wir beteiligen uns inhaltlich am Austausch zwischen den zivilgesellschaftlichen Stakeholdern und den zuständigen Ministerien und bringen unsere Expertise ein. Und wir werden den politische Akteuren aufs Dach steigen, wenn wir merken, dass sich die Prozesse in eine falsche Richtung bewegen!

Tatort 1: Wismar Pellets

Im März 2023 dokumentierten wir auf dem Gelände von Wismar Pellets große Holzstapel mit gleichlangen Stämmen verschiedener Altersklassen. Überwiegend Nadelholz, vermutlich Kiefer, aber auch einzelne Buchenstämme waren zu sehen. Alle Stämme waren gleichmäßig gewachsen und wiesen außer an den Rinden keine sichtbaren Schäden auf. Die Stämme wären in Sägewerken vortrefflich sägefähig und zu hochwertigen Produkten zu verarbeiten. Im linken Bild und auf der Seite 16 unten [*] sind Stämme mit einem Durchmesser bis 50 Zentimeter zu sehen!

Nach der Veröffentlichung des ROBIN WOOD-Rechercheberichts wurde bekannt, dass die LEAG das Großunternehmen Wismar Pellets übernehmen wird. Damit würde die LEAG zum mit Abstand größten Pelletproduzenten in Deutschland: 500.000 Tonnen pro Jahr. Wir bleiben dran!

Tatort 2: Holzkraftwerk Bischofferode-Holungen, Stadtwerke Leipzig

Das ROBIN WOOD-Rechercheteam beobachtete, wie ein werkseigener LKW am 27. Februar rund 100-jährige Eichenstämme anlieferte. Bereits Tage zuvor hatte das Team eine Lieferung von Eichenstämmen dokumentiert. In der Vergangenheit war nachweislich Holz aus Schutzgebieten zum Kraftwerk gebracht worden. Bei Stichproben 2022 und 2023 entdeckten wir ganze Stämme verschiedener Baumarten. Einen großen Teil konnten wir als Fichten identifizieren, die trotz Käferbefall keinerlei qualitative Einbußen aufwiesen.

Tatort 3: Holzkraftwerk Piesteritz der Leipziger Stadtwerke

Am 5. Januar 2023 fanden wir bei unserer Recherchetour in Piesteritz Holzstapel, die sich bis zum Horizont erstreckten! Gelagert wurden größtenteils Kiefernstämme unterschiedlichen Alters und Qualität. Vermutlich stammen sie sowohl aus sogenannten Schadflächenräumungen als auch aus Durchforstungen.

Der größte Teil war intakt und geeignet für eine hochwertige Verwendung. Das ROBIN WOOD-Team konnte auch bis zu 60 Jahre alte intakte Buchenstämme und Stämme anderer Laubbaumarten identifizieren. Diese zu verfeuern, ist wirklich die schlechteste aller Optionen!

Tatort 4: Holzkraftwerk und Pelletwerk Eberswalde

Das Holzkraftwerk in Eberswalde hat eine Leistung von 20 Megawatt Strom, dafür verbraucht es 100.000 Tonnen Frischholz pro Jahr! Das Bild auf der rechten Seite unten zeigt, einen mit Baumstämmen beladenen Lkw. Bis auf sehr wenige Stämme sehen wir hier einwandfreies Bauholz für vielfältige Produktsparten.

Vattenfall plant die Wälder um Berlin weiter zu schröpfen Im letzten Jahr organisierte ROBIN WOOD zur Jahreshauptversammlung des Vattenfall-Konzerns eine gemeinsame Aktion mit Freund*innen aus den Niederlanden und aus Schweden. Wir machten öffentlich, wie Vattenfall in Sachen Gas- und Holzverbrennung unseren Planeten gefährdet. Inzwischen wissen wir mehr über die konkreten Pläne Vattenfalls in Berlin.

Momentan verbrennt der Konzern in seinem Kraftwerk im Märkischen Viertel ungefähr 58.000 Tonnen und im Holzkraftwerk Moabit ungefähr 30.000 Tonnen Holzhackschnitzel. Ab 2024 will Vattenfall die Verbrennung pro Jahr um 15.000 Tonnen steigern. 2026 soll dann ein zusätzliches Holzkraftwerk in Reuter-West in Betrieb genommen werden. 2027 soll ein weiteres neues Holzkraftwerk in Klingenberg folgen. Bis 2030 will der Konzern die Holzverbrennung auf 450.000 Tonnen steigern. Das ist eine Steigerung von den bisher 88.000 Tonnen um 500 Prozent! Allein das ist schon eine Katastrophe.

Wir haben uns angeschaut, welche Player der Energieholzbranche in Berlin und Brandenburg noch auf die Wälder zugreifen: das Holzkraftwerk und das Pelletwerk in Eberswalde, das Holzkraftwerk der Leipziger Stadtwerke in Piesteritz, das E.on-Holzkraftwerk in Neukölln und die Pelletwerke der LEAG in Schwedt, Löbau und Oranienbaum. Für die Pelletwerke haben wir auf die Tonnenangaben der jährlich produzierten Pellets das Doppelte an Frischholz angenommen. Möglicherweise liegen die Tonnen an Frischholz zur Zeit etwas darunter, da durch die Dürrejahre das Frischholz nicht mehr eine ganz so hohe Feuchtigkeit aufweist.

Nach unseren Berechnungen und auf der Basis von Angaben der Betreiber der Werke kommen wir damit auf eine derzeitige Horrorsumme von 993.000 Tonnen benötigten Frischholzes pro Jahr. Nehmen wir nun noch die Pläne Vattenfalls für die folgenden Jahre bis 2030 hinzu, sind wir bei einer benötigten Frischholzmenge von 1.355.000 Tonnen pro Jahr. Auf der nächsten Seite oben ist dieser riesige Waldbedarf im Umfeld von Berlin grafisch dargestellt.[*]

Die Werke stehen alle in der gleichen Region. Das heißt, sie alle greifen mehr oder weniger auf die gleichen Wälder zu. Und dabei handelt es sich ausschließlich um die größten Holznutzer der Region aus der Energieholzbranche. Jegliche stoffliche Nutzung von Holz ist hier noch gar nicht enthalten! Eine Umrechnung in eine potenzielle stoffliche Nutzung bringt Erschreckendes hervor: Mit mehr als einer Million Tonnen Holz könnten mehr als 25.000 Holzhäuser gebaut werden! Oder der Bau von mehr als 50.000 durchschnittlichen Einfamilienhäusern könnte mit dieser Menge Holz realisiert werden! Und selbst wenn ein Teil des Holzes nicht für den Bau von Häusern geeignet wäre, so wäre es sehr viel besser im Wald aufgehoben als im Brennofen.

Die Holzverbrennung in der Berliner Region von Vattenfall und anderen Standorten der Energieholznutzung ist kein Einzelfall und ließe sich für andere Regionen Deutschlands genauso darstellen.

Wir alle müssen uns fragen, wofür wir den wertvollen Rohstoff Holz in Zukunft nutzen wollen. Ihn zu verbrennen, ist die schlechteste Option. Die Kohlenstofflast, die wir damit über Jahrzehnte auf unseren Schultern tragen, wird das Klima weiter dramatisch verschlechtern.

Das Verfeuern unserer Wälder ist ein globales Problem

Bis hier haben wir uns Beispiele der industriellen Energieholznutzung angeschaut, die ihren Rohstoff zum allergrößten Teil aus deutschen Wäldern beziehen. Nach wie vor gibt es in Deutschland allerdings auch Pläne, große Mengen an Pellets aus dem Ausland zu importieren, um sie in umgerüsteten Kohlekraftwerken in Deutschland zu verbrennen. Wir haben darüber in der Vergangenheit schon häufiger berichtet.

Besonders im Blick haben wir die mögliche Umrüstung der Kohlekraftwerke Wilhelmshaven und Tiefstack in Hamburg. An beiden Standorten gehen die Pläne für diese Umrüstung weiter. Aber langsam rührt sich mehr und mehr Widerstand - nicht zuletzt dadurch, dass auch die Medien unsere besorgniserregenden Beobachtungen aufgegriffen haben.

Neben dem Beitrag im Magazin Monitor ist auch ein sehenswerter Tagesschau Online-Beitrag entstanden, der die Waldschäden im globalen Biodiversitätshotspot North Carolinas durch den Pelletkonzern Envia in den Blick nimmt, von dem das Kraftwerk in Wilhelmshaven seine Pellets beziehen würde: [2]

*


Das fordert ROBIN WOOD

• Holzverbrennung in Kraftwerken darf nicht subventioniert werden. Sie muss raus aus der Förderung der erneuerbaren Energieträger. Das Geld muss stattdessen dringend in eine soziale und ökologische Wärmeversorgung investiert werden, die sich auf Alternativen wie Wärmepumpen, Geothermie, Solarthermie, Abwärmepotentiale und andere Erneuerbare Energien stützt. Die technischen Lösungen sind schon da ? sie müssen nur umgesetzt werden! Das Verbrennen muss die absolute Ausnahme werden.

• Die Emissionen aus der Holzverbrennung müssen einer CO2-Bepreisung unterliegen. Das heißt, Holzkraftwerksbetreibende müssten CO2-Zertifikate kaufen. Das würde die industrielle Verbrennung wirtschaftlich sehr viel unattraktiver machen. Insgesamt ist nur ein konsequent auf Sparsamkeit und Effizienz bedachtes Kreislaufwirtschaftssystem zukunftsfähig, um dem Klimawandel und dem Artensterben angemessen zu begegnen.

• Waldpolitische Maßnahmen müssen die Unversehrtheit und den stabilen Fortbestand des Ökosystems Wald sichern. Wichtige Beispiele dafür sind das Umstellen auf eine naturnahe Waldbewirtschaftung, das Ausweisen von mehr Wildnisflächen und Maßnahmen, um Wasser besser im Wald zu halten.

• Die Energieholz-Branche muss über Herkunft und Qualität des Holzes umfassend informieren und darf die Verantwortung nicht auf ihre Lieferanten abschieben. Das unsägliche Greenwashing muss ein Ende haben.

• Die Verantwortung Deutschlands für eine soziale und ökologische Energie- und Wärmewende hört nicht an der Grenze Deutschlands auf. Importe von Energieholz wie Pellets sind mit dem hohen Risiko verbunden, dass dafür wertvolle Wälder in anderen Teilen der Welt unwiederbringlich zerstört werden. Sie dürfen kein Bestandteil unserer Energie- und Wärmewende sein!

Den ausführlichen Recherche-Bericht finden Sie auf unserer Hompage unter [3]
Ein herzliches Dankeschön sagt ROBIN WOOD dem wissenschaftlichen Beirat: Prof. Dr. Erwin Hussendörfer (Naturgemäße Waldwirtschaft an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Weihenstephan-Triesdorf), Prof. Dr. Pierre Ibisch (Professor für 'Nature Conservation' an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde) und Prof. Dr. Rainer Luick (Professor für Natur- und Umweltschutz an der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg).



[*] Abbildung siehe Originalpublikation

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
  • Wie soll der riesige Holzbedarf der Energieholzbranche in Zukunft gedeckt werden?
  • Monitor berichtete im März sehr anschaulich über die Machenschaften der Holzlobby
  • Professor Pierre Ibisch bestätigte unsere Recherchen zur der Qualität des Holz, das auf dem Kraftwerksgelände lagerte
  • Frische Stämme, vermutlich von rund 100 Jahre alten Eichen, werden hier auf dem Gelände des Holzkraftwerks Bischofferode-Holungen verladen
  • Stämme mit einem Durchmesser von bis zu 50 Zentimetern entdeckte ROBIN WOOD auf dem Gelände von Wismar Pellets
  • Endlose Holzstapel im Holzkraftwerk Piesteritz der Leipziger Stadtwerke. Hier entdeckte ROBIN WOOD auch rund 60 Jahre alte Buchenstämme mit intaktem Kernholz
  • Baumstämme fürs Holzkraftwerk Eberswalde. Rund 100.000 Tonnen Frischholz pro Jahr werden dort verfeuert!
  • Die Tagesschau berichtete eindrücklich über den Raubbau für Pellets in North Carolina
  • "Klima verheizen mit Gas und Holz?!", fragten ROBIN WOOD-Aktive Vattenfall 2022 in Berlin
  • "Verheizt unsere Wälder nicht!" - ROBIN WOOD protestiert gegen die Pläne, Holz und Pellets in großem Maßstab in umgerüsteten Kohlekraftwerken zu verbrennen


Links:
[1] https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/wald-klimakriseverbrennen-statt-schuetzen-100.html
[2] https://www.tagesschau.de/ investigativ/ndr-wdr/holzverbrennungklimaziele-greenwashing-101.html
[3] www.robinwood.de/sites/default/files/20230903_Recherchebericht_Pelletwerke_ Holzkraftwerke_.pdf

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 157/2.2023, Seite 16-21
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
Verlag:
ROBIN WOOD-Magazin
Bundesgeschäftsstelle
Bremer Straße 3, 21073 Hamburg (Harburg)
Tel.: 040/380 892-0, Fax: 040/380 892-14
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ISSN: 1437-7543
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 19. Mai 2023

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