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CHEMIE/037: Lateinamerika - Gefahr durch Quecksilber, Exportverbote treiben Nachfrage hoch (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. April 2014

Lateinamerika: Quecksilber bleibt eine Gefahr - Exportverbote in EU und USA treiben Nachfrage hoch

von Emilio Godoy


Bild: © Thelma Mejía/IPS

Quecksilber kommt in Lateinamerika vor allem im informellen Goldbergbau zum Einsatz
Bild: © Thelma Mejía/IPS

Mexiko-Stadt, 9. April (IPS) - In Lateinamerika kommt Quecksilber vor allem im informellen Bergbau zum Einsatz und wird unter anderem durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe freigesetzt. Die Quecksilberexportverbote der EU und USA 2011 und 2013 haben dem regionalen Handel mit dem hochgiftigen 'flüssigen Silber' offenbar Vorschub geleistet.

"Die Ausfuhren Mexikos haben sich in den vergangenen Jahren verdreifacht", berichtet Ibrahima Sow, Experte für Klimawandel und Chemikalien der Globalen Umweltfazilität (GEF). "Und Aktivitäten wie die Extraktion von Gold aus wiederaufbereiteten Elektroartikeln nehmen ebenfalls zu."

Seit Oktober letzten Jahres gibt es die Übereinkunft zur Begrenzung von Quecksilberemissionen, die ab 2020 die Erschließung neuer Quecksilberminen verbietet und die sukzessive Schließung der bestehenden Bergwerke vorsieht. Maßnahmen zur Überprüfung der Luftqualität sind ebenso geplant wie die staatliche Regulierung des informellen und kleinen Goldbergbaus. Darüber hinaus sollen Produktion und Handel mit quecksilberhaltigen Erzeugnissen wie etwa Batterien, Kosmetika und Thermometern untersagt werden und die Lagerung und Entsorgung der giftigen Rückstände Mindeststandards unterliegen.

Von den 97 Unterzeichnerstaaten der sogenannten Minamata- oder 'Quecksilberkonvention', darunter 18 Länder Lateinamerikas und der Karibik, haben bisher lediglich die USA den Vertrag ratifiziert. Erst wenn weitere 49 Staaten dem Beispiel Washingtons folgen, kann das Abkommen in Kraft treten.


Quecksilber kann tödlich sein

Minamata ist eine Stadt in Japan, in der in den 1950er Jahren neurologische Erkrankungen entdeckt wurden, die durch eine schwere Quecksilbervergiftung ausgelöst worden waren. Als Ursache wurde das in Industrieabwässern eines Chemiewerks des Chisso-Konzerns entdeckte Methylquecksilber ausgemacht, das die Einwohner der Stadt durch den Verzehr von Fisch und Schalentieren aufgenommen hatten, die mit der neurotoxischen krebserregenden Chemikalie verseucht waren.

Die Kontamination erfolgte in den Jahren 1932 bis 1968. Bis 2001 wurden offiziell 2.265 Opfer anerkannt. Mindestens 100 starben an den Folgen der Krankheit. In Lateinamerika wird Quecksilber im informellen Goldbergbau verwendet und findet sich in medizinischen Krankenhausgerätschaften. Die Emissionen entstehen zudem bei der Extraktion, Raffinierung, dem Transport und der Kohleverbrennung sowie in Wärmekraftwerken und in Stahlwerken.

Quecksilber wird in mehrere Länder eingeschmuggelt. "Es ist schwierig, die Menge der illegalen Importe zu benennen", sagt der stellvertretende kolumbianische Umweltminister Pablo Vieira. "Jeder weiß, dass die informellen und kleinen Bergwerke geschmuggeltes Quecksilber verwenden, das vor allem aus Peru und Ecuador kommt."

Das internationale Bündnis 'Mercury Watch' gibt die Quecksilberemissionen in Lateinamerika im Jahr 2010 mit 526 Tonnen an. Kolumbien dürfte demnach mit 180 Tonnen Spitzenreiter gewesen sein.

Wie aus einer 2013 veröffentlichten Untersuchung des Weltumweltprogramms UNEP hervorgeht, wurden durch menschliche Aktivitäten 1.960 Tonnen Quecksilberemissionen freigesetzt. Den Hauptanteil daran hatte der informelle Goldbergbau (727 Tonnen), gefolgt von der Kohleverbrennung zur Stromerzeugung und durch die Industrie.

Der informelle Goldbergbau wird laut UNEP mindestens in einem Dutzend lateinamerikanischer Länder praktiziert, vorwiegend in der Andenregion und im Amazonas-Regenwald, aber auch in Zentralamerika. Der Kleingoldbergbau, der die Nachfrage nach legalem und illegal gehandeltem Quecksilber in die Höhe treibt, beschäftigt etwa 500.000 Menschen.


Mexiko und Argentinien größte lateinamerikanische Produzenten

Mexiko und Peru verfügen über Quecksilberdepots. Allerdings gibt es in der gesamten Region keinen formellen Quecksilberbergbau. Die Produktion ist sekundär: Das Metall mischt sich oft mit anderen Mineralien oder wird durch Wiederaufbereitung gewonnen. Als die größten lateinamerikanischen Produzenten von Quecksilber und quecksilberhaltigen Erzeugnissen hatte Mercury Watch 2012 Mexiko, Argentinien und Kolumbien ausgemacht, während Peru, Kolumbien und Panama bei der Verwendung und dem legalen Import Spitzenreiter waren.

Quecksilber kommt von Natur aus in bestimmten Gesteinsarten vor. Durch Industrieemissionen gelangt es auch in Luft, Böden und Wasser. Bakterien und andere Mikroorganismen verwandeln es in Methylquecksilber, das sich in den Körpern verschiedener Tiere, darunter Fische, anreichern kann.

In Bolivien, Costa Rica und Honduras ist die Verwendung von Quecksilber gesetzlich verboten. Im vergangenen Jahr trat in Kolumbien ein Gesetz in Kraft, durch das der Einsatz des Metalls in Bergwerken in den kommenden fünf Jahren und in der Industrie innerhalb der nächsten zehn Jahre schrittweise beendet werden soll. Seit November 2013 berät das peruanische Parlament über einen Gesetzentwurf, der Quecksilber aus Minen und Fabriken verbannen soll.

UNEP zufolge arbeiteten 2012 in sieben Ländern der Region insgesamt elf Chloralkali-Anlagen mit der Quecksilbertechnologie. Mehrere dieser Betriebe wollen aber spätestens ab 2020 auf Quecksilber verzichten.

Auch Uruguay stellt quecksilberhaltige Produkte her, will aber ein Chloralkaliwerk auf eine andere Technologie umstellen. Dazu fehlt es aber noch an der notwendigen Finanzierung. Immerhin hat die GEF Uruguay und anderen Staaten bereits Mittel zur Verfügung gestellt, um alternative Produktionsmethoden einzuführen. Sie sind Experten zufolge jedoch unzureichend. (Ende/IPS/ck/2014)


Links:

http://www.ipsnews.net/2014/04/mercury-still-loose-latin-america/
http://www.ipsnoticias.net/2014/04/el-mercurio-sigue-suelto-en-america-latina/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 9. April 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. April 2014