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INITIATIVE/235: Warum Kohlekraftwerksplanungen bundesweit kippen (Klima-Allianz)


Die Klima-Allianz - Dienstag, 17. März 2009

Warum Kohlekraftwerksplanungen bundesweit kippen


29 Kohlekraftwerke sind derzeit in Deutschland geplant. Sieben sind bereits verhindert worden, weitere Planungen stehen derzeit zur Disposition. Die Klima-Allianz konstatiert gemeinsam mit dem BUND, dem "Bündnis für eine kohlekraftwerksfreie Region Mainz-Wiesbaden" und dem arrhenius Institut für Energie und Klimapolitik die aktuelle Situation.

Jürgen Maier, Mitglied des Sprecherrats der Klima-Allianz und Geschäftsführer vom Forum für Umwelt und Entwicklung, sieht die Erfolgschancen neuer Kohlekraftwerke massiv sinken. "Die Betreiber spüren den Druck der gesamtgesellschaftlichen Proteste und ziehen sich merklich zurück und auch die Politik fürchtet zunehmend einen Reputationsverlust. Zudem konterkarieren die Kohlekraftwerksplanungen die Klimaschutzziele Deutschlands: Der Energiesektor stößt pro Jahr 300 Mio. Tonnen CO2 aus, die geplanten Kohlekraftwerke würden die CO2-Bilanz um weitere 190 Mio. Tonnen erhöhen."

Auch Olaf Bandt, Geschäftsführer des BUND, macht deutlich, dass neue Kohlekraftwerke nicht mehr in die Energielandschaft passen und deshalb viele Projekte als Investitionsruinen enden werden: "Viele neue Kohlekraftwerke werden in Zukunft nicht wirtschaftlich arbeiten können. Dafür sorgen ein stetig steigender Anteil der Erneuerbaren Energien und der Emissionshandel. Anstatt diese positive Entwicklung weiter zu stützen, plant die Bundesregierung Investitionen in neue Kohlekraftwerke künftig mit Einnahmen aus dem Emissionshandel zu subventionieren. Das ist das völlig falsche Signal an die Investoren und führt die deutsche Klimapolitik ad absurdum."

Dr. Sven Bode vom arrhenius Institut hat mit der Studie "Anreize für Investitionen in konventionelle Kraftwerke" eindrücklich gezeigt, dass sich die Investitionen in Kohlekraftwerke auf Dauer nicht rechnen. "Die Anzahl der Emissionszertifikate wird gemäß dem Emissionshandelsgesetz kontinuierlich gesenkt. Damit steigt auch deren Preis und folglich die Kosten für CO2-Emissionen. In der Folge wird die Stromproduktion aus Kohlekraftwerken im Laufe der Zeit unrentabel." Dennoch fokussieren Unternehmen weiterhin auf Kohle, da sie in Deutschland mit Subventionen aus öffentlichen Geldern gelockt werden.

Carl Christian Müller, Vorstandsmitglied und Anwalt vom "Bündnis für eine kohlekraftwerksfreie Region Mainz-Wiesbaden" sieht die Kohlekraftwerksplanungen in Mainz für nicht haltbar: "Der Energiebedarf der Region wird bereits durch ein hocheffizientes Gaskraftwerk abgedeckt. Wir als Bündnis aus Parteien, Kirchen und Bürgerinitiativen haben deshalb 60.000 Einwendungen dagegen eingebracht und sind auch bereit, bis vor das Bundesverwaltungsgericht zu ziehen. Der Widerstand wird auch auf das Vorhaben einen unmittelbaren Einfluss haben, denn jeder Investor wird sich genau überlegen, ob er in ein Projekt Geld gibt, von dem unklar ist, ob und wann es gebaut wird."


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Aktuelle Übersicht über die Proteste gegen Kohlekraftwerke

Der Widerstand wächst - Proteste gegen neue Kohlekraftwerke

Der Widerstand gegen neue Kohlekraftwerke in Deutschland wächst ständig an. Die Entscheidung von Vattenfall, die Pläne für ein Kohlekraftwerk in Berlin fallen zu lassen, ist dabei nicht ein Einzelfall, sondern Teil eines Trends gegen neue Kohlekraftwerke. Vor allem die Proteste vor Ort gegen neue Kraftwerke werden immer stärker.


Anbei eine kleine Übersicht der vielen Proteste der letzten zwölf Monate:

12. März 09/Berlin: Vattenfall gibt neue Pläne für ein Kohlekraftwerk in Berlin auf.
Nach Protesten der Bevölkerung zieht Vattenfall die Pläne für ein Kohlekraftwerk in Berlin zurück. Stattdessen sollen mehrere Biomasse- und Gaskraftwerke gebaut werden.

04. März 09/Lubmin: EU Kommission weist Antrag zu Kohlekraftwerk zurück
Die EU-Kommission hat den Antrag des Landes Mecklenburg-Vorpommern auf Stellungnahme zum Bau des geplanten Steinkohlekraftwerks in Lubmin als mangelhaft zurückgewiesen. Die Entscheidung über eine Genehmigung verzögert sich weiter.

21. Januar 09/Essen: RWE kündigt an keine neuen Kohlekraftwerke in Westeuropa ab 2013 zu bauen.
Der Energiekonzern RWE kündig an auf Grund der vollen Versteigerung der CO2-Zertifikate ab 2013 keine neuen Kohlekraftwerke in Westeuropa mehr bauen zu wollen.

Januar/Februar 09: Städte Mainz und Wiesbaden wollen gegen Kraftwerk klagen
Gegen den Mitte Januar erlassenen Vorbescheid für das Kohlekraftwerk Mainz-Wiesbaden wollen die beiden Städte klagen. Auch ein gesellschaftliches Bündnis von Kirchen, allen Parteien, Bürgerinitiativen, Ärzten und Wissenschaftlern kündigt Klagen an.

Januar 09/Düsseldorf: Alle Fraktionen im Stadtrat stimmen gegen ein neues Kohlekraftwerk
Der Rat der Stadt Düsseldorf fordert Fraktionsübergreifend die Stadtwerke dazu auf, den Genehmigungsantrag für das geplante Kohlekraftwerk in Düsseldorf zurückzuziehen.

19. Dezember 08/Stade: Gericht kippt Bebauungsplan für Kohlekraftwerk. Genehmigungsverfahren ruht
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschied, dass der Bebauungsplan für das von Suez/GDF (ehemals Elactrabel) geplante Kraftwerk in Stade gravierende planungsrechtliche Fehler beinhaltet und damit ungültig ist. Auf Antrag von Suez/GDF ruht seit dem das Genehmigungsverfahren

Oktober-November 08/Lubmin: Längster Erörterungstermin in der Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns.
Die Erörterung um das geplante Kohlekraftwerk in Lubmin wird zur Marathonveranstaltung und dauert drei Wochen lang. Ergebnis der Erörterung ist Liste der Genehmigungsbehörde mit Mängeln die Dong Energy als Betreiber nachreichen muss. Eine Entscheidung über die Genehmigung verzögert sich um mindestens ein Jahr.

13. Oktober 08 / Brunsbüttel: Hauptinvestor steigt aus und baut Gaskraftwerke
Der Hauptinvestor (51%), der spanische Energiekonzern Iberdrola, steigt aus dem von Südweststrom geplanten Kohlekraftwerk in Brunsbüttel aus. Stattdessen baut Iberdrola zwei Gaskraftwerke in Deutschland. Bis März 2009 konnte kein neuer Investor gefunden werden.

26. September 08 / Germersheim: Geplantes Kohlekraftwerk in Germersheim verhindert!
EnBW zieht nach Protesten in der Bevölkerung und einem Gemeinderatsbeschluss gegen ein Kohlekraftwerk im Juni seine Pläne für ein Kohlekraftwerk zurück. Ausschlaggebend war der Druck der Bevölkerung.

25. September 08 / Wiesbaden: Stadt entscheidet sich gegen Kohlekraftwerk
Die Stadtverordnetenversammlung in Wiesbaden verabschiedet mehrheitlich einen Antrag gegen ein neues Kohlekraftwerk zwischen Mainz und Wiesbaden. Nach heftigen Protesten der Bevölkerung werden mit dem Beschluss die Stadtwerke Wiesbaden aufgefordert, die Pläne für ein Kohlekraftwerk auf der Ingelheimer Aue zurück zu ziehen.

13. September 08/ Bundesweit: 6.000 Menschen demonstrieren gegen neue Kohlekraftwerke
Bei den größten bundesweiten Anti-Kohle Protesten gehen 6.000 Menschen gegen den Neubau von Kohlekraftwerken in Deutschland auf die Straße. Vor dem Braunkohlekraftwerk Jänschwalde in der Lausitz und am Steinkohlekraftwerk Staudinger in Hessen, zeigen die Demonstranten den Konzernen und der Regierung für ihre Kohlepolitik die rote Karte.

September 08 / Lubmin: 8.900 Einwendungen gegen den Bau des Kohlekraftwerkes in Mecklenburg-Vorpommern
Die Genehmigungsbehörde musste den öffentlichen Einwendungsprozess wiederholen, nachdem im Erörterungstermin Anfang des Jahres große Lücken im Antrag des Energieversogers DONG für das Kohlekraftwerk sichtbar wurden.

August 08 / Hamburg: 700 Menschen versuchen das Gelände des Vattenfall Kohlekraftwerkes Moorburg zu besetzen
Die Polizei kann die friedlichen Demonstranten nur mit massiver Gewalt und dem Einsatz von sechs Wasserwerfern an der Besetzung hindern. Parallel findet ein Klimacamp mit 1.000 Menschen in Hamburg statt.

Juli-August 08 / Mannheim: 16.000 Unterschriften gegen Kohlekraftwerk in Mannheim
Bei einem Bürgerbegehren in Mannheim wenden sich über 16.000 Wahlberechtigte innerhalb von nur drei Wochen gegen das geplante Kohlekraftwerk. Leider wird aber das nötige Quorum für ein Volksbegehren um ca. 4.000 Unterschriften verfehlt.

Juni-Juli 08 / Kiel - Geplantes E.ON - Stadtwerke Kohlekraftwerk zu den Akten gelegt
Nachdem zuvor bereits ein 3-5 Jahre langes Moratorium für das von den Kieler Stadtwerken und E.ON geplante Kohlekraftwerk erfolgt war, werden die Pläne von der Ratsmehrheit (SPD und Grüne) endgültig zu den Akten gelegt.

Juni 08 / Emden: Stadt verabschiedet Resolution gegen DONG Kohlekraftwerk
Mit der Resolution gegen das Kohlekraftwerk folgt der Emdener Stadtrat der Aufforderung der örtlichen Bürgerinitiative, sich klar gegen die Pläne des Energiekonzerns DONG zu stellen. Kurz darauf gründet sich ein breites Aktionsbündnis gegen das Kohlekraftwerk, das den Protest der gesamten Region zum Ausdruck bringt.

Juni 08 / Dörpen (Niedersachsen): 5.000 Menschen demonstrieren gegen das geplante Kohlekraftwerk in Dörpen - Investor springt ab
Aufgrund politischen Drucks entscheidet der Kanton Bern, dass die Berner Kraftwerke (bis dahin der Hauptinvestor) lediglich eine Minderheitsbeteiligung am Kraftwerk in Dörpen haben dürfen. Darauf hin springt ein zweiter Investor ab - bis heute fehlt ein Hauptinvestor.

Mai-Juni 08 / Mainz: CDU wird zur Anti-Kohle-Partei - klare Mehrheit gegen Kraftwerk
Nach massiven Protesten ändert die CDU ihre Haltung zum Kohlekraftwerk in Mainz/Wiesbaden. Mehrheitlich wird eine Änderung des Bebauungsplans für die Ingelheimer Aue verabschiedet, durch die der Bau des Kohlekraftwerks verhindert werden soll. Der Oberbürgermeister (SPD) setzt den Beschluss aus - das Verfahren ist nun bei den Gerichten.

Mai 08 / Brandenburg: Fast 27.000 Menschen gegen neue Braunkohletagebaue
In Brandenburg unterzeichnen 26.574 Wahlberechtige den Apell der Volksinitiative gegen neue Kohletagebaue. Anfang Oktober wird es deshalb in Brandenburg ein landesweites Volksbegehren gegen neue Braunkohletagebaue geben.

April 08 / Lubmin/Schwerin - 32.000 Unterschriften gegen das Kohlekraftwerk in Lubmin
Bei den Wahlen zu den Landratswahlen in den Landkreisen Ostvorpommern und Rügen wird die SPD als Regierungspartei mit 6,3% bzw. 4,4% der Stimmen abgestraft. Auch beim Rücktritt des Ministerpräsidenten Ringstorff (SPD) spielt das Kohlekraftwerk Lubmin eine wichtige Rolle.

Februar 08 / Mainz : Über 47.000 Einwendungen gegen das Kohlekraftwerk Mainz
Nach den 47.000 Einwendungen folgt ein sehr aufwendiges öffentliches Erörterungsverfahren mit 12 Verhandlungstagen. Das Genehmigungsverfahren verzögert sich insgesamt um Monate.


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Quelle:
Die Klima-Allianz PM-No. 2009/014, 17. März 2009
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Tel.: 030/678 1775-90, Fax: 030/678 1775-80
Internet: www.die-klima-allianz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2009