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INITIATIVE/260: Kohlekraftwerksgegner auf Erfolgskurs (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt und Entwicklung - Rundbrief 4/2009
Schwerpunkt Welternährung

Kohlekraftwerksgegner auf Erfolgskurs
Projektabsagen am laufenden Band

Von Daniela Setton


In den letzten Wochen haben Bürgerinitiativen und Verbände, die sich gegen die mehr als zwei Dutzend Kohlekraftwerksplanungen in Deutschland einsetzen, eine beispiellose Serie an Erfolgen für sich verbuchen können. Gleich mehrere Kohlekraftwerksprojekte mussten aufgrund von Protesten aufgegeben werden.


Schon seit Jahren haben Energieversorger bei der Planung neuer Kohlekraftwerke mit heftigen Protesten von Bürgern und Verbänden zu kämpfen. Kohlekraftwerke werden flächendeckend als veraltete und klimaschädliche Technologie abgelehnt, deren Bedeutung in einem modernen Energiemix immer geringer werden muss.


Von Ensdorf bis Emden

Durch den Protest konnten schon einige Kohlekraftwerksprojekte verhindert werden. Als RWE seine Pläne für ein milliardenschweres 1600-MW Kohlekraftwerk aufgrund einer Bürgerbefragung im November 2007 endgültig begraben musste, erregte dies bundesweit Aufmerksamkeit. Auch in Bremen und Germersheim wurden 2007 und 2008 neue Kohlekraftwerke aufgrund des politischen Widerstands begraben. Andere Projekte kippten aufgrund der fehlenden Wirtschaftlichkeit, wie z.B. in Quierschied und Köln.

Das Jahr 2009 wurde schließlich zum bisher erfolgreichsten Jahr des Anti-Kohleprotests. Den Auftakt machte Berlin im März. Vattenfall hatte mehr als eineinhalb Jahre vergeblich versucht, gegen den Protest der Bevölkerung eine politische Mehrheit hinter sein umstrittenes Kohlekraftwerks-Vorhaben zu bringen. Doch schließlich setzte der Konzern in der Hauptstadt statt auf Kohle auf den Einsatz von Gas und Biomasse. Auch die Stadtwerke Kiel gaben unter der rot-grünen Koalition im September ihre Kohlepläne auf und stellten auf Erdgas um. Mitte Oktober verkündete dann der dänische Staatskonzern Dong Energy, seine Planungen für ein 1.600 Megawatt Steinkohlekraftwerk in Emden ersatzlos zu streichen. Seit dem Frühjahr 2008 kämpfte dort die Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland gegen das Dong-Vorhaben, tausende Menschen gingen auf die Straße. Dong begründete seinen Rückzug mit einer geänderten Konzernstrategie. In Zukunft wolle das Unternehmen vor allem auf Gas, Biomasse und Wind als Energieträger setzen und bis 2040 bis zu 85 Prozent an CO2-Emissionen einsparen.


Drei Kohlekraftwerke kippen in einer Woche

Am 9. Dezember 2009 kam schließlich die Sensationsnachricht, dass gleich zwei umstrittene Kohlekraftwerksprojekte vom Tisch sind. Im niedersächsischen Emsland war der Jubel groß, als der Energiekonzern EnBW das endgültige Aus für das geplante Steinkohlekraftwerk in Dörpen verkündete. Das langjährige Engagement der Bürgerinitiative Saubere Energie Dörpen hatte sich ausgezahlt. Noch im Sommer hatten die Kohlekraftwerksgegner von Enercon-Chef Aloys Wobben Unterstützung erhalten. Er knüpfte seine Investition in eine Fabrik für Windanlagen mit 1000 Arbeitsplätzen an ein Aus des Kohlekraftwerkprojekts.

Auch in Mainz war die Freude am 9. Dezember groß. Die neue Ampelkoalition besiegelte nach jahrelangen heftigen Auseinandersetzungen in ihrem Koalitionsvertrag das politische Aus für den von den Kraftwerken Mainz-Wiesbaden (KMW) geplanten Kohlemeiler. Schon Ende September hatte die KMW das umstrittene Projekt erstmal zurückgestellt. Nun schloss die Koalition ein weiteres Hintertürchen, indem sie dem Verkauf des Geländes für das Kohleprojekt ablehnte.

Als Dong Energy schließlich am 12. Dezember verkündete, dass es auch das umstrittene Steinkohlekraftwerk Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern nach jahrelangen harten Auseinandersetzungen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens aufgibt, war ein neuer Anti-Kohle Rekord erreicht. Drei Kohlekraftwerke kippten innerhalb von nur einer Woche. In einer Pressemitteilung des Unternehmens hieß es, der Bau habe nicht mehr die "nötige politische Unterstützung" des Landes Mecklenburg-Vorpommern.


Mut zum Weitermachen

Die jüngsten Entwicklungen sind ein weiterer riesiger Erfolg für die Anti-Kohlekraftwerksbewegung in Deutschland. Alle im Jahr 2009 gestoppten Projekte waren durch langjährige und hartnäckige Proteste von lokalen Bürgerinitiativen und Verbänden begleitet worden. So sind diese Erfolge für den Klimaschutz ein Verdienst von vielen Menschen, die sich zum größten Teil über Jahre hinweg ehrenamtlich und hartnäckig gegen die klimafeindlichen Planungen zur Wehr gesetzt haben. Die Schweizer Basellandische Zeitung sprach angesichts der Serie von gescheiterten Projekten sogar von einem "Massensterben" (14.12.2009). Doch es gibt auch weiterhin viel zu tun. Immerhin sind noch 25 neue Kohlekraftwerke in Deutschland im Bau bzw. in Planung. Einige dieser Projekte drohen zu kippen. Die Erfolge machen Mut für die anstehenden Auseinandersetzungen.

Die Autorin arbeitet für die Kohlekraftwerkskampagne der Klimaallianz.

Hinweis: Alle wichtigen Infos rund um die Kohlekraftwerksplanungen in Deutschland sowie den Protest dagegen sind zu finden unter
www.kohle-protest.de.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2009, S. 29
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2010