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FISCHEREI/070: Senegal - Sardinen überfischt, Präsident soll Bestände retten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. April 2013

Senegal: Sardinen überfischt - Präsident soll Bestände retten

von Christopher Pala


Bild: © Christopher Pala/IPS

Der senegalesische Präsident Macky Sall mit Wendy Benchley
Bild: © Christopher Pala/IPS

Washington, 18. April (IPS) - Senegals Präsident Macky Sall hat am Rande eines offiziellen US-Besuchs in Washington den 'Peter Benchley Award' erhalten, den einzigen Preis für Staatsoberhäupter, die einen besonderen Beitrag zum Schutz der Meere geleistet haben.

Salls Verdienst war es, eine Serie unpopulärer Verträge rückgängig gemacht zu machen, die sein Amtsvorgänger mit ausländischen Fischereiunternehmen geschlossen hatte. Die Sardinenbestände vor der Küste Senegals waren durch die Industriefischerei erheblich dezimiert worden.

Sardinen sind für die Bevölkerung Westafrikas wichtige Eiweißlieferanten. Doch das, was den großen ausländischen Trawlern in die Netze geht, wird meist zu Fischmehl für die Aquakulturen der reichen Länder verarbeitet.

"Präsident Sall wird seine Pläne einer nachhaltigen lokalen Fischerei ohne die Beteiligung ausländischer Trawler vorantreiben und damit zum Vorbild für Westafrika und den Rest der Welt werden", sagte Wendy Benchley, Witwe des verstorbenen US-Autors Peter Benchley, der unter anderem den Bestseller 'Der weiße Hai' geschrieben hat, bei der Preisverleihung Ende März.

Doch in einem Interview kurz vor seiner Ehrung hatte Sall erklärt, dass das Fischereiverbot für ausländische Fangflotten zeitlich befristet sei. In sechs Monaten sollen die großen Sardinen-Fangflotten wieder zurückkehren dürfen. "Wir haben den Beständen damit eineinhalb Jahre Zeit gegeben, um sich zu regenerieren", meinte der Präsident im IPS-Gespräch. "Jetzt müssen wir für eine nachhaltige Fischerei sorgen, die unseren Fischern und ausländischen Unternehmen die Fischerei unter strikt geregelten Bedingungen erlaubt."


"Das wäre Selbstmord"

"Doch das wäre Selbstmord", meint hingegen Philippe Cury, Leiter des Fischereiforschungsinstituts im französischen Sète, der die Fischerei vor den Küsten Westafrikas untersucht hat. Schon jetzt könnten sich die Bestände nicht mehr in dem erforderlichen Ausmaß erholen, um einen weiteren Schwund zu verhindern.

Ein im letzten Monat veröffentlichter Bericht des Fischereikomitees für den Osten des Zentralatlantiks kommt ein Jahr nach dem Abzug der russischen Trawler aus den Gewässern zu dem Schluss, dass sogar die Fangemengen der senegalesischen Kanufischer viel zu groß seien und reguliert werden müssten.

"Es ist schon sehr hart, lokalen Fischer das Fischen zu verbieten, damit sie ihr Land ernähren, während ausländische Fangflotten mit dem Großteil der Fänge davongefahren sind", sagt der Fischereiexperte Daniel Pauly von der British Columbia-Universität in Kanada. "Doch genau das ist geschehen. Damit sich die Sardinenpopulationen regenerieren können, ist Senegal gut beraten, die eigene Fangmenge zu begrenzen."

Didier Gascuel von der Europäischen Brittany-Universität im französischen Rennes, ist einer der Autoren des Berichts. Er sieht durchaus Chancen, dass sich die Sardinenbestände auch bei gleichbleibender Fangquote für die einheimischen Fischer erholen, und weist darauf hin, dass die Sardinenbestände je nach Wetter- und Strömungslage zunehmen oder schrumpfen können. "Doch sollten die Industrieschiffe zurückkehren, könnten sie in nur einem schlechten Jahr vollständig ausradiert werden", ist er überzeugt.

Das Meer im nördlichen Teil Westafrikas, wo nährwertreiche Strömungen aus der Tiefe aufsteigen, gehört zu den umfangreichsten Fischgründen der Welt. Es hat die Küstenbevölkerung stets mit reichen Fängen beschenkt. Dieser Situation verdanken die Menschen vor Ort nicht nur ein wichtiges Nahrungsmittel, sondern auch Zehntausende von Arbeitsplätzen.


Fischreichtum versiegt

Senegals Fischer sind verwöhnt, was die Menge und die Qualität ihrer Fänge angeht. Und die Menschen lieben ihr Nationalgericht 'Thiéboudienne', das aus dem saftigen Fleisch des Weißen Zackenbarsches, Reis und Gemüse besteht.

Auch Hummer und Garnelen gab es lange Zeit im Überfluss. Doch die Ankunft europäischer und sowjetischer Fangflotten in den 1960er Jahren, die mit ihren Bodennetzen die Lebensräume der Fische und Krustentiere zerstörten, war der Anfang vom Ende der reichen Fischpfründe. Die Industrieflotten aus den Industriestaaten verkauften zu Hause für gutes Geld, speisten die Fischherkunftsstaaten hingegen mit kleinen Beträgen ab.

Wie Cury, der französische Wissenschaftler, betont, bestanden die Fänge bis in die 1980er Jahre hinein nur zu 20 Prozent aus Sardinen, die damals als Fisch der Armen bezeichnet wurden. Doch inzwischen sind es 80 Prozent. "Von unserem Fisch sind uns also nur noch Sardinen geblieben", meint dazu Abdou Karim Sall, Chef der größten Vereinigung der senegalesischen Fischer, der mit dem Staatspräsidenten nicht verwandt ist.

Der Großteil der Sardinen wird in eine Salzlake eingelegt und danach getrocknet. Dadurch lässt sich der Nährwert ohne Gefrierverfahren über einen langen Zeitraum erhalten. Verkauft wird der Trockenfisch in der Sahelzone, wo er für Abermillionen armer Afrikaner die wichtigste Quelle an tierischem Eiweiß ist.

1994 sorgten ein öffentlicher Aufschrei in Europa und Demonstrationen in Senegal dafür, dass die Fischereigenehmigungen von Schiffen unter ausländischer Flagge nicht mehr erneuert wurden. Andere afrikanische Länder folgten. Mauretanien und Marokko sind die letzten, die Fischereiverträge mit der EU geschlossen haben. Es ist jedoch gut möglich, dass die Abkommen nicht verlängert werden.

Die rückläufigen Fangmengen haben viele Fischer um ihren Lebensunterhalt gebracht, wie Sall von der Vereinigung der Fischer betont. "Die meisten Senegalesen, die nach Europa emigrieren, sind Fischer", versichert er.

Doch inzwischen mehren sich die Fälle, dass ausländische Fangflotten mit afrikanischen Fischern Joint Ventures eingehen - allein in Senegal sollen es bereits mehr als 100 sein -, und unter lokaler Flagge die Plünderungen afrikanischer Meere fortsetzen. Die besten Fänge sind für den europäischen Markt bestimmt.


Fisch für Einheimische zu teuer

Auch sind die Fischpreise derart in die Höhe geschnellt, dass sie für Senegalesen kaum noch bezahlbar sind. Die kleinen Fischer verkaufen ihren Fang gleich nach der Rückkehr am Strand an Mittelsmänner, die die Ware in Eis packen und wenige Stunden später in Flugzeugen nach Europa transportieren.

"Auf unseren Märkten sind Sardinen eine Rarität geworden, und seit Jahren gibt es keine großen Fische mehr", meinte Senegals Staatspräsident Sall in seiner Dankesrede nach der Entgegennahme der Auszeichnung in Washington. "Und wenn es noch nicht mal Sardinen für unser Thiéboudienne gibt, dann haben wir ein Problem."

"Als Geoingenieur ist Sall ein Mann der Wissenschaft. Wenn ihm andere Forscher beweisen können, dass die Rückkehr der ausländischen Fangflotten Fischbestände und Fangvolumen dezimiert, wird er gegensteuern", ist Ahmed Diame, ein senegalesischer Greenpeace-Aktivist, überzeugt. Bisher habe der Präsident sein Wahlversprechen eingehalten. Problem sei nur, dass der Fischereiminister eine Rückkehr der industriellen Boote begrüßen würde. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.ipsnews.net/2013/04/senegals-leader-urged-to-save-sardinella/

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IPS-Tagesdienst vom 18. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2013