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ENERGIE/056: Chile - Energie aus Vulkanen und Geysiren, Hilfe aus Neuseeland (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Mai 2013

Chile: Energie aus Vulkanen und Geysiren - Hilfe aus Neuseeland

von Marianela Jarroud



Santiago, 10. Mai (IPS) - Chile verfügt über beste Voraussetzungen für die Erzeugung von Erdwärme. Doch weil Anreize für Investitionen fehlen, steckt die Entwicklung dieses Energieträgers noch in den Kinderschuhen. Eine strategische Allianz mit Neuseeland soll Abhilfe schaffen.

Chile ist ein 755.696 Quadratkilometer großes Land, das sich über 4.270 Kilometer in Nord-Süd-Richtung entlang der Anden erstreckt und ein Fünftel aller aktiven Vulkane der Erde beherbergt, wie das Exzellenzzentrum für Geothermie in den Anden der Universität von Chile berichtet. "Das südamerikanische Land verfügt somit über ein hohes geothermisches Potenzial", so Gonzalo Salgado von der Chilenischen Vereinigung für geothermische Energie (Achegeo).

Chile ist Teil des Pazifischen Feuerrings. Dieser Vulkangürtel, der den Pazifischen Ozean umschließt, setzt sich an den Westrändern von Nord- und Südamerika fort, wo er die Länder Peru, Ecuador, Kolumbien, Zentralamerika, Mexiko und Teile Argentiniens, Boliviens, der USA und Kanadas umfasst. Im Einzugsgebiet dieses vulkanischen Gürtels gibt es Salgado zufolge unberührte Landstriche, die sich für die Ausbeutung von Erdwärme besonders gut eignen.

Die Geothermie könnte Chile zu einem Energieselbstversorger machen. Bisher werden 70 Prozent der Energie importiert. "Es gibt viele Möglichkeiten, das Land von Energieimporten abhängig zu machen. Wir müssen über Energieeffizienz und vieles mehr sprechen. Doch ist die Geothermie besonders erfolgversprechend", betont Salgado.


Ausbau erneuerbarer Energien geplant

Wie aus einem Bericht des Zentrums für erneuerbare Energien des chilenischen Energieministeriums hervorgeht, machten 2012 die nicht konventionellen erneuerbaren Energien fünf Prozent der installierten Leistung für die Stromproduktion aus. Die chilenische Regierung will bis 2024 zehn Prozent des nationalen Strombedarfs mit erneuerbaren Energien decken. Im Parlament wird derzeit über ein Gesetz debattiert, das einen Anstieg um 15 bis 20 Prozent vorsieht.

Chile war, was die Untersuchung des Erdwärmepotenzials angeht, weltweit Vorreiter. Die erste Untersuchung wurde 1907 in El Tatio im Norden des Landes durchgeführt, wo sich zahlreichen Geysire befinden. 1931 wurden dort die die ersten beiden Bohrlöcher geteuft. Ende der 1960er Jahre systematisierte die Regierung dank internationaler Hilfsgelder die Untersuchungen, die Arbeiten wurden aber schnell wieder eingestellt. 2008 begann das Konsortium 'Geotérmica del Norte' mit Explorationsarbeiten am Pass von Zoquete, wenige Kilometer von El Tatio entfernt.

Im September des darauffolgenden Jahres stieg eine 60 Meter hohe Wasserdampfsäule aus einem Bohrloch, aus dem das Unternehmen heißes Wasser extrahiert und wieder eingespritzt hatte, um das Energiepotenzial an dieser Stelle zu prüfen. Diese drei Wochen andauernde Anomalie veranlasste die Regierung dazu, dem Konsortium die Genehmigung wieder zu entziehen.

Wie Luis Mariano Rendón, Leiter der Umweltorganisation 'Acción Ecológica', betont, ist jede Form der Energiegewinnung mit ökologischen Risiken verbunden. Doch da die Produktion von Erdwärme die geringsten negativen Folgen mit sich bringe, sei Chile gut beraten, diesen Energieträger zu nutzen.

Untersuchungen der Universität von Chile schätzen das geothermische Förderpotenzial des Landes auf 16.000 Megawatt (MW). Die installierte Leistung liegt bei 16.970 MW, während die Nachfrage den offiziellen Angaben vom Februar 2012 zufolge 9.000 MW betrug. Bisher wurden 76 Konzessionen für die Ausbeutung der Geothermiequellen in allen Teilen Chiles vergeben. Weitere 42 sind in Vorbereitung und 24 Anträge werden noch geprüft. Dennoch wird bisher nicht ein einziges MW dieser Energiequelle produziert.

Aus diesem Grund hatte Achegeo vom 11. bis 12. April den Zweiten internationalen Geothermiekongress organisiert, auf dem über die rechtlichen Rahmenbedingungen, den Energiemarkt, die ökologischen Auswirkungen und die Notwendigkeit diskutiert wurde, dass sich Chile gegen Bohrungsschäden versichert. "Noch führen wir keine Tiefenbohrungen durch, die diese Form der Versicherungen erforderlich machen, welche für Investoren ein konkreter und greifbarer Anreiz wären", meint Salgado.


Voneinander lernen

Um die Entwicklung der Geothermie voranzubringen, ist Chile eine strategische Allianz mit Neuseeland eingegangen, wo bereits 15 Prozent des Stroms aus geothermischen Quellen stammen. Das Kraftwerk Wairakei, das 1957 inmitten der neuseeländischen Nordinsel erbaut wurde, war die erste Erdwärmeanlage der Welt, die bis heute Strom aus Wasserdampf generiert.

"In den letzten sieben Jahren wurden sieben Projekte durchgeführt, die 550 MW Strom erzeugen und uns neue Kenntnisse und Einblicke ermöglicht haben", meint Bernard Hill von der international tätigen neuseeländischen Beratungsfirma 'Geothermal New Zealand'. Hill zufolge ist Chile nach Indonesien das Land mit dem größten Erdwärmepotenzial.

"Da die weltweite Geothermie-Industrie sehr klein ist, kennen sich die beteiligten Akteure. Kein Wunder also, dass das Interesse internationaler Konzerne groß ist, in Chile zu investieren", sagt Andrea Blair von 'GNS Science', einem weiteren neuseeländischen Unternehmen, das den Sektor mit Forschungsergebnissen versorgt.

Die neuseeländischen Unternehmen seien an einer Zusammenarbeit im Sinne der Gegenseitigkeit interessiert, die Wissenstransfer beinhalte, erläutert Blair. "Niemand kennt Chile besser als die Chilenen, und wir wissen, was geothermische Entwicklung bedeutet. Wir arbeiten zusammen, damit unsere Projekte Erfolg haben."


Zusammenarbeit mit indigenen Anrainern

Neben Wissenschaft und Technologie verfügt Neuseeland auch über Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit indigenen Bevölkerungsgruppen, die im Umfeld der Projektstandorte leben. "Es geht darum, einen Kompromiss mit den Gemeinschaften zu erzielen, zu wissen, was sie brauchen und transparente Gespräche zu führen", erläutert Blair. "In Neuseeland sind die Maori Teil des Projektes und werden sehr oft an den Gewinnen beteiligt."

Anders in Chile. Dort werden Ureinwohner oftmals übergangen, was dazu führt, dass die Justiz nach Protesten von Indigenen immer wieder Projekte auf Eis legt. Die Kritiker fordern die Anwendung der Ureinwohnerkonvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die Staaten wie Chile dazu verpflichtet, bei Entwicklungsprojekten das Einverständnis der betroffenen indigenen Bevölkerung einzuholen. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.cega.ing.uchile.cl/
http://www.achegeo.cl/index.php
http://www.achegeo.cl/congreso2013/
http://www.ipsnews.net/2013/05/chile-looks-to-volcanoes-and-geysers- for-energy/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102806

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 10. Mai 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2013