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MELDUNG/418: RWE-Deal - Bündnis wirft Regierung irreführende Rechnungen vor (Alle Dörfer bleiben)


Alle Dörfer bleiben
Pressemitteilung - 14.10.2022

Geschönte Zahlen im Deal mit RWE: CO2-Einsparungen durch vorgezogenen Kohleausstieg "beinahe nichts" + Bündnis wirft Regierung irreführende Rechnungen vor


Düsseldorf. Das Bündnis Alle Dörfer Bleiben wirft der Bundesregierung und der Landesregierung von NRW vor, mit irreführenden Zahlen die positiven Effekte des auf das Jahr 2030 vorgezogenen Kohleausstiegs in NRW zu übertreiben. Nach aktuellen Berechnungen von Wissenschaftler*innen des Deutschen Instituts fürs Wirtschaftsforschung (DIW) belaufen sich die Einsparungen des letzte Woche vorgestellten Kohleausstiegspfads auf maximal 64 Millionen CO2. Realistischer sei sogar ein Szenario, in dem es gar keine Einsparungen gegenüber dem bisherigem Abschaltplan gibt. NRW-Wirtschaftsministerin Neubaur und Bundeswirtschaftsminister Habeck sprechen jedoch von 280 Millionen Tonnen Kohle und damit CO2, die durch die Vereinbarung mit dem Kohlekonzern RWE im Vergleich zu einem Kohleausstieg 2038 im Boden blieben.

"Das Klima interessiert sich nicht für Jahreszahlen. Entscheidend ist, weniger Treibhausgase auszustoßen. Mit dem Ausstiegspfad für 2030, wie ihn RWE und die Regierung vereinbart haben, verfeuern wir aber die gleiche Menge Kohle, nur in kürzerer Zeit. Und das wird uns mit irreführenden Zahlen als Erfolg fürs Klima angepriesen", kommentiert Christopher Laumanns von Alle Dörfer bleiben.

Laut Catharina Rieve vom DIW ergeben sich die 280 Millionen Tonnen CO2-Einsparung nur, wenn man davon ausgehe, dass die gesamte Braunkohle im Tagebaufeld Garzweiler noch verfeuert worden wäre. Doch nach ihren Berechnungen wäre es dazu selbst bei einem Kohleausstieg Ende 2038 mit bis dahin durchgehender Vollauslastung nicht mehr gekommen: "Wir vergleichen drei Szenarien, in denen die Blöcke innerhalb ihrer jeweiligen Laufzeiten unter Volllast laufen. Das heißt in den Szenarien sorgt weder der Ausbau der Erneuerbaren noch der steigende CO2-Preis dafür, dass die Auslastung in den 2020ern und 30ern sinkt, sondern die Kraftwerke laufen jeweils bis zum Ende ihrer Laufzeit vollausgelastet. Allein durch geplante Abschaltungen in diesem Zeitraum nimmt der jährliche Bedarf kontinuierlich ab. Hieraus ergeben sich die maximal annehmbaren und verfeuerbaren Kohlemengen bis zum Ausstieg 2038 retrospektive 2035", sagt Rieve. "Dem gegenüber steht das neue Szenario, in dem mit dem neuen Kohleausstieg 2030 bzw. 2033 zusätzliche Kraftwerke ans Netz zurückkehren bzw. länger laufen und die Kraftwerke durch Gasmangellage ebenfalls als vollausgelastet bis zur Abschaltung angenommen werden. Zieht man nun den Vergleich, kommen wir auf die tatsächlich mögliche Einsparung von nur maximal 64 Mio. t. Auf diese Weise kann es dazu kommen, dass die Ersparnis durch den vorgezogenen Kohleausstieg nicht 280 Mio Tonnen beträgt, sondern beinahe nichts: die gleiche Menge Kohle wird in kürzerer Zeit verbrannt."

Dorothee Häußermann von Alle Dörfer Bleiben schlussfolgert: "Echter Klimaschutz geht nur indem wir aufhören, Energie zu verschwenden. Und damit meinen wir nicht, dass Einzelne von uns kürzer duschen sollen, sondern dass die Wirtschaft anders funktionieren muss. Brauchen wir wirklich so viele Autos und neue Flughäfen? Wie kann es sein, dass so viel Gas für die Produktion von Kunstdüngern verwendet wird, die Wasser, Boden und Tieren schaden? Wir brauchen dringend eine öffentliche Debatte darüber, welche Bereiche wirklich systemrelevant sind und in welchen Branchen wir stark Energie einsparen können."

Zu den Neuberechnungen der tatsächlichen CO2-Einsparungen gesellen sich Zweifel über die Qualität der Gutachten, welche die Landesregierung der Entscheidung zugrunde legt. Bereits gestern hatte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtet, dass die Gutachten unter hohem Zeitdruck und mit knapper Quellenlage erstellt wurden, häufig mussten die Gutachter*innen auf Daten von RWE zurückgreifen.

Heute beginnt der Bundesparteitag der Grünen in Bonn. Gemeinsam mit der Anti-Atom-Initiative .ausgestrahlt und vielen weiteren Gruppen demonstriert Alle Dörfer Bleiben vor dem Parteitag für eine klimagerechte Politik. Durch die Vereinbarung mit RWE soll auch das bedrohte Dorf Lützerath am Tagebau Garzweiler II zerstört werden. Im Dorf selbst gibt es jeden Sonntag um 12 Uhr am Wendehammer geführte Spaziergänge durch die Gegend, eine Anmeldung ist nicht nötig.

Thread der Forschungsgruppe Fossil Exit Group zu den Berechnungen:
https://twitter.com/FossilExit/status/1580678860752187392

weitere Informationen:
https://www.alle-doerfer-bleiben.de

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Quelle:
Alle Dörfer bleiben
Pressemitteilung - 14.10.2022
Email: info@alle-doerfer-bleiben.de
www.alle-doerfer-bleiben.de

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 18. Oktober 2022

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