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MASSNAHMEN/334: Querschnittsnormung der Biotechnologie - Expertenwissen gesucht! (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1011, vom 25. März 2013, 32. Jahrgang

Querschnittsnormung der Biotechnologie - Expertenwissen gesucht!



Im Bestreben möglichst alle Produktions-, Dienstleistungs- und Lebensbereiche zu normen, hat die Internationale Standardisierung-Organisation (ISO) jetzt auch die Biotechnologie ins Visier genommen. Das Deutsche Institut für Normung (DIN) findet die Idee Klasse und ist erpicht darauf, die Sekretariatsführung für den geplanten ISO-Normungs-Ausschuss zu übernehmen. Voraussetzung ist allerdings, dass für die Führung des Sekretariats eine Finanzierung in der Größenordnung von mehreren 100.000 Euro festgezurrt werden kann. Die Summe soll zu jeweils einem Drittel seitens der interessierten Industrie sowie vom Bundesforschungsministerium und vom DIN selbst aufgebracht werden. Da es sich bei dem geplanten Normungsvorhaben um eine "Querschnittsnorm" handelt, sollen sämtliche Sektoren erfasst werden, die unter dem Stichwort "Biotechnologie" subsummiert werden können.

Dabei geht es um die weiße, die rote und die grüne Biotechnologie - wobei "weiß" die Sektoren der industriellen Biotechnologie umfasst, bei denen es beispielsweise um den enzymatischen Aufschluss von Holzbestandteilen geht, aus denen dann biobasierte Produkte oder Agrotreibstoffe der zweiten Generation hergestellt werden können. Die rote Biotechnologie kennzeichnet die medizinischen Anwendungsgebiete - also beispielsweise die Züchtung von künstlichem Gewebe, Knochen, Zähnen sowie die Diagnostik mit Hilfe von biotechnologischen Verfahren. Mit grüner Biotechnologie werden die Anwendungsgebiete umschrieben, bei denen es um die gentechnische "Optimierung" von Pflanzen geht - um beispielsweise biogene Rohstoffe so wachsen zu lassen, dass sie optimale Voraussetzungen mitbringen, um sie zu biobasierten Produkten weiterverarbeiten zu können. Im weitesten Sinne könnte auch eine Kläranlage als biotechnologischer Reaktor bezeichnet werden, da in den Belebtschlammbecken mit Hilfe einer angepassten Bakterienlebensgemeinschaft und einer künstlichen Belüftung das Abwasser gereinigt wird. Da viele Begrifflichkeiten und Zuordnungen noch ziemlich nebulös sind, soll sich eine Working Group in dem geplanten ISO-Ausschuss vornehmlich der "Terminologie" widmen, damit international einheitliche Fachbegriffe vereinbart werden können.

Wie sich bei einer Auftaktsitzung des DIN am 03. Dez. 2012 gezeigt hat, ist der Bereich des Ressourcen- und des Umweltschutzes in den bislang angedachten Working Groups (siehe Kasten) noch ziemlich unterbelichtet - was auch daran liegt, dass die Biotechnologie per se als weniger umweltschädlich als die altbekannten Verfahren der traditionellen Industrie mit ihrem hohem Ressourcen- und Energieverbauch gilt. Soweit es die Anlagensicherheit bei biotechnologischen Verfahren geht, haben die USA sowie weitere Länder bereits ultimativ wissen lassen, dass dieses Thema auf keinen Fall in dem geplanten ISO-Ausschuss behandelt werden darf. Diesem Standpunkt haben sich deutsche Industrievertreter auf der DIN-Auftaktsitzung am 03. Dez. letzten Jahres nachdrücklich angeschlossen. Der Bereich der Anlagensicherheit sei bereits durch nationale und internationale Regelwerke derart (über-)reglementiert, so dass es diesbezüglich keinen weiteren Normungsbedarf geben würde. Sollte das Normungsprojekt beim Zustandekommen einer gesicherten Finanzierung im Frühjahr 2013 definitiv auf die Schiene gesetzt werden, wird es auch darum gehen, die Aspekte des Umwelt- und Ressourcenschutzes in die Normungsarbeit einzubringen. Falls sich unter unseren LeserInnen Experten mit ausgewiesener Fachkunde in biotechnologischen Anwendungsgebieten befinden, können sich diese für eine mögliche Mitarbeit im deutschen "Spiegelgremium" an uns wenden. Im "DIN-Spiegelausschuss" werden "die deutschen Standpunkte" festgeklopft, mit denen die deutsche Delegation dann in internationalen Sitzungen auf der ISO-Ebene argumentieren wird.


Fachkundige für die ISO-Normung der Biotechnologie gesucht!
Bei der zweiten Auftaktsitzung des DIN zur geplanten ISO-Normung der "Biotechnology" am 03. Dez. 2012 in Berlin haben wir vorsorglich für folgende drei (von sieben geplanten) Arbeitsgruppen (Working-Groups) Interesse an einer Mitarbeit angemeldet:
- Verfahren und Methoden
- Bio-Ressourcen
- Bio-Reaktoren
Da eine kontinuierliche Mitarbeit in diesen Gremien unserer Arbeitskapazität überfordern würde, hängt die Vertretung des Umweltschutzes vom Interesse der ökoaffinen Fachöffentlichkeit ab. Ein ausführliches Protokoll der Auftaktsitzung aus unserer subjektiven Sicht kann von unseren AbonnentInnen via nik@akwasser.de kostenlos angefordert werden. [Wer übrigens das Begriffepaar "Biotechnologie Gewässerschutz" in eine Suchmaschine eingibt, findet gerade Mal drei Teffer - die zudem inhaltlich nichts hergeben. Es gibt also noch viel zu tun ...]

Wenn beim Biomining der Schwefelsäuretank havariert

Ein Beispiel für biotechnologische Verfahren mit hohem Wassergefährdungspotenzial ist das "Biomining". Dabei werden Metalle aus Altlasten, Abraumhalden sowie aus Rohstoffvorkommen mit niedrigen Metallgehalten mit Hilfe von säureresistenten Bakterien ausgelaugt. Wie die NZZ in ihrer Rubrik "Forschung und Technik" am 16.05.12 unter der Überschrift "Bakterien als Minenarbeiter - Biotechnologische Gewinnung wertvoller Metalle aus Gestein und Elektronikschrott" meldete, seien im Jahr 2011 bereits 8 Prozent des Kupfers mit Hilfe des Biominings gewonnen worden - vor allem in Chile, den USA und in Peru. Auch in Deutschland sei man dabei, die bakterielle Biolaugung zur Metallgewinnung aus Aschen und Bergbauhalden zur Anwendung zu bringen. Die Biolaugung funktioniert in der Regel so, dass Erze, Abraum oder auch Elektroschrott fein gemahlen werden. Das Mehl wird zu Mieten aufgeschichtet, wobei die Mieten belüftet und mit einer Säure berieselt werden. Aus dem Gesteins- oder Schrottbrei lösen spezialisierte Bakterien dann die gewünschten Metalle heraus. Aus der aufgefangenen Säure lassen sich die Metalle vergleichsweise rein ausfällen. Forschungsanstrengungen haben derzeit das Ziel, mit nur einer Laugung möglichst viele verschiedene Metalle zu gewinnen.

Für die Mehrfachgewinnung von Metallen aus gemahlenem Elektro- und Elektronikschrott werden Bakterien und Pilze mit Glycin als "Futter" versorgt. Die Mikroorganismen stellen daraus das giftige Zyanid her (mikrobielle Cyanogese durch oxidative Decarboxylierung von Glycin), mit denen die Metalle in Lösung gebracht werden können. Biomining hat den Umweltvorteil, dass weniger Energie als bei der traditionellen Erzschmelze mit ihren giftigen Abgasemissionen benötigt wird. Gleichwohl besteht ein erhebliches Umweltgefährdungspotenzial, wenn Schwefelsäure aus den Tanks ausläuft oder bei offenen Verfahrensabläufen die zirkulierende Säure und/oder zyanidhaltige Abwässer in Grund- und Oberflächengewässer gelangen.


Weiße Biotechnologie - weg vom Erdöl, hin zur Biomasse

Das stark wachsende Interesse der Chemiebranche an biotechnologischen Verfahrensschritten rührt daher, dass man sich schrittweise vom CO2-trächtigen Erdöl unabhängiger machen will. Kunststoffe sollen künftig mit Hilfe der "Weißen Biotechnologie" immer öfters aus pflanzlichen Biomassen hergestellt werden. So will BAYER beispielsweise von Mikroorganismen aus Maisstärke Bernsteinsäure synthetisieren lassen. Die aus dem Bioreaktor gewonnene Bernsteinsäure könnte dann zunehmend die erdölbasierte Adipinsäure ersetzen. Ähnlich wie aus Adipinsäure kann auch aus der biogenen Bernsteinsäure unter Zumischung von (toxischem) Isocyanat Polyurethan hergestellt werden. Aus aufgeschäumtem Polyurethan lassen sich wiederum Dämmmaterialien, Polsterschäume und Fußballinnereien fabrizieren. Zu den vielversprechenden Perspektiven schreibt der Chemiekonzern in "BAYER RESEARCH 24" in dem Aufsatz "Bio-Chemikalien aus der Bakterienfabrik - Kunststoffe: Weiße Biotechnologie reduziert CO2-Emissionen in der Produktion" (S. 55-57):

"Schon in ein bis zwei Jahren könnte die weltweite Bernsteinsäure-Produktion die 60.000-Tonnen-Marke erreichen. Eine OECD-Studie prognostiziert sogar, dass im Jahr 2030 etwa 39 Prozent der gesamten Wertschöpfung in der chemischen Industrie aus biotechnologischen Produkten und Prozessen stammen."

Derzeit würde die weiße Biotechnologie bereits neun Prozent aller verkauften Chemieprodukte liefern. Um den Grundsatz "Food first!" zu erfüllen, will man künftig die Maisstärke durch den Aufschluss von Stroh, Holz und landwirtschaftlichen Abfällen ersetzen (siehe Kasten).

Mehr Infos aus Sicht von BAYER unter:
www.research.bayer.de/nachwachsende-rohstoffe


Biogene Abfall- und Holzressourcen: "Bis zum Ural!"
Wie realistisch ist das Vorhaben, der Chemiebranche überwiegend biogene Abfälle mittels der weißen Biotechnologie zu biogenen Produkten zu veredeln? Nach unserer Einschätzung dürfte es gar nicht so viele biogene Abfallprodukte geben, um die OECD-Prognose auch nur annähernd erfüllen zu können. Zudem gibt es jetzt schon einen kostentreibenden Konkurrenzkampf um biogene Abfallstoffe zwischen Agrosprit-Produzenten und der Chemiebranche - ganz zu schweigen von der Notwendigkeit, biogene Abfallstoffe - beispielsweise Stroh - zur Auffüllung der Humusbasis in die Äcker zurückzuführen. Und bei den Holzressourcen wird es jetzt schon knapp. Die "umweltfreundliche" Zufeuerung von Holz in Kohlekraftwerken, die Holzpelletfabrikanten, die Sägewerke, die Chemiebranche sowie die Möbel- und Bauholzindustrie konkurrieren in zunehmendem Maße um heimische und ausländische Hölzer. In Sachsen-Anhalt wird derzeit eine Bioraffinerie projektiert, die Hölzer aus den großen sachsen-anhaltinischen Forsten zu Rohstoffen für biobasierte Produkte transformieren soll. Fachleute unken aber jetzt schon, dass die angestrebten Tonnagen nur produziert werden können, "wenn die Rohstoffbasis bis zum Ural ausgedehnt wird".

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1011
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2013