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ARTENRAUB/248: Gefährdete Giganten - Große Süßwasser-Tierarten am stärksten vom Aussterben bedroht (idw)


Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) - 13.03.2017

Gefährdete Giganten

Große Süßwasser-Tierarten sind weltweit am stärksten vom Aussterben bedroht


Süßwasser-Megafauna wie Flussdelfine, Krokodile oder Störe haben eine enorm große Bedeutung für ihr jeweiliges Ökosystem. In einer aktuellen Fachpublikation zeigen Forscher des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) gemeinsam mit internationalen Kollegen, wodurch diese großen Wirbeltierarten heute bedroht sind, und rufen dazu auf, sie gründlicher zu erforschen und besser zu schützen. So könnten auch Süßwasserökosysteme, die weltweit besonders stark vom Rückgang der Biodiversität betroffen sind, insgesamt effektiver bewahrt werden.


Außerhalb des Wassers: Kopf des Wals und Teil einer Flosse - Foto: © Huigong Yu

Zu den stark bedrohten Tierarten gehört auch Jangtse-Glattschweinswal (hier im Poyang-See in China).
Foto: © Huigong Yu

Viele große aquatische Wirbeltierarten, sogenannte Süßwasser-Megafauna, legen lange Wegstrecken zwischen ihren Brut- und Futterplätzen zurück. Sie sind auf durchgängige Fließgewässer angewiesen. Das macht sie jedoch besonders anfällig für die zunehmende Fragmentierung von Flussgebieten durch Dämme. Diese versperren beispielsweise dem Russischen Stör den Zugang zu 70 Prozent seiner Laichplätze vom Kaspischen Meer aus sowie sämtliche Laichplätze, die ursprünglich vom Schwarzen Meer aus erreichbar waren. Auch viele andere Arten wie die Amazonas-Seekuh, der Ganges-Flussdelfin und der Mekong-Riesenwels sind vom Staudammboom betroffen und gelten inzwischen als bedroht. "Die Fragmentierung von Lebensräumen ist neben der Übernutzung von Binnengewässern eine der zentralen Bedrohungen für Süßwasser-Megafauna", sagt Fengzhi He. Der IGB-Wissenschaftler ist Hauptautor der Studie über das Verschwinden großer Wirbeltierarten aus Flüssen und Seen, die kürzlich in der Fachzeitschrift WIREs Water erschienen ist. Weltweit seien mehr als die Hälfte der Wirbeltiere, die in Süßwasserökosystemen leben und ausgewachsen mindestens 30 Kilogramm Gewicht auf die Waage bringen, nach der Roten Liste gefährdeter Arten der Weltnaturschutzunion (IUCN) gefährdet oder sogar akut vom Aussterben bedroht.


Das Bild zeigt einen Meeresabschnitt mit aus dem Wasser ragenden Rücken oder Rückenflossen von Säugern, darüber einen Schwarm Vögel - Foto: © Huigong Yu

Beifänge in der Fischerei, Kollisionen mit Bootsverkehr, Verschmutzung und der Verlust von Lebensräumen lassen die Bestände kontinuierlich schrumpfen.
Foto: © Huigong Yu

Dabei spielt die Süßwasser-Megafauna eine Schlüsselrolle in ihren jeweiligen Ökosystemen: Aufgrund ihrer Größe stehen viele Megafauna-Arten an der Spitze der Nahrungskette, ihre Ausrottung hätte Einfluss auf die meisten anderen Lebewesen im lokalen Ökosystem. So gestaltet beispielsweise der eurasische und amerikanische Biber durch seine Lebensweise ganze Flussläufe, was unter anderem Auswirkungen auf biochemische und hydrologische Prozesse hat; Mississippi-Alligatoren schaffen und erhalten in den Everglades kleine Teiche, die Lebensraum für viele Pflanzen und kleinere Tiere sind. "Die Bedeutsamkeit von Süßwasser-Megafauna für die Biodiversität und für den Menschen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden", so Fengzhi He. In der vorliegenden Publikation beschreibt er gemeinsam mit Kollegen der IUCN, der Universität Tübingen und der Queen Mary University of London, welche Faktoren Süßwasser-Megafauna bedrohen. Neben dem Verbau und der Fragmentierung der Gewässer durch Dämme sind dies Übernutzung, Umweltverschmutzung, Lebensraumzerstörung und Arteninvasion sowie die mit dem Klimawandel einhergehenden Änderungen.

Was Megafauna-Arten für den Einfluss von außen besonders anfällig macht, sind ihre lange Lebenserwartung, stattliche Körpergröße, späte Geschlechtsreife und geringe Fruchtbarkeit, so die Autoren. Trotz der akuten Bedrohung vieler Arten wurden sie in bisherigen wissenschaftlichen Bestrebungen zur Erforschung und zum Erhalt weitgehend vernachlässigt. Fengzhi He und seine Co-Autoren fordern, Verbreitungsmuster, Lebensgeschichte und Populationsdynamik von Süßwasser-Megafauna besser zu erforschen. Da Binnengewässer zu den weltweit am stärksten bedrohten Ökosystemen zählen und der Verlust der Biodiversität hier schneller voranschreitet als in marinen und terrestrischen Systemen, sei es umso wichtiger, nachhaltige Naturschutzstrategien für Süßwasserökosysteme und ihre Süßwasser-Megafauna zu entwickeln.


Studie:
He, F., Zarfl, C., Bremerich, V., Henshaw, A., Darwall, W., Tockner, K. and Jähnig, S. C. (2017), Disappearing giants: a review of threats to freshwater megafauna. WIREs Water, e1208. doi:10.1002/wat2.1208


Link zur Studie
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/wat2.1208/full

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news669405

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1985

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB),
Angelina Tittmann, 13.03.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2017

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