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INITIATIVE/274: Unternehmensmanagement (bio-)diversifizieren (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2010
2010 Entscheidungsjahr für die Biologische Vielfalt

Unternehmensmanagement (bio-)diversifizieren
Biodiversitätsinitiativen für den Privatsektor auf europäischer und internationaler Ebene gewinnen an Bedeutung

Von Stefan Hörmann


Die Zahl der europäischen und internationalen Initiativen zur Stärkung des Unternehmensengagements für die biologische Vielfalt wächst kontinuierlich. Dabei geht es um mehr als Sponsoring für den Schutz charismatischer Tierarten wie den Eisbär. Der Erhalt der biologischen Vielfalt soll in das Unternehmensmanagement systematisch integriert werden.


Die meisten Unternehmen erkennen und erfassen ihre Abhängigkeit von der Vielfalt der Arten und genetischer Ressourcen bei der Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen noch nicht. Dabei bildet der Verlust der biologischen Vielfalt ein Geschäftsrisiko, insbesondere für Unternehmen mit einem direkten Bezug zu Ökosystemen und biologischer Vielfalt aus Branchen wie Lebensmittel, Bauwirtschaft und Baustoffe, Forst- und Holzwirtschaft (einschließlich Papier) oder Tourismus.

Auf diese Zusammenhänge wollen verschiedene sogenannte Business and Biodiversity-Programme aufmerksam machen. Dahinter stehen meist Regierungen, Unternehmen oder NGOs. Einen Überblick über ihre Ziele und Ausrichtung zu behalten, ist nicht immer einfach.


Europäische Initiativen

Europäische Business and Biodiversity Kampagne [1]

Anfang des Jahres hat die Umweltstiftung Global Nature Fund (GNF) in Kooperation mit sechs Partnern aus Deutschland, den Niederlanden, Spanien und Belgien die Europäische Business and Biodiversity Kampagne gestartet.

Diese durch das EU LIFE Programm geförderte dreijährige Kampagne zielt darauf ab, Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanager und Entscheider in Unternehmen über Methoden und Instrumente zur Bewertung und Minimierung von negativen Auswirkungen geschäftlicher Tätigkeiten auf die biologische Vielfalt zu informieren. Ein Schwerpunkt der Kampagne ist die Durchführung regionaler Foren "Unternehmen und biologische Vielfalt", die Tier- und Pflanzenarten sowie Ökosysteme in der heimischen Region in den Fokus rücken. Dabei werden speziell kleinere und mittlere Unternehmen, die häufig einen besonders engen Bezug zu ihrem Unternehmensstandort haben, bei der Integration von Biodiversitätsaspekten in das Managementsystem unterstützt.

Neben Unternehmen sollen auch NGOs gezielt mit der Kampagne angesprochen werden. Im Spannungsfeld von Kooperation und Konfrontation mit Unternehmen beim Schutz biologischer Vielfalt erhalten NGOs Informationen über Methoden zur Bewertung unternehmerischer Biodiversitäts-Performance. In Workshops stehen Kriterien für Partnerschaften zwischen NGOs und Unternehmen zum Erhalt der biologischen Vielfalt im Mittelpunkt.


European Business and Biodiversity Platform

Diese ebenfalls kürzlich lancierte europäische Plattform koordiniert der IUCN im Auftrag der Europäischen Kommission. Ein webbasiertes Informationscenter zum Thema "Unternehmen und Biodiversität" wird bis Sommer 2010 eingerichtet. Ein Schwerpunkt liegt auf der Vorstellung von guten Beispielen und der Entwicklung von Best-Practice-Richtlinien für die Bereiche Forst, Landwirtschaft, Lebensmittel, Baugewerbe, Finanzen und Rohstoffwirtschaft. Unternehmen mit herausragendem Engagement für die Erhaltung der Biodiversität sollen zukünftig im Rahmen einer Preisverleihung ausgezeichnet werden.


Internationale Programme

Biodiversity in Good Company

Die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH setzt im Auftrag des Bundesumweltministeriums die Initiative 'Biodiversity in Good Company' um. Ziel der branchenübergreifenden Initiative ist die stärkere Integration des Privatsektors in die Zielerreichung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD). Mit der Unterzeichnung einer Leadership Erklärung verpflichten sich Mitgliedsunternehmen dazu, den Schutz und die nachhaltige Nutzung von Biodiversität in ihre betrieblichen Managementsysteme zu integrieren. Inzwischen haben über 40 international agierende Unternehmen die Leadership Erklärung unterzeichnet. [2]


World Business Council on Sustainable Development (WBCSD) [3]

Das WBCSD ist führend bei der Entwicklung und Verbreitung von Richtlinien und Instrumenten zur nachhaltigen Nutzung von Ökosystemen durch den Privatsektor. Der mit dem WRI entwickelte Corporate Ecosystem Services Review zur Bestimmung der Abhängigkeit von Ökosystemen ist von über 200 Unternehmen angewendet worden. Damit ist es eine der am weitesten verbreitenden Methoden, in diesem noch jungen Feld.


Business and Biodiversity Offsets Program (BBOP) [4]

Das BBOP bietet Unternehmen umfangreiche Anleitung zur Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen für Schäden an natürlichen Lebensräumen und Arten, die durch Unternehmenseingriffe entstanden sind. Nachdem Unternehmen der Minderungshierarchie (Vermeiden, Minimieren, Abmindern, Kompensieren) gefolgt sind, soll das oberstes Ziel aller Kompensationsmaßnahmen der "No net loss" oder gar einen Zugewinn an Biodiversität sein. Hierzu entwickelt das BBOP ab 2010 einen Standard. Pilotprojekte wurden weltweit etwa im Bereich Bergbau, Infrastruktur und Tourismus umgesetzt. Koordiniert wird das BBOP durch die NGOs Forest Trends und World Conservation Society (WCS).

Neben Biodiversitätsinitiativen, die Unternehmen mehrerer Wirtschaftszweige ansprechen, haben sich einige branchenspezifische Programme und Arbeitsgruppen zum Thema Biodiversität gebildet. Zum Beispiel hat die Finanzinitiative des UN-Umweltprogramms (UNEP FI) als Mitinitiator einer Natural Value Initiative ein Instrument für Finanzinvestoren entwickelt, mit dem Investitionsrisiken und -chancen bei Unternehmen in der Lebensmittel-, Getränke- und Tabakbranche bewertet werden können, die einen direkten Bezug zu Ökosystemleistungen haben.

Außerdem bieten Naturschutzverbände und Forschungseinrichtungen Unternehmen eine Zusammenarbeit bei der strategischen Beschäftigung mit Natur- und Artenschutz an. Auf europäischer und internationaler Ebene sind dies unter anderem das World Conservation Monitoring Centre, das Business and Biodiversity Programm des IUCN, das Earthwatch Institute, der WWF und Birdlife.


Zahlreiche Initiativen und Herausforderungen

Die verschiedenen Business and Biodiversity Initiativen legen meist unterschiedliche Schwerpunkte, was die Standorte, Größe, Handlungsfelder oder Branche der Unternehmen betrifft. Viele sind dabei, Prinzipien, Richtlinien und Instrumente zur nachhaltigen Nutzung und Erhaltung von Biodiversität für die Unternehmenspraxis zu entwickeln. Allerdings stehen den Initiativen noch einige Herausforderungen bevor. Bisher noch nicht erreicht ist:

eine breite Anwendung und vollständige Umsetzung von Richtlinien und Instrumenten in der Praxis.
eine Einbindung von kleinen und mittleren Unternehmen sowie von Einrichtungen der öffentlichen Hand in Programme und Initiativen.
die Entwicklung von verbindlichen, überprüf- und vergleichbaren Standards.

Der Autor ist Projektleiter bei der Umweltstiftung Global Nature Fund. Dort koordiniert er die Umsetzung der Europäischen Business and Biodiversity Kampagne. Kontakt: Tel: 0228-2429018, Email: hoermann[at]globalnature.org


[1] www.globalnature.org
[2] www.business-and-biodiversity.org
[3] www.wbcsd.org
[4] http://bbop.forest-trends.org/guidelines/index.php


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2010, S. 24-25
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Koblenzer Str. 65 53173 Bonn
Telefon: 0228/35 97 04, Fax: 0228/923 993 56
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juli 2010