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ROHSTOFFE/042: Elektromobilität - Deutschland und die rohstoffreiche Welt (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 174 - Juni/Juli 2013
Die Berliner Umweltzeitung

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Deutschland und die rohstoffreiche Welt
Partnerschaft auf Augenhöhe?! Wie eine alternative Rohstoffpolitik aussehen könnte

von Peter Fuchs und Nora Rohde



Eine Million Elektro- und Hybridautos wünscht sich die Bundesregierung bis 2020 auf Deutschlands Straßen - ein hehres Ziel, das auch von den Ländern Berlin und Brandenburg tatkräftig unterstützt wird. Dass mit dem Ausbau der Elektromobilität ein enormer Rohstoffbedarf einhergeht, wurde in der letzten RABE RALF-Ausgabe thematisiert. Die erhöhte Nachfrage nach metallischen und kritischen Rohstoffen führt in den Förderländern, in vielen Fällen Schwellen- und Entwicklungsländer im globalen Süden, zu einer Ausweitung und Intensivierung der Bergbauaktivitäten. Umweltstandards, bürgerliche und politische sowie die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte werden dabei systematisch unterlaufen und verletzt, um den globalen Rohstoffhunger zu stillen. Eine alternative Rohstoffpolitik in Deutschland und Europa ist notwendig mit dem Ziel, den Schutz der Umwelt sowie der Menschenrechte und Sozialstandards in den Mittelpunkt zu stellen. Nur so kann der Ausbau der Elektromobilität sozial und ökologisch vertretbar werden.

Deutschlands derzeitige Rohstoffstrategie zielt darauf ab, die Versorgung der deutschen Industrie zu sichern. Sogenannte "Bilaterale Rohstoffpartnerschaftsabkommen" zwischen Deutschland und rohstoffreichen Ländern spielen bei der Umsetzung dieser Strategie eine wichtige Rolle. Solche Abkommen wurden bereits mit der Mongolei (2011) und Kasachstan (2012) ausgehandelt. Mit Chile, einem der weltweit größten Kupferexporteure, kam es Anfang des Jahres zu einem Rohstoffabkommen, und auch mit Peru bahnt sich eine bilaterale Rohstoffpartnerschaft an. Doch von Partnerschaften auf Augenhöhe kann dabei keine Rede sein. Prof. Dr. Markus Krajewski von der Universität Erlangen-Nürnberg kommt in einer kritischen Studie zu deutschen Rohstoffabkommen zu dem Ergebnis, dass "die Rohstoffabkommen der Bundesregierung [...] wichtige soziale, entwicklungs-, umwelt- und handelspolitische Aspekte außer Betracht" (*) lassen.

Partnerschaften auf Augenhöhe sind möglich

Im Zuge dieser Studie entwickelt Krajewski den Entwurf eines alternativen Rohstoffabkommens, in dem, anders als in der derzeitigen Strategie der Bundesregierung, ökologische, soziale und Menschenrechte geachtet und gefördert werden. Es setzt auf folgende Kernelemente:

Nachhaltige Entwicklung: Eine umweltfreundliche Rohstoffbewirtschaftung beinhaltet die Durchführung international anerkannter Umweltverträglichkeitsprüfungen. So können schon im Vorfeld die direkten und indirekten Auswirkungen potentieller Bergbauprojekte auf die Umwelt festgestellt werden. In einer Rohstoffpartnerschaft muss gemeinsam an der Umsetzung strenger Umweltstandards gearbeitet werden. Deutschlands Rohstoffbedarf sollte nicht auf Kosten der Umwelt in den Abbaugebieten gestillt werden.

Stärkere Bürgerbeteiligung: Nicht nur die Auswirkungen auf die Umwelt, auch die Folgen für die Bevölkerung in den Abbauregionen müssen mehr Gewicht in der Rohstoffpolitik Deutschlands bekommen. Partnerschaftsabkommen müssen vor dem Hintergrund geschlossen werden, dass die betroffene Bevölkerung vor Ort ein Mitspracherecht erhält, wenn es um die Erschließung neuer Rohstoffvorkommen oder die Erweiterung bestehender Tagebaue geht. Denn häufig verlieren die Menschen vor Ort nicht nur ihre Wirtschaftsgrundlage, sondern sind gezwungen, ihr angestammtes Land zu verlassen ohne ausreichend entschädigt zu werden.

Transparenz: Erst kürzlich hat die EU beschlossen, die Transparenzrichtlinien für Erdöl-, Erdgas-, Bergbau- und Forstunternehmen zu verschärfen. Ab 2015 müssen große europäische Unternehmen sowie alle Nicht-EU-Konzerne dieser Branchen, die an europäischen Börsen gelistet sind, Zahlungen über 100.000 Euro, aufgeschlüsselt nach Land und Projekt offenlegen. Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Stärkung der Zivilgesellschaft in den Abbauländern, die nun zunehmenden Druck auf ihre Regierung ausüben kann, wenn Gewinne aus diesen Sektoren nicht nachvollziehbar und im öffentlichen Interesse eingesetzt werden. Bis die Offenlegungspflicht voraussichtlich mit Beginn des Jahres 2015 in Kraft tritt, sind Zahlungen von Rohstoffkonzernen an Regierungen und öffentliche Institutionen hauptsächlich durch die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) geregelt; jedoch nur auf freiwilliger Basis. Daher ist es von großer Bedeutung, im Rahmen der Rohstoffpartnerschaftsabkommen Deutschlands die Einhaltung von Transparenzstandards verbindlich zu machen und deren Nichteinhaltung durch Finanzierungsstopps zu bestrafen.

Unternehmensverantwortung: Bergbauunternehmen agieren multinational. Mit ihren Aktivitäten auf allen Kontinenten der Erde beeinflussen sie die verschiedensten Lebensbereiche der Menschen. Profitmaximierung steht dabei häufig im Vordergrund; Menschenrechte und Umweltschutz fallen hinten runter. Doch Unternehmen sind verantwortlich für die Auswirkungen ihres Handelns, sowohl im positiven als auch im negativen Sinn. Daher liegt es auch in ihrer Verantwortung, Menschenrechtsverletzungen, wie sie im Zusammenhang mit Bergbauaktivitäten häufig vorkommen, vorzubeugen und, im Falle von Verstößen, diese wiedergutzumachen. Menschenrechtliche Risiken müssen daher im Vorfeld identifiziert und die Ergebnisse in den Entscheidungsprozess integriert werden. Sorgfaltspflichten für Unternehmen müssen in Rohstoffabkommen verbindlich verankert und bei Verstoß entsprechend sanktioniert werden.

Alternative Rohstoffpolitik - Arbeitskreis Rohstoffe

Rohstoffpolitisch aktive Nichtregierungsorganisationen in Deutschland koordinieren ihre Aktivitäten seit einigen Jahren im Arbeitskreis Rohstoffe. Die Gruppen arbeiten auf eine Reformierung der deutschen und europäischen Rohstoffpolitik hin, die sozialen und ökologischen Standards Prioritäten einräumt. Im Oktober wird es in diesem Zusammenhang eine "Alternative Rohstoffwoche" der Zivilgesellschaft geben, bei der Aktionen unterschiedlichster Art (z.B. Theaterstücke, Ausstellungen, Workshops, Exkursionen) an verschiedenen Orten in Deutschland durchgeführt werden. Wer Interesse hat, sich aktiv an der Alternativen Rohstoffwoche zu beteiligen und einen eigenen Beitrag zu leisten, ist herzlich eingeladen, sich bei Michael Reckordt (Michael.Reckordt[at]power-shift.de) zu melden, der für die Koordinierung des Arbeitskreises Rohstoffe und der Alternativen Rohstoffwoche verantwortlich ist.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
• Umweltzerstörung - riesiges Kupfer-Tagebauloch in Chile
• Südamerika - künstlerische Protestkultur

* Markus Krajewski: "Studie: Deutsche Rohstoffpartnerschaften brauchen breitere Basis!";
online: http://reinhardbuetikofer.eu/2012/10/08/studie-deutsche-rohstoffpartnerschaften-brauchen-breitere-basis/

Weitere Informationen: http://power-shift.de

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Quelle:
DER RABE RALF - 23. Jahrgang, Nr. 174 - Juni/Juli 2013, Seite 22
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2013