Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INDUSTRIE

INITIATIVE/282: Brief - Vattenfalls Braunkohle geordnet auslaufen lassen (Umweltgruppe)


Umweltgruppe - Pressemitteilung - Montag, 20. September 2010

Vattenfalls Braunkohle geordnet auslaufen lassen

Bürgermeister und Abgeordnete schreiben an schwedische
Parlamentsfraktionen


Berlin, 20.09.2010. Bundestagsabgeordnete aus drei Fraktionen, zwei Bürgermeister aus der Lausitzer Kohleregion und der Umweltverband GRÜNE LIGA fordern heute in einem Schreiben an alle schwedischen Reichstagsfraktionen, die Braunkohleförderung des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall geordnet auslaufen zu lassen. Die Unterzeichner bitten den schwedischen Staat, als Eigentümer von Vattenfall "eine Wende hin zur Reduzierung atomarer und fossiler Energiegewinnung" zu erwirken. Nicht die Privatisierung der Kohlesparte, sondern das Ende der Braunkohleförderung sei hierfür der richtige Weg.

Das Schreiben wurde unterzeichnet von den Bundestagsabgeordneten Wolfgang Neskovic (LINKE), Cornelia Behm (Bündnis90/Grüne) und Hermann Scheer (SPD), den Bürgermeistern von Schenkendöbern und Wiesengrund, Peter Jeschke (CDU) und Egbert S. Piosik (parteilos), sowie dem Vorsitzenden der GRÜNEN LIGA, Klaus Schlüter. Neben den Reichstagsfraktionen erhält die Brief auch die amtierende schwedische Wirtschaftsministerin Maud Olofson.

Die Absender verweisen weiterhin darauf, dass Vattenfall im Zuge der Privatisierung der Lausitzer Kohlewirtschaft - an der Öffentlichkeit vorbei - ein Vorkaufsrecht auf nicht aufgeschlossenen Kohlefelder eingeräumt wurde, das mehr als fünfzig weitere Ortschaften bedroht. Die Unterzeichner fordern eine Lösung, welche die betroffenen Bewohner dauerhaft vor weiteren Umsiedlungen schützt.

Vattenfall plant in der Lausitz die Umsiedlung von 3700 Menschen zugunsten fünf neuer Tagebauvorhaben sowie den Betrieb neuer Braunkohlenkraftwerke bis nach 2070. Die schwedische Öffentlichkeit debattiert zeitgleich Modelle einer vollständigen oder teilweisen Privatisierung des Vattenfall-Konzerns.

Den Brief erhalten sie als Anlage zu dieser Pressemitteilung oder im Internet unter www.lausitzer-braunkohle.de/aktuell.php

Raute

Cornelia Behm, Mitglied des Deutschen Bundestages
Wolfgang Neskovic, Mitglied des Deutschen Bundestages
Hermann Scheer, Mitglied des Deutschen Bundestages
Peter Jeschke, Bürgermeister Gemeinde Schenkendöbern
Egbert S. Piosik, Bürgermeister Gemeinde Wiesengrund
Klaus Schlüter, Vorsitzender GRÜNE LIGA e.V.

C/o GRÜNE LIGA e.V.
Bundesgeschäftsstelle
Greifswalder Straße 4
D-10405 Berlin
Deutschland
braunkohle@grueneliga.de


Königreich Schweden
Maud Olofsson
Minister for Enterprise and Energy, Deputy Prime Minister
Mäster Samuelsgatan 70
103 33 Stockholm
Sweden

Energiewirtschaft nachhaltig umbauen statt verkaufen

Berlin, 17.09.2010

Sehr geehrte Frau Olofson,

mit Interesse haben wir wahrgenommen, dass in der schwedischen Öffentlichkeit darüber nachgedacht wird, Teile des Staatsunternehmens Vattenfall, insbesondere die Kohle- und Atomkraftwerke zu veräußern. Durch die Aktivitäten von Vattenfall in anderen Ländern trägt Schweden eine große Verantwortung. Als Eigentümer eines internationalen Energiekonzerns sollte sich Ihr Land dafür einsetzen, dass sich eine Wende hin zur Reduzierung atomarer und fossiler Energiegewinnung vollzieht. Ihnen stehen dazu neben Unternehmensdirektiven sicher weitere Mittel der Einflussnahme zur Verfügung. Diese Möglichkeiten sollten genutzt werden. Der Verkauf gerade der ostdeutschen Kohlewirtschaft an privatwirtschaftliche Interessenten würde die große Chance vergeben, die Energiewende in Europa aktiv mitzugestalten. Bitte prüfen Sie, inwieweit Sie als Eigentümer mithelfen können, den Umbau der Energiewirtschaft, den schrittweisen Abschied vom Energieträger Braunkohle zu organisieren.

In unserer Region, der Lausitz, plant Vattenfall die Umsiedlung von 3700 Menschen für fünf neue Tagebauvorhaben. Jahrhundertealte Dörfer sollen dafür in den nächsten Jahren zerstört werden, darunter traditionelles Siedlungsgebiet der sorbischen ethnischen Minderheit. Ein schrittweiser Ausstieg aus der Braunkohle kann diese Orte retten und dadurch auch die Belastung des Weltklimas verringern. Er muss jedoch jetzt eingeleitet werden, anstatt eine neue Generation von Braunkohlenkraftwerken bis in die 2070er Jahre betreiben zu wollen. Vattenfalls Strategie, das in den Kraftwerken entstehende CO2 künftig in Nachbarregionen unterirdisch verpressen zu wollen, würde die Dörfer nicht retten. Stattdessen hat sie den energischen Protest der Bewohner in den Endlagerregionen hervorgerufen. Sie sorgen sich berechtigt um die Sicherheit von Mensch, Natur und Grundwasserressourcen und lehnen neue Braunkohlekraftwerke vehement ab.

Wir können nicht auf das angekündigte Energiekonzept der deutschen Bundesregierung vertrauen, zumal Konzerne wie Vattenfall hier massiv Lobbyismus für Kohle- und Atomkraftwerke betreiben. Findet diese Einflussnahme wirklich im Sinne der Eigentümer, im Sinne des schwedischen Volkes statt?

Wir möchten in diesem Zusammenhang Ihre Aufmerksamkeit zudem auf den Fakt lenken, dass im Zuge der Privatisierung der Lausitzer Kohlewirtschaft durch die Treuhandanstalt in den 1990er Jahren - an der Öffentlichkeit vorbei - dem neuen Eigentümer ein Vorkaufsrecht am Bergwerkseigentum der meisten noch nicht aufgeschlossenen Kohlefelder eingeräumt wurde. Dieses Vorkaufsrecht ist offensichtlich bei der Bildung der Vattenfall Europe AG auf das schwedische Staatsunternehmen übergegangen. Eine Einsicht in die betreffenden Privatisierungsverträge wurde uns bisher jedoch nicht gewährt. Auf den vom Vorkaufsrecht betroffenen Kohlefeldern stehen bis zu fünfzig Ortschaften, die von Tausenden Menschen als ihre Heimat angesehen werden. Da Braunkohle hier nur im Tagebau gewonnen werden kann, ist das damals eingeräumte Vorkaufsrecht am Bodenschatz nicht zu trennen von der Option, diese Menschen umzusiedeln und ihre jahrhundertealten Siedlungen zu zerstören. Der schwedische Staat darf sich daher nicht von der Kohlewirtschaft trennen, bevor dieses Problem nicht verantwortungsbewusst und im Sinne der betroffenen Menschen gelöst ist. Das Vorkaufsrecht am Bergwerkseigentum darf nicht an Finanzinvestoren und internationale Konzerne weiterveräußert werden, sondern es ist eine Lösung herbeizuführen, die den Bewohnern der betroffenen Region dauerhafte Sicherheit vor der Zerstörung ihrer Heimat bietet.

Wir würden uns freuen, mit Ihnen über die angesprochenen Probleme ins Gespräch zu kommen.

Mit freundlichen Grüßen,

Cornelia Behm
Mitglied des deutschen Bundestages
(Bündnis90/Die Grünen)

Wolfgang Neskovic
(DIE LINKE), stellvertretender Vorsitzender
der Deutsch-Nordischen Parlamentariergruppe

Peter Jeschke
Bürgermeister der Gemeinde Schenkendöbern (CDU)
(Kohlefeld Jänschwalde-Nord)

Hermann Scheer
Mitglied des deutschen Bundestages
(SPD), Vorsitzender des Weltrates
für Erneuerbare Energien

GEZ.

Egbert S. Piosik
Bürgermeister der Gemeinde Wiesengrund
(Kohlefeld Jänschwalde-Süd)

Klaus Schlüter
Vorstandsvorsitzender GRÜNE LIGA e.V.


*


Quelle:
Pressemitteilung, 22.09.2010
Umweltgruppe
c/o Eine-Welt-Laden
Straße der Jugend 94, 03046 Cottbus
E-Mail: umweltgruppe@web.de
Internet: www.lausitzer-braunkohle.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. September 2010