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INITIATIVE/284: Stadtwerke back in Town. Volksinitiative "Unser Hamburg, Unser Netz" (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 106/3.2010
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

energie
The Stadtwerke are back in Town

Von Dirk Seifert


In Hamburg bezeichnen es inzwischen alle Parteien als schweren politischen Fehler, dass zunächst von einem rot-grünen und später einem schwarz-geführten Senat die Hamburgischen Elektrizitäts Werke (HEW) und Hamburger Gas Werke um die Jahrtausendwende privatisiert wurden. Anfang Juli startete in Hamburg unter dem Titel "Unser Hamburg - Unser Netz" eine Volksinitiative, die diesen Fehler korrigieren will. Hamburg soll die Energienetze für Strom, Gas und Wärme wieder in eigener Regie übernehmen - weg von Vattenfall und E.ON. Bis Ende 2010 kann der Senat entscheiden.

Hamburg stand mit der Privatisierung der Energieversorgung nicht allein. Um Haushaltslöcher zu stopfen, verkauften zu dieser Zeit überall in der Republik Kommunen und Städte ihre Stadtwerke und sogar Wasserwerke. Fast drogenartig wirkte der Glaube an den Neoliberalismus, dass die Privatwirtschaft und die Märkte diese Kernbereiche sozialer Daseinsvorsorge besser organisieren könnten und niedrigere Preise die Folge sein würden. Nicht nur die Energieerzeugung, auch die Energienetze für Strom, Wasser, Gas und (Fern)wärme wurden so dem Einfluss öffentlicher Kontrolle entzogen. Von einer End-Demokratisierung der Energiepolitik war entweder nicht die Rede, oder sie war klammheimlich gewollt.

Nicht erst die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise hat deutlich gemacht, wie unsinnig das war. Bundesweit sind in den letzten Jahren die Energiepreise stark angestiegen. Das hat viele, auch globale Gründe. Aber es liegt auch daran, dass es im letzten Jahrzehnt zu einer weiteren Monopolisierung gekommen ist. Aus ehemals sieben großen Energieversorgern sind die vier Konzerne E.ON, Vattenfall, EnBW und RWE hervorgegangen bzw. übriggeblieben. Sie kontrollieren noch heute über 80 Prozent der Stromerzeugung. Trotz der versuchten Liberalisierung der Energiemärkte in Europa, die Ende der 90er Jahre auf den Weg gebracht wurde, ist der Wettbewerb nicht in Gang gekommen. Gegen das Drängen der EU-Kommission haben die vier Energiekonzerne in Deutschland ebenso wie z.B. die EDF in Frankreich erfolgreich ihre Marktdominanz verteidigt, europaweit sogar ausgebaut.

Nicht zuletzt deshalb wird heute in vielen Städten und Kom munen wieder über die Rekommunalisierung von Stadtwerken inkl. der Versorgungsnetze Strom, Wasser und Gas bis hin zum ÖPNV nachgedacht. Bundesweit laufen in den nächsten Jahren ca 20.000 Konzessionsverträge aus und müssen neu verhandelt werden. Meist werden sie von einem der großen vier Energiekonzerne betrieben.


Netze für die Energiewende!

Diese Konzerne haben in den vergangenen Jahren die Netze vor allem als Einnahmequelle betrieben und den dringend erforderlichen Umbau für erneuerbare Energien unterlassen. (siehe auch ROBIN WOOD Magazin 97/2.08). Von einer Energieversorgung, die vor allem auf wenigen großen Grundlastkraftwerken basiert, entwickelt sich eine immer größer werdende Dezentralisierung der Stromerzeugung auf Basis der erneuerbaren Energien. Um die Netze sicher betreiben zu können, müssen sie deshalb angepasst und umgebaut werden.

Doch die vier großen Konzerne haben daran kein Interesse. Viele Windparkbetreiber können davon ein Lied singen. Und für immer mehr Städte, die aktiv für den Klimaschutz etwas tun wollen, wird diese Politik der großen Konzerne zum Ärgernis. Auch deshalb wird die Rekommunalisierung der Energienetze ebenso wie die Schaffung neuer Stadtwerke immer interessanter, denn so gewinnen Städte und Gemeinden Gestaltungsmöglichkeiten zurück. Und auch angesichts stark belasteter Haushaltskassen können sich viele Städte diesen Schritt erlauben, wie der Verband kommunaler Unternehmen betont. Günstige Kommunalkredite ermöglichen angesichts einer Rendite beim Netzbetrieb von etwa neun Prozent noch ansehnliche Erträge, die den Gemeindekassen zugute kom men. Rund drei Milliarden Euro nahmen 2008 laut Deutschem Städte- und Gemeindebund die Kommunen aus den Erlösen der Konzessionsverträge ein.

Dirk Seifert
www.robinwood.de/energie


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Tschüß Vattenfall - Tschüß E.ON

In Hamburg hat eine Initiative aus BUND, Verbraucherzentrale, Kirche, Mietervereinen und ROBIN WOOD eine Kampagne gestartet, die Energienetze wieder in die öffentliche Hand zu übernehmen. Bis Ende 2012 muss der Senat über die Konzessionsverträge für die Strom-, (Fern)Wärme- und Gasnetze entscheiden, die derzeit von Vattenfall und E.ON betrieben werden. Die Rekommunalisierung der Netze sehen die Initiatoren als eine zentrale Voraussetzung an, um die Energiepolitik der Stadt Hamburg klimafreundlicher und sozial gerechter zu gestalten und einer demokratischen Kontrolle zu unterwerfen.

Mehr Informationen unter: www.robinwood.de/unser-netz-hamburg


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 106/3.2010, S. 27
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2010