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VERPACKUNG/237: Biokunststoffe - Kann denn Plastik bio sein? (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 1/2011
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

»Biokunststoffe«
Kann denn Plastik bio sein?

von Heribert Wefers


Ressourcenverbrauch, Vermüllung der Landschaft, gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe: Der BUND hat wiederholt auf die vielen Probleme von Plastik hingewiesen. Nun kommen biologisch abbaubare Kunststoffe mit dem Attribut »bio« auf den Markt. Ob das Sinn ergibt, ist mehr als fraglich.


Auf Verpackungsfolien, Biomüllsäcken und Plastiktüten findet sich immer häufiger das aufgedruckte Symbol eines Keimlings und der Hinweis »kompostierbar«. Auch Plastikbesteck, Handygehäuse oder Folien für die Landwirtschaft werden als biologisch abbaubar angeboten. Sie können aus nachwachsenden Rohstoffen (Stärke, Milchsäure, Zellulose), aber auch aus Erdöl oder Erdgas hergestellt sein.

Laut dem Branchenverband »European Bioplastics« sind auch solche Materialien Biokunststoffe, die zwar aus nachwachsenden Rohstoffen erzeugt, doch nicht zwingend biologisch abbaubar sind. Schließlich sind noch sogenannte »oxo-abbaubare« Kunststoffe auf dem Markt: Sie enthalten Metallpartikel, die eine Zersetzung des konventionellen Kunststoffs durch Lichteinwirkung hervorrufen. Mit biologischem Abbau hat das erst einmal nichts zu tun.


Umweltnutzen fraglich

Nachwachsende Rohstoffe wie die Maisstärke landwirtschaftlich zu erzeugen ist sehr energieintensiv und mit hohen CO2-Emissionen verbunden. Berücksichtigt man Bewässerung, Pestizide und Düngemittel sowie die Treibstoffe für landwirtschaftliche Maschinen, so ist Plastik aus pflanzlichen Rohstoffen mindestens genauso umweltschädlich wie Kunststoff aus Erdöl - das hat die Universität Pittsburgh jüngst ermittelt. Auch langlebige Produkte aus Biokunststoff (wie Handygehäuse) lassen noch viele Fragen zur Entsorgung und Ökobilanz offen. Die Konkurrenz zwischen der Lebensmittel- und Rohstofferzeugung in der Landwirtschaft führt zudem weltweit zu Engpässen bei der Ernährung.

Besonders problematisch erscheint die Verwendung biologisch abbaubarer Kunststoffe auf Basis fossiler Rohstoffe. Weder werden so Ressourcen geschont, noch zeigt die stoffliche Verwertung Vorteile. Bei »oxoabbaubaren« Plastiktüten aus recycelter Folie kommt hinzu, dass beim Abbau die gesundheitsschädlichen Zusatzstoffe aus den ursprünglichen Folien wieder freiwerden können.


Entsorgung und Verwertung

»Kompostierbar« heißt nicht, dass sich die Folien oder Plastikflaschen auf dem Komposthaufen oder in der kommunalen Kompostieranlage wirklich zersetzen. Versuche zeigten, dass die üblichen Kompostierungszeiten (einige Monate) oft zu kurz sind. Es gibt zudem keine Sortiertechnik, die Biokunststoffe von »Fehlwürfen«, also fälschlich in der Biotonne gelandeten Plastiktüten unterscheiden kann: Alle Plastikfolien werden - ob sie nun abbaubar sind oder nicht - vor der Kompostierung aussortiert und gehen in die Müllverbrennung.

Fazit: Kunststoffe zu kompostieren ist eine Verschwendung von Ressourcen und Energie und kein ökologisch sinnvoller Weg der Verwertung. Auch das Umweltbundesamt hat dies deutlich gemacht.


Wegwerfartikel meiden

Kurzlebige Produkte wie Müllbeutel, Einkaufstaschen etc. sind ökologisch nicht sinnvoll. Als »bio« gekennzeichnet sorgen sie allenfalls für gutes Gewissen beim Verbraucher, der irrigerweise glaubt, sein Konsumverhalten nicht wirklich ändern zu müssen. Aber auch für längerlebige Kunststoffprodukte ist eine positive Umweltbilanz noch nicht bewiesen. Das Ergebnis könnte davon abhängen, ob die eingesetzten Rohstoffe aus dem Ökolandbau stammen. Hier fordert der BUND eine unabhängige und umfassende Ökobilanzierung. Der BUND empfiehlt, Biokunststoffen skeptisch zu begegnen. Wer umweltfreundlich handeln will, sollte Wegwerfartikel besser meiden - wo immer möglich.

Heribert Wefers ist der BUND-Experte für technischen Umweltschutz in der Bundesgeschäftsstelle. Mehr zum Thema: www.bund.net/plastik


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Immer verbreiteter: Tüten aus »Biokunststoff«.


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Quelle:
BUNDmagazin 1/2011, S. 29
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. September 2011