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AFRIKA/017: Ruanda - Agro-Sprit im Dienstwagen, Regierung setzt auf Anbau von Energiepflanzen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Oktober 2010

Ruanda: Agro-Sprit im Dienstwagen - Regierung setzt auf Anbau von Energiepflanzen

Von Fulgence Niyonagize und Jean de la Croix Tabaro


Kigali, 27. Oktober (IPS) - Ruandas Regierung hat ehrgeizige Pläne. Der Anbau von Energiepflanzen wie Ölpalmen, Jatropha und Moringa soll die Wälder schonen und das arme ostafrikanische Land von Rohölimporten unabhängig machen. Landauf, landab werben Wissenschaftler für die Regierungspläne, die angesichts ohnehin knapper Anbauflächen nicht nur auf Zustimmung stoßen.

Vor einigen Monaten ging in der ruandischen Hauptstadt Kigali der erste mit Agrodiesel betriebene Bus auf die Strecke, und Bildungsminister Charles Murigande wirbt derzeit für Agrosprit aus einheimischer Produktion, mit dem sein Dienstwagen betankt wird.

"Unserer Anlage kann täglich bis zu 2.000 Liter Biodiesel liefern und versorgt zwei unserer eigenen Fahrzeuge sowie etliche Dienstfahrzeuge", versicherte Théoneste Ishimwe, Techniker der Mulindi-Raffinerie in Kigali, die seit April Agrodiesel und -sprit produziert. Hier kostet ein Liter Agrodiesel derzeit umgerechnet 1,38 US-Dollar. Für die gleiche Menge bezahlt man an den Tankstellen umgerechnet 1,55 Dollar.

Das dazu benötigte Palmöl wird aus Goma in der benachbarten Demokratischen Republik Kongo (DRC) importiert. "In der DRC gibt es genug davon, während das in Ruanda produzierte Palmöl nicht einmal für den einheimischen Bedarf reicht", erklärte der Wissenschaftler Jean Baptiste Nduwayezu, Generaldirektor des ruandischen Instituts für Forschung und Technik (IRST).

Er und seine Mitarbeiter informieren seit Produktionsbeginn der Agrodiesel-Anlage in Kigali die lokalen Behörden, die Privatwirtschaft und die Bevölkerung über den Anbau von Ölpalmen, Jatropha, Soja oder Moringa ('Wunderbaum').


"Erdölimporte werden immer teurer"

"Ruandas Binnenlage und der wachsende Bedarf an Erdölprodukten macht sich sogar im Alltagsleben eines einfachen Hügelbewohners bemerkbar, der teure Importwaren wie Seife oder Petroleum für die Lampen in seinem Haus einkauft", erklärte Nduwayezu seinen Zuhörern.

In Nyaruguru im südlichen Bezirk Kivu scheint seine Überzeugungsarbeit Erfolg zu haben. "Energie kostet uns hier ein Vermögen", klagte ein Zuhörer. "Wenn Energiepflanzen angebaut würden, brauchten wir für den täglichen Bedarf kein Brennholz mehr." In Ruanda sind Brennholz und Holzkohle für die meisten Haushalte unverzichtbare Energiequellen.

Auch der von der Regierung forcierte Anbau von Energiepflanzen als Rohstoff für Agrokraftstoff wird in manchen Regionen von kommunalen Autoritäten unterstützt. Im westlichen Bezirk Ngororero hat Distriktbürgermeister Cyprien Nsengimana bereits Pionierarbeit geleistet. Im Mai wurden in Nyange 4.000 Jatrophabüsche angepflanzt, deren Früchte besonders ölhaltig sind.

"Jede Familie sollte auf ihrem Land mindestens 100 Jatrophapflanzen stehen haben, entweder zwischen anderen Kulturen oder am Straßenrand", betonte er. Ruanda ist eines der am dichtesten bevölkerten Länder weltweit. Hier leben knapp elf Millionen Menschen auf 26.338 Quadratkilometern.

Andere Landbewohner bleiben angesichts der in Kigali entworfenen Energieförderpläne skeptisch. So etwa hatten Bauern im Osten vor sieben Jahren Moringa in der Hoffnung angebaut, mit dem als Rohstofflieferant für Heilmittel bekannten Baum hohe Gewinne zu erzielen. Das jedenfalls hatte man ihnen versprochen. Doch als sie ihre Ernten unkontrolliert an ambulante Händler abgaben, wurde der Verkauf verboten.

Als Ersatz lieferte ihnen das staatliche Programm für landwirtschaftliche Unterstützung (RSSP) eine Ölmühle, doch auch diese Hoffnung auf zusätzliche Einnahmen zerschlug sich bald. "Wir sollten das Öl verkaufen, doch leider funktionierte die Maschine nur eine Woche lang, und auf Ersatzteile mussten wir ein Jahr warten", beschwerten sich die Bauern.


Bauern bleiben skeptisch

Andere klagten über immer neue, schwer verständliche agrarpolitische Entscheidungen. "Hier im Westen bauen die Menschen Viehfutter an. Es muss eine neue, ausgewogene Agrarpolitik geben, die für jedes Gebiet eine gleiche Flächennutzung vorsieht", forderten sie.

Der Entwicklungsexperte Jean Uwizeyimana stellte fest: "Im kleinen Ruanda muss die gesicherte Lebensmittelversorgung der Bevölkerung Vorrang haben. Ein Energieprojekt, wie es die Regierung plant, kann nur in einem so großen Land wie Brasilien Erfolg haben."

Solche Bedenken versucht Ruandas Forstministerium zu zerstreuen. Man brauche für Energiepflanzen kein Ackerland, wenn man sie entlang von Straßen und am Straßenrand oder entlang von Gräben anpflanzt, betont die Behörde.

Als Energiepflanzen, die nicht mit ertragreichem Ackerland konkurrieren müssen, wären die anspruchslosen, langlebigen Jastrophabüsche besonders für Ruandas Süd- und Westprovinz mit ihren trockenen und semiariden Böden besonders geeignet. Schon nach 18 Monaten können die ersten Früchte geerntet werden. Ihr Öl ist ungenießbar und als Rohstoff für Agrodiesel besser geeignet als Palmöl aus den versuchsweise im Norden angelegten Ölpalmenplantagen.

Der Informationschef des IRST, Eric Kanshahu, versichert, wenn auf 225.000 Hektar oder acht Prozent der Landfläche Energiepflanzen angebaut würden, wäre Ruanda von Dieselimporten unabhängig.

Nach Meinung anderer einheimischer Wirtschaftsspezialisten geht diese Rechnung nicht auf. "In Ruanda gibt es große Tee- und Kaffeeplantagen, die als wichtige Einnahmequelle für das Land unverzichtbar sind. 50 Prozent des Staatsbudgets stammen aus internationaler Hilfe, doch die andere Hälfte wird mit Steuern und Zöllen verdient", rechnete ein Experte vor und fügte hinzu: "Den Verlust der Treibstoffsteuer würde der Staat niemals akzeptieren. (Ende/IPS/mp/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Oktober 2010