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MELDUNG/128: Wenn Chemikalien wie Hormone wirken - Umweltorganisation fordert EU-weite Regulierung (WECF)


WECF Deutschland - Brüssel/München 3. Mai 2011

Wenn Chemikalien das Hormonsystem stören - Umweltorganisation fordert mit der SIN List 2.0 EU-weite Regulierung für endokrin wirksame Substanzen

WECF sieht einen wichtigen Schritt im Kampf gegen hormonell wirksame Stoffe - In Deutschland wird der Dialog am 26. Mai in Berlin fortgesetzt


Die schwedische Umweltorganisation ChemSec veröffentlicht heute in Brüssel die SIN-List 2.0. Die aktualisierte Liste wurde um 22 endokrin wirksame Substanzen (EDCs) [*] erweitert, die speziell auf endokrinen Eigenschaften identifiziert wurden, und enthält nun 378 Chemikalien. Die EDCs wurden wie auch die auf der SIN-List [**] von 2008 gelisteten Chemikalien nach REACH-Kriterien [***] als "besonders besorgniserregende Substanzen" (SVHC - Substances of very high concern) identifiziert und sollten Ziel einer künftigen Regulierung in der EU werden. In Deutschland findet die Diskussion um die SIN-List 2.0 am 26. Mai bei einer ChemSec-Konferenz zu EDCs in Berlin eine Fortsetzung.

Endokrin wirksame Substanzen können das menschliche Hormonsystem stören und werden zunehmend mit einer Reihe von gesundheitlichen Problemen wie Krebs, Diabetes, Verhaltens- und Aufmerksamkeitsstörungen sowie mit der Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit in Verbindung gebracht. "EDCs sind häufig in Lebensmittelverpackungen und Kosmetika, und sogar in Spielsachen zu finden", so Alexandra Caterbow, Koordinatorin der Abteilung Chemikalien von WECF. "Jeder von uns kommt täglich mehrmals mit einer Reihe dieser hormonell wirksamen Stoffe über Alltagsprodukte in Berührung. Es ist dringend an der Zeit, Menschen vor diesen Substanzen zu schützen. Die SIN-List 2.0 ist ein hervorragendes Instrument, damit die Politik endlich tätig wird."

Die EU hat den Ehrgeiz die Bedrohung durch EDCs anzugehen, konnte sich bisher jedoch weder auf EDC-Kriterien einigen noch dafür, sie als Substanzengruppe zu behandeln. "Wir ermutigen die Europäische Kommission und die Mitgliedsstaaten mit der Nominierung von EDCs für die REACH-Kandidatenliste zu beginnen", erläutern Per Rosander und Jerker Ligthart von ChemSec. "Die neue Erweiterung der SIN-Liste enthält neueste Forschungsergebnisse und gibt Aufschluss, wo die Politik und Unternehmen starten können."

27 EU-Mitgliedstaaten haben im Rahmen von REACH vereinbart, die Verwendung von "besonders besorgniserregenden Substanzen" (SVHC) strikt zu begrenzen. Bisher wurden allerdings nur 46 Chemikalien offiziell als SVHC identifiziert und auf die REACH-Kandidatenliste gesetzt. Keine davon wurde speziell aufgrund ihrer endokrinen Eigenschaften ausgewählt, obwohl sie nach REACH als ebenso problematisch wie andere besonders Besorgnis erregende Substanzen gelten.

Die SIN-Liste 2.0 wird heute bei einer öffentlichen Anhörung zu EDCs in Brüssel vorgestellt. Bei dieser Veranstaltung werden Vertreter aus der Wirtschaft von IKEA, Boots und von der Investment Ratingagentur MSCI darstellen, wie sie die Verwendung von EDCs in verbrauchernahen Produkten beschränken und wie sie die SIN-Liste in diesem Bemühen anwenden. Wissenschaftler und Vertreter der Europäischen Kommission und der EU-Mitgliedsstaaten werden in einer offenen Debatte weitere Schritte diskutieren.

Die Konferenz Endokrin wirksame Stoffe - ein deutscher Dialog findet am 26. Mai 2011 in Berlin statt. Anmeldung unter http://www.chemsec.org/registration-berlin. Das vorläufige Programm finden Sie unter http://www.chemsec.org/news/news-2011/701-a-german-dialogue-about-endocrine-disrupting-chemicals


Hintergrundinformationen:

[*] Die neu hinzugefügten endokrin wirksamen Substanzen auf der SIN- Liste 2.0 sind z. B. Phthalate, die Kunststoffe weich machen, Parabene, die als Konservierungsmittel in vielen kosmetischen und Körperpflegeprodukten verwendet werden und UV-Filter in Sonnenschutzmitteln und Lebensmittelverpackungen. Diese Substanzenfinden sich auch in so unterschiedlichen Produkten wie Tinten und Farben, in Benzin, in behandeltem Holz und in Brustimplantaten. Daneben werden sie in Prozessen wie Reinigungs- und Leder-Behandlung eingesetzt.

[**] Die SIN List (Substitute It Now!) wurde2008 von ChemSec in Zusammenarbeit mit anderen NGOs gestartet. Die SIN-Liste wendet REACH-Kriterien an, um besonders besorgniserregende Substanzen SVHC zu identifizieren. Mit der neuen Erweiterung erfasst sie nun 378 Substanzen. Der Zweck der SIN-Liste ist, den REACH-Prozess zu beschleunigen und Unternehmen aufzuzeigen, welche Chemikalien ersetzt werden sollten. www.sinlist.org.

Das SIN-List Projekt wird von einem beratenden Ausschuss geleitet, der sich aus folgenden NGOs zusammensetzt: European Environmental Bureau (EEB), WWF European Policy Office, Greenpeace European Unit, Friends of the Earth Europe (FoEE), Instituto de Trabajo Sindical, Ambientey Salud (ISTAS), Women in Europe for a Common Future (WECF), Health and Environment Alliance (HEAL), Europäische Verbraucherverband (BEUC) und Center for International Environmental Law (CIEL).

[***] Die EU-Chemikalienverordnung REACH besagt, dass besonders besorgniserregende Substanzen solche sind, die entweder 1) krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend sind (CMR-Stoffe), 2) persistent, bioakkumulierbar und toxisch sind (PBT-Stoffe) oder3) "Stoffe sind, wie etwa solche mit endokrinen Eigenschaften[...], die Anlass zu einem gleichwertigen Grad an Besorgnis geben"(REACH Artikel57).

ChemSec, das Internationale Chemikalien-Sekretariat ist eine schwedische Non-Profit-Organisation, die für eine giftfreie Welt eintritt, indem sie die Gesundheits- und Umweltrisiken von gefährlichen Stoffen aufzeigt, wissenschaftlich fundierte Informationen verfügbar macht, Unternehmen mit einbezieht und Gesetzgebungsverfahren beschleunigt. ChemSec wurde 2002 von Umweltorganisationen gegründet und wird durch Zuschüsse von Behörden und Stiftungen finanziert. Mehr zu ChemSec unter www.chemsec.org.


Über WECF WECF ist ein internationales Netzwerk von über 100 Frauen- und Umweltorganisationen in 40 Ländern, die gemeinsam an einer nachhaltigen Entwicklung, dem Schutz der Umwelt und der Gesundheit sowie der Armutsbekämpfung arbeiten. Durch unsere Projekte und Programme entwickeln wir praktische und kostengünstige Lösungen im Bereich sicherer Chemikalien und Abfallmanagement, Trinkwasser und Abwasserentsorgung, sichere Energieversorgung und Nahrungsmittel sowie Klima-, Agrar- und Artenschutz. Durch unsere politische Arbeit bringen wir die Perspektiven und Empfehlungen unserer Mitgliedsorganisationen und Frauen in Führungspositionen in nationalen, europäischen und internationalen politischen Prozessen. WECF ist offizieller Partner von UNEP und Mitglied des Europäischen Komitees für Gesundheit und Umwelt (EEHC).


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Quelle:
Pressemitteilung, 3. Mai 2011
WECF Deutschland
Sankt-Jakobs-Platz 10
80331 München
Internet: www.wecf.eu


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Mai 2011