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INITIATIVE/255: Richtungswechsel erforderlich - Mit Klimaschutz aus der Krise! (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt und Entwicklung - Rundbrief 1/2009
Aktuell

Richtungswechsel erforderlich
Mit Klimaschutz aus der Krise!

Von Christina Hering


Innerhalb weniger Monate wurden drei Maßnahmenpakete verabschiedet, die deutlich aufzeigen, dass Klimaschutz seit Beginn der Finanzkrise von der politischen Agenda verschwindet: das stark verwässerte EU-Energie- und Klimapaket sowie die beiden Konjunkturpakete, die nicht eine einzige Maßnahme enthalten, die an Umweltkriterien geknüpft ist. Vor diesem Hintergrund gibt es für die Klima-Allianz viel zu tun.

Bestes Beispiel: Die Abwrackprämie, die den Kauf von Neu- oder Jahreswagen, die lediglich die Abgasnorm 4 erfüllen, offiziell unterstützt - unabhängig davon, wie viel CO2 der Wagen ausstößt. Diese Entwicklung ist jedoch sowohl aus klimapolitischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen kurzsichtig. Klimapolitisch kurzsichtig, weil Studien belegen, dass der Klimawandel schneller und mit drastischeren Auswirkungen stattfinden wird, als noch 2007 vom Weltklimarat (IPCC) prognostiziert. Wollen wir ihn auf kontrollierbare Ausmaße begrenzen, müssen wir umgehend und konsequent handeln - und nicht erst nach Bewältigung der Krise. Wirtschaftlich kurzfristig, weil die Kosten durch unterlassenen Klimaschutz höher sein werden als rechtzeitige Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen, wie der Ökonom Nicholas Stern bereits 2007 darstellte.

Mit dieser Entwicklung wird die deutsche Wettbewerbsfähigkeit fahrlässig aufs Spiel gesetzt. Noch ist Deutschland führend in Umwelttechnologien - wie lange wird dies noch der Fall sein, wenn keine Anreize für eine Umsteuerung im Energiesektor oder der Automobilbranche geschaffen werden? Darüber hinaus hat der neue amerikanische Präsident Obama hat bereits angekündigt, stärker in die Erforschung und Entwicklung von "grünen" Technologien investieren zu wollen, so dass in wenigen Jahren mit Konkurrenz aus Übersee zu rechnen ist.

Die Preise fossiler Brennstoffe werden trotz derzeitigem Preisverfall weiter steigen. Wird der notwendige Strukturwandel im Energie- und Verkehrsbereich nicht vorgenommen, haben Wirtschaft und private Haushalte in einigen Jahren erneut unter den hohen Energiekosten zu leiden.

Darüber hinaus wird das Potenzial, das der Klimaschutz hat, um die Konjunktur zu stärken, nicht genutzt. Es gibt viele Beispiele, wie Klimaschutzmaßnahmen Handwerk und mittelständische Unternehmen stärken sowie Arbeitsplätze sichern oder schaffen können: die Ausweitung der Gebäudesanierung, der Ausbau der Nah- und Fernwärme, Förderprogramm zur Erneuerung von Heizkesseln, der Ausbau von Höchstspannungsstromnetzen oder Klimaprämien für Kühlschränke - um nur einige zu nennen.


Schwerpunkte bis zur Bundestagswahl

Vor diesem Hintergrund hat sich die Klima-Allianz zwei Schwerpunkte für die Zeit bis zur Bundestagswahl gesetzt:

1. Mit Informationsmaterialien, Diskussionsveranstaltungen und Aktionen dazu beizutragen, dass Klimaschutz der Wirtschaftskrise nicht zum Opfer fällt, sondern vielmehr als ein Baustein zur Krisenbewältigung angesehen wird - sowohl im Wahlkampf als auch in der nächsten Legislaturperiode.

2. In einem energiepolitisch aufgeladenen Wahlkampf dafür zu sorgen, dass nicht nur der Atomausstieg sondern auch der Bau neuer Kohlekraftwerke debattiert wird.

Kohlekraftwerke sind und bleiben die größten Klimakiller. Allein die 30 geplanten Kraftwerke in Deutschland würden rund 180 Mio. t. CO2 ausstoßen - was nicht nur klimapolitisch fatal ist, sondern auch wirtschaftlich. Aufgrund der sehr hohen Emissionen sind Kohlekraftwerke in besonderem Maße von den zukünftigen CO2- Zertifikatepreisen betroffen. Die EU wird die zulässigen CO2-Mengen aus klimapolitischen Gründen in den kommenden Jahrzehnten drastisch absenken müssen, so dass Kraftwerksbetreiber eine Menge Zertifikate hinzu kaufen müssen, was enorme Kosten verursacht. Doch damit nicht genug: Kohlekraftwerke werden den Anforderungen des zukünftigen Strommarktes nicht gerecht. Die mit einem gesetzlichen Vorrang ausgestattete schnell steigende Einspeisung Erneuerbarer Energien führt zu geringen Jahresvolllaststunden eines Kraftwerks und gefährdet damit seine Wirtschaftlichkeit.

Darüber hinaus schwindet die gesellschaftliche Akzeptanz für neue Kohlekraftwerke immer mehr: in Mecklenburg-Vorpommern hat sich der erste Ministerpräsident eines Landes, Erwin Sellering (SPD), gegen den Bau eines Kraftwerks ausgesprochen; in Brunsbüttel und Lünen haben in diesem Jahr große Demonstrationen gegen Kohlekraftwerke stattgefunden; in Stade muss aufgrund einer Klage der Bebauungsplan neu aufgestellt werden; die Kraftwerksvorhaben in Lünen wurden vom Oberverwaltungsgericht in Münster als rechtswidrig erklärt und beim geplanten Kohlekraftwerk in Mainz ist die Finanzierung sehr unsicher. Neben der Unterstützung des lokalen Widerstands an den Kraftwerksstandorten, plant die Anti-Kohle-Kampagne der Klima-Allianz eine nationale Kohlekonferenz, um den bundesweiten Austausch über wichtige energiepolitische Fragen und die Vernetzung zu fördern.

Es wird ein spannendes und richtungsweisendens Jahr - so viel ist sicher...

Die Autorin ist Koordinatorin der Klima-Allianz.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2009