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GLOBAL/145: Landdegradierung könnte bis 2050 50-700 Mio. Menschen zur Migration zwingen (idw/NeFo)


Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung - 26.03.2018

Neuer IPBES-Bericht:
Landdegradierung könnte bis 2050 50-700 Mio. Menschen zur Migration zwingen


Die durch menschliche Aktivitäten verursachte Verschlechterung der Ökosysteme, u.a. des Bodens, untergräbt das Wohlergehen von zwei Fünfteln der Menschheit, treibt das Artensterben voran und verstärkt den Klimawandel. Das stellt der Bericht des Weltbiodiversitätsrates IPBES zu Landdegradierung und -wiederherstellung fest, der am Samstag von den Mitgliedsstaaten angenommen wurde. Laut der weltweit ersten umfassenden evidenzbasierten Bewertung der Landdegradierung trägt diese auch wesentlich zu unfreiwilliger Migration und verstärkten Konflikten bei. Warum der Bericht auch uns in Deutschland interessieren sollte, erzählt die Mitautorin Prof. Aletta Bonn im NeFo-Interview.[1]

Der Bericht, der in drei Jahren erstellt wurde, fasst das beste verfügbare Wissen für politische Entscheidungsträger zusammen und stützt sich auf mehr als 3.000 wissenschaftliche, staatliche, indigene und lokale Wissensquellen. Über 100 internationale Expertinnen und Experten skizzieren Kosten und Gefahren, die Landdegradierung weltweit verursacht, und benennen Handlungsmöglichkeiten. Sie wurde von über 200 externen Gutachtern umfassend begutachtet. Die Vertreterinnen und Vertreter der Mitgliedsstaaten der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) hatten den Bericht wurde vergangenen Samstag auf der sechsten Sitzung des IPBES-Plenums in Medellín, Kolumbien, offiziell angenommen.

"Landdegradierung" definieren die Autorinnen und Autoren als die vielen vom Menschen verursachten Prozesse, die den Rückgang oder Verlust der biologischen Vielfalt, der Ökosystemfunktionen oder der Ökosystemleistungen in allen terrestrischen und damit verbundenen aquatischen Ökosystemen bewirken. "Degradiertes Land" wird hier definiert als der Zustand des Ökosystems einschließlich des Bodens, der aus dem anhaltenden Rückgang oder Verlust der biologischen Vielfalt und der Ökosystemfunktionen und -dienstleistungen resultiert, die sich nicht ohne Hilfe innerhalb von Jahrzehnten vollständig erholen können.

Ernste Gefahr für das menschliche Wohlbefinden

Sir Robert Watson, Vorsitzender von IPBES, sagte: "Von den vielen wertvollen Botschaften des Berichts zählt folgende zu den wichtigsten: Die Umsetzung der richtigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Landdegradierung kann das Leben von Millionen von Menschen auf der ganzen Welt verändern, aber dies wird umso schwieriger und kostspieliger werden, je länger wir damit warten".

Die rasche Expansion und nicht nachhaltige Bewirtschaftung von Acker- und Weideland ist der weltweit größte direkte Treiber der Landdegradierung und verursacht einen erheblichen Verlust an Biodiversität und Ökosystemleistungen - Ernährungssicherheit, Wasseraufbereitung, Energieversorgung und andere für den Menschen wichtige Beiträge der Natur. Dies hat in vielen Teilen der Welt ein "kritisches" Niveau erreicht, heißt es in dem Bericht.

Auch wenn es oft nicht so scheint, betrifft Landdegradierung auch unser Leben in Deutschland. Ein Großteil unserer Lebensmittel wird an anderen Stellen der Erde produziert, wir hängen also auch von der Produktivität der Ökosysteme anderswo ab. Und wir bekommen die Folgen zu spüren, etwa den Klimawandel, der global stattfindet. "Wir in Deutschland sind durch globale Handelsketten und Konsumverhalten mitverantwortlich, und wenn wir eine nachhaltige Gesellschaft erreichen wollen, was wir in den UN-Nachhaltigkeitszielen festgelegt haben, müssen wir uns damit beschäftigen und u.a. Lösungen finden, wie diese Umweltkosten internalisiert werden können", meint Prof. Aletta Bonn vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ und Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv). Sie hat als Leitautorin im Kapitel 7, in dem es um Alternativen für die Zukunft und Handlungsoptionen geht. Im NeFo-Interview erklärt sie, warum der Bericht uns in Deutschland interessieren sollte. [1]

"Mit negativen Auswirkungen auf das Wohlergehen von mindestens 3,2 Milliarden Menschen treibt die Degradierung der Erdoberfläche durch menschliche Aktivitäten den Planeten in Richtung eines sechsten Massensterbens", sagte Prof. Robert Scholes (Südafrika), der die Studie zusammen mit Dr. Luca Montanarella (Italien) geleitet hat. "Die Vermeidung, Verringerung und Umkehrung dieses Problems und die Wiederherstellung degradierter Ökosyteme ist eine dringende Priorität, um die biologische Vielfalt und die Ökosystemleistungen zu schützen, die für alles Leben auf der Erde lebenswichtig sind, und um das Wohlergehen der Menschen zu gewährleisten".

"Feuchtgebiete sind besonders stark betroffen", sagte Dr. Montanarella. "Seit Beginn der Neuzeit sind 87% der weltweiten Feuchtgebiete verloren gegangen - seit 1900 waren es 54%."

Nach Ansicht der Autoren manifestiert sich die Landdegradierung in vielerlei Hinsicht: Landaufgabe, Rückgang der Populationen wilder Arten, Verlust von Boden und Bodengesundheit, Weideland und Süßwasser sowie Entwaldung.

Grundlegende Faktoren für die Landdegradierung sind laut Bericht der konsumintensive Lebensstil in den am stärksten entwickelten Volkswirtschaften bei gleichzeitigem steigenden Verbrauch in Entwicklungs-und Schwellenländern. Ein hoher und steigender Pro-Kopf- Verbrauch, verstärkt durch das anhaltende Bevölkerungswachstum in vielen Teilen der Welt, kann zu einer unhaltbaren Ausweitung der Landwirtschaft, dem Abbau natürlicher Ressourcen und Mineralien und der Verstädterung führen - was in der Regel einer stärkere Landdegradierung nach sich zieht.

Bis 2014 wurden mehr als 1,5 Milliarden Hektar natürliche Ökosysteme in Ackerland umgewandelt. Weniger als 25% der Landoberfläche der Erde sind noch nicht von den erheblichen Auswirkungen menschlicher Aktivitäten betroffen. Bis 2050 werden es nach Schätzungen der IPBES-Experten weniger als 10% sein.

Mehr als ein Drittel der Landfläche des Planeten wird heute als Acker- und Weideland genutzt, wobei sich die Rodung gebietstypischer Lebensräume wie Wälder, Wiesen und Feuchtgebiete auf einige der artenreichsten Ökosysteme der Erde konzentriert.

Laut Bericht wird die steigende Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Biokraftstoffen wahrscheinlich zu einem weiteren Anstieg der Nährstoff- und Chemikalieneinträge und einer Verlagerung hin zu industrialisierten Tierhaltungssystemen führen, wobei sich der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln bis 2050 voraussichtlich verdoppeln wird.

Die Vermeidung weiterer landwirtschaftlicher Ausdehnung in heimische Lebensräume kann durch Ertragssteigerungen auf den bestehenden Anbauflächen, Verschiebungen hin zu weniger flächenschädigenden Diäten, wie z.B. solchen mit mehr pflanzlichen Nahrungsmitteln und weniger tierischem Eiweiß aus nicht nachhaltigen Quellen, sowie durch die Verringerung von Nahrungsmittelverlusten und Abfällen erreicht werden.

Starke Verbindungen zum Klimawandel

"Mit diesem Bericht hat die weltweite Expertengemeinschaft eine offene und dringende Warnung ausgesprochen, mit klaren Optionen zur Bewältigung gravierender Umweltschäden", sagte Sir Robert Watson.

"Landdegradierung, Biodiversitätsverlust und Klimawandel sind drei verschiedene Gesichter derselben zentralen Herausforderung: die immer gefährlicheren Auswirkungen unserer Entscheidungen auf die Gesundheit unserer natürlichen Umwelt. Wir können es uns nicht leisten, eine dieser drei Bedrohungen isoliert zu betrachten. Sie alle verdienen höchste politische Priorität und müssen gemeinsam angegangen werden."

Der IPBES-Bericht stellt fest, dass die Landdegradierung einen wesentlichen Beitrag zum Klimawandel leistet, wobei allein die Entwaldung etwa 10% aller vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen ausmacht. Ein weiterer wichtiger Treiber des Klimawandels ist die Freisetzung von zuvor im Boden gespeichertem Kohlenstoff, der zwischen 2000 und 2009 für jährliche globale Emissionen von bis zu 4,4 Milliarden Tonnen CO2 verantwortlich war.

Durch Vermeidung, Verringerung und Umkehrung von Landdegradierung könnten bis 2030 mehr als ein Drittel der Treibhausgasemissionen eingespart werden, was erforderlich ist, um die globale Erwärmung unter dem im Pariser Klimaabkommen festgelegten Schwellenwert von 2°C zu halten, die Ernährungs- und Wassersicherheit zu erhöhen und zur Vermeidung von Konflikten und Migration beizutragen. Zudem gehören diese Wege zu den kosteneffizientesten.

Vorhersagen bis 2050

"In etwas mehr als drei Jahrzehnten werden schätzungsweise 4 Milliarden Menschen in Trockengebieten leben", sagte Prof. Scholes. "Bis dahin ist es wahrscheinlich, dass die Landdegradierung zusammen mit den damit verbundenen Problemen des Klimawandels 50-700 Millionen Menschen zur Migration gezwungen haben wird. Die sinkende Produktivität der Böden macht die Gesellschaften auch anfälliger für soziale Instabilität - insbesondere in Trockengebieten. Hier machten die Experten einige Jahre mit extrem geringen Niederschlägen für eine Zunahme gewaltsamer Konflikte von bis zu 45% verantwortlich."

Dr. Montanarella fügte hinzu: "Bis 2050 wird die Kombination von Landdegradierung und Klimawandel die weltweiten Ernteerträge um durchschnittlich 10% und in einigen Regionen um bis zu 50% reduzieren. In Zukunft werden die meisten Schäden in Mittel- und Südamerika, in Afrika südlich der Sahara und in Asien auftreten - jenen Gebieten mit den meisten noch verbliebenen für die Landwirtschaft geeigneten Flächen ".

Die Landdegradierung und -wiederherstellung stellt auch eine der wesentlichen Herausforderungen für die wichtigsten internationalen Entwicklungsziele das, einschließlich der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung und der AICHI-Ziele für die biologische Vielfalt (CBD). "Der größte Wert des Berichts besteht sicherlich darin, den Entscheidungsträgern in Regierung, Wirtschaft, Wissenschaft und sogar auf der Ebene der lokalen Gemeinschaften endlich Nachweise zu liefern", sagte Dr. Anne Larigauderie, Geschäftsführerin von IPBES. "Mit besseren Informationen, unterstützt durch den Konsens der weltweit führenden Experten, können wir alle bessere Entscheidungen für effektiveres Handeln treffen."

Möglichkeiten für Sanierung und Wiederherstellung

Der Bericht stellt fest, dass es in jedem Ökosystem erfolgreiche Beispiele für die Wiederherstellung von Land gibt, und dass viele bewährte Praktiken und Techniken, sowohl traditionelle als auch moderne, eine Verschlechterung vermeiden oder umkehren können. In den Anbauflächen sind dies zum Beispiel die Verringerung des Bodenverlustes und die Verbesserung der Bodengesundheit, der Einsatz von salztoleranten Kulturen, Agrarumweltmaßnahmen sowie integrierter Kultur-, Vieh- und Forstwirtschaft.

Auf Weideflächen mit traditioneller Beweidung haben sich die Aufrechterhaltung geeigneter Brandregime und die Wiedereinführung oder Entwicklung lokaler Tierhaltungspraktiken und -einrichtungen bewährt.

Erfolgreiche Maßnahmen in Feuchtgebieten umfassen die Eindämmung von Verschmutzungsquellen, die Bewirtschaftung als Teil der Landschaft und die Wiedervernässung von zuvor entwässerten Feuchtgebieten.

In städtischen Gebieten werden die Raumplanung, die Wiederbepflanzung mit einheimischen Arten, die Entwicklung einer "grünen Infrastruktur" wie Parks und Flussläufe, die Sanierung von kontaminierten und versiegelten Böden (z.B. unter Asphalt), die Abwasserbehandlung und die Sanierung von Flusskanälen als zentrale Handlungsoptionen identifiziert.

Der Bericht benennt u.a. folgende Möglichkeiten zur Beschleunigung der Umsetzung:

  • Verbesserung von Monitoring, Verifikationssystemen und Basisdaten;
  • Koordinierung der Politik zwischen verschiedenen Ministerien, um gleichzeitig nachhaltigere Produktions- und Konsumpraktiken für landgestützte Rohstoffe zu fördern;
  • Beseitigung von "perversen" finanziellen Anreizen, die die Landdegradierung fördern, sowie Förderung positiver Anreize, die ein nachhaltiges Landmanagement belohnen; und
  • Verknüpfung der Bereiche Land- und Forstwirtschaft, Energie, Wasser, Infrastruktur und Dienstleistungen

Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass die bestehenden multilateralen Umweltübereinkommen eine gute Plattform für Maßnahmen zur Vermeidung, Verringerung und Umkehrung der Landdegradierung und zur Förderung der Wiederherstellung bieten. Allerdings brauche es ein größeres Engagement und eine wirksamere Zusammenarbeit auf nationaler und lokaler Ebene, um die Ziele der Null-Netto-Landdegradierung, des Verlusts der biologischen Vielfalt und der Verbesserung des menschlichen Wohlergehens zu erreichen.

Wissenslücken

Zu den Bereichen, die im Bericht als Möglichkeiten für weitere Forschungen genannt werden, gehören:

  • Die Folgen der Landdegradierung für die Süßwasser- und Küstenökosysteme, körperliche und geistige Gesundheit, geistiges Wohlbefinden sowie Verbreitung und Übertragung von Infektionskrankheiten;
  • Das Potenzial der Landdegradierung zur Verschärfung des Klimawandels sowie das Potenzial der Wiederherstellung, zur Eindämmung und Anpassung des Klimawandels beizutragen;
  • Die Zusammenhänge zwischen Landdegradierung bzw. -wiederherstellung und sozialem, wirtschaftlichem und ökologischem Wandel und
  • Wechselwirkungen zwischen Landdegradierung, Armut, Klimawandel und der Gefahr von Konflikten und unfreiwilliger Migration.
Relevanz für Umwelt und Wirtschaft

Der Bericht stellt fest, dass höhere Beschäftigungszahlen und andere Vorteile der Bodensanierung häufig die damit verbundenen Kosten bei weitem übersteigen. Im Durchschnitt ist der Nutzen der Wiederherstellung zehnmal höher als die Kosten (geschätzt auf neun verschiedene Biome), und für Regionen wie Asien und Afrika sind die Kosten der Untätigkeit angesichts der Landdegradierung mindestens dreimal höher als die Kosten der Maßnahmen.

"Es ist nicht nur hinsichtlich die Ernährungssicherheit, die Verringerung des Klimawandels und den Schutz der biologischen Vielfalt von entscheidender Bedeutung, die bewährten Methoden zur Eindämmung und Umkehrung der Landdegradierung vollständig einzusetzen", sagte Dr. Montanarella, "es ist auch wirtschaftlich umsichtig und immer dringender".

IPBES hat heute die Politikzusammenfassung (Summary for Policy Makers - SPM) des "IPBES Assessment Report on Land Degradierung and Restoration" veröffentlicht. Die SPM präsentiert die wichtigsten Botschaften und politischen Handlungsmöglichkeiten, wie sie vom IPBES-Plenum verabschiedet wurden. Der vollständige Bericht (inklusive aller Daten) wird noch in diesem Jahr veröffentlicht.

Über IPBES

IPBES, oft auch als "IPCC für Biodiversität" bezeichnet, ist ein unabhängiges zwischenstaatliches Gremium mit derzeit 129 Mitgliedsregierungen. Es wurde von den Regierungen im Jahr 2012 gegründet und bietet politischen Entscheidungsträgern objektive wissenschaftliche Einschätzungen über den Stand des Wissens über die biologische Vielfalt, die Ökosysteme und deren Beiträge für das Wohl der Menschen sowie über die Instrumente und Methoden zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung dieser lebenswichtigen natürlichen Ressourcen.

Zahlen und Fakten

Die Vermeidung, Verringerung und Umkehrung der Landdegradierung und die Wiederherstellung degradierter Böden ist eine dringende Priorität, um die biologische Vielfalt und die Ökosystemleistungen zu schützen, die für alles Leben auf der Erde lebenswichtig sind, und um das Wohlergehen der Menschen zu gewährleisten.

Landdegradierung durch menschliche Aktivitäten untergräbt das Wohlergehen von mindestens 3,2 Milliarden Menschen.

Die Landdegradierung durch menschliche Aktivitäten treibt den Planeten in Richtung eines sechsten Massensterbens.

Die weit verbreitete Unkenntnis der Landdegradierung als Problem stellt ein großes Hindernis für das Handeln dar.

Weniger als ein Viertel der Erdoberfläche bleibt frei von wesentlichen menschlichen Einflüssen. Bis 2050 werden es schätzungsweise weniger als 10% sein - und das vor allem in Wüsten, Bergregionen, Tundra- und Polargebieten, die für die menschliche Nutzung oder Besiedlung ungeeignet sind.

Feuchtgebiete sind besonders degradiert, mit 87% Verlust weltweit in den letzten 300 Jahren; 54% seit 1900.

Der Verlust von Lebensräumen durch Umwandlung und der Rückgang der Eignung des verbleibenden Lebensraums durch Degradierung sind die Hauptursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt.

Zwischen 1970 und 2012 sank der Index der durchschnittlichen Populationsgröße der wildlebenden Wirbeltierarten an Land um 38% und die der Süßwasserarten um 81%.

Vorhersagen

Die Bevölkerung in Trockengebieten wird von 2,7 Milliarden im Jahr 2010 auf 4 Milliarden im Jahr 2050 ansteigen.

Das beispiellose Wachstum von Konsum, Demografie und Technologie wird die Weltwirtschaft in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts etwa vervierfachen.

Wenn keine dringenden und konzertierten Maßnahmen ergriffen werden, wird sich die Landdegradierung angesichts des Bevölkerungswachstums, eines beispiellosen Verbrauchs, einer zunehmend globalisierten Wirtschaft und des Klimawandels verschärfen.

Die meisten künftigen Verschlechterungen werden in Mittel- und Südamerika, in Afrika südlich der Sahara und in Asien erwartet.

Landdegradierung und Klimawandel dürften bis zum Jahr 2050 50-700 Millionen Menschen zur Migration zwingen.

Bis 2050 werden Landdegradierung und Klimawandel die Ernteerträge weltweit um durchschnittlich 10% und in bestimmten Regionen um bis zu 50% senken.

Die Kapazität der Weideflächen zur Unterhaltung des Viehbestandes wird in Zukunft weiter abnehmen, was sowohl auf die Verschlechterung des Bodens als auch auf den Verlust von Weideflächen zurückzuführen ist.

Der Verlust an biologischer Vielfalt wird bis 2050 auf 38-46% geschätzt. Die stärksten Treiber des Biodiversitätsverlustes waren bisher die Landwirtschaft, gefolgt von der Forstwirtschaft, der Infrastruktur, dem städtischen Eingriff und dem Klimawandel. Im Zeitraum 2010-2050 dürften der Klimawandel, die Landwirtschaft und die Entwicklung der Infrastruktur die Triebkräfte für den Verlust der biologischen Vielfalt sein, wobei der größte Anstieg erwartet wird.

Ökonomie

Die geschätzten wirtschaftlichen Kosten von Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen, die durch die Landdegradierung verloren gehen, belaufen sich auf mehr als 10% des jährlichen globalen Bruttosozialprodukts.

Verbrauchsintensive Lebensstile in den entwickelteren Volkswirtschaften, kombiniert mit einem steigenden Konsum in den Entwicklungs- und Schwellenländern, sind die dominierenden Faktoren, die die Landdegradierung weltweit antreiben.

Studien aus Asien und Afrika zeigen, dass die Kosten der Untätigkeit bei der Landdegradierung mindestens dreimal so hoch sind wie die Kosten des Handelns.

Der Nutzen der Wiederherstellung übersteigt die Kosten um durchschnittlich 10 zu 1 (geschätzt über neun Biome).

Zu den Vorteilen gehören mehr Beschäftigung, höhere Unternehmensausgaben, lokale Investitionen in Bildung, bessere Lebensgrundlagen und Geschlechtergerechtigkeit.

Der volle Einfluss der Verbrauchsentscheidungen auf die weltweite Landdegradierung ist aufgrund der Entkopplung von Verbraucher und Produzenten und deren räumliche Distanz zueinander oft nicht sichtbar. Dies hat zu einem wachsenden Mangel an Bewusstsein und Verständnis für die Auswirkungen von Konsumentscheidungen auf die Landdegradierung geführt.

Viele jener, die von der Übernutzung der natürlichen Ressourcen profitieren, sind am wenigsten von den direkten negativen Auswirkungen der Landdegradierung betroffen und haben daher den geringsten Anreiz zum Handeln.

Verbindungen zum Thema Klimawandel

Die Landdegradierung trägt wesentlich zum Klimawandel bei, und der Klimawandel wird bis 2050 als einer der Hauptgründe für den Verlust der biologischen Vielfalt (zusammen mit der Landwirtschaft und dem Ausbau der Infrastruktur) gesehen.

Der Beitrag der Landdegradierung zum Klimawandel umfasst die Freisetzung von Kohlenstoff, der im Boden gebunden ist. Zwischen 2000 und 2009 war die Landdegradierung für jährliche globale Emissionen von 3,6 bis 4,4 Milliarden Tonnen CO2 verantwortlich.

In den letzten 200 Jahren ist der organische Kohlenstoff im Boden, ein Indikator für die Gesundheit des Bodens, weltweit um schätzungsweise 8 % gesunken (176 Gt - das entspricht dem Kohlenstoff, der bei der Abholzung einer tropischen Waldfläche von etwa der Größe Australiens verloren ginge).

Ohne dringende Maßnahmen werden bis 2050 weitere Verluste von 36 Gigatonnen Kohlenstoff aus Böden - insbesondere aus Subsahara-Afrika - prognostiziert (das entspricht fast 20 Jahren Emissionen aus dem globalen Transportsektor - dem gesamten Güter- und Personenverkehr auf dem Land-, Luft, Wasser- und Seeweg). Zu den Hauptprozessen gehören Entwaldung und Walddegradierung, die Trocknung und Verbrennung von Mooren und der Rückgang des Kohlenstoffgehalts in vielen kultivierten Böden und Weideflächen aufgrund übermäßiger Störungen und unzureichender Rückführung organischer Stoffe in den Boden.

Die Entwaldung allein trägt ca. 10% zu allen vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen bei und kann das Klima durch Veränderungen des Oberflächenreflexionsvermögens und der Entstehung von Staubpartikeln weiter verändern.

In Gebirgs- und Hochgebirgsregionen führen Permafrostschmelze und Gletscherrückgang zu massiven Landbewegungen wie Erdrutschen und Oberflächenabsenkungen (Höhleneinbrüchen, Absenkungen) und höheren Treibhausgasemissionen. In Wäldern steigt die Wahrscheinlichkeit von Waldbränden, Schädlingen und Krankheitsausbrüchen in Szenarien, in denen Dürren und Hitzeperioden häufiger auftreten.

Zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Landdegradierung gehören eine beschleunigte Bodenerosion auf degradierten Böden infolge extremerer Wetterereignisse, ein erhöhtes Risiko von Waldbränden und Veränderungen in der Verbreitung invasiver Arten, Schädlinge und Krankheitserreger.

Eine starke Wechselwirkung zwischen Klimawandel und Landdegradierung bedeutet, dass die Probleme am besten koordiniert angegangen werden.

Einige Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels können das Risiko von Landdegradierung und Biodiversitätsverlust erhöhen - z.B. der Ausbau von Bioenergiepflanzen. Das Anpflanzen von Bäumen, wo sie historisch nicht vorkommen (Aufforstung), kann ähnliche Auswirkungen haben wie die Entwaldung, einschließlich der Verringerung der biologischen Vielfalt und der Störung von Wasser-, Energie- und Nährstoffkreisläufen.

Vier Fünftel der Weltbevölkerung leben heute in Gebieten, in denen die Wassersicherheit gefährdet ist.

Jeder 5-%ige Verlust des Bruttoinlandsprodukts, der zum Teil durch Degradierung verursacht wird, ist mit einem Anstieg der Wahrscheinlichkeit von Gewaltkonflikten um 12% verbunden.

Die Umwandlung natürlicher Ökosysteme für menschliche Nutzungen kann das Risiko menschlicher Krankheiten wie Ebola, Affenpocken und Marburg-Viren erhöhen, von denen einige zu globalen Gesundheitsrisiken geworden sind, indem sie die Menschen häufiger mit Krankheitserregern in Kontakt bringen, die in der Lage sind, von Wildarten auf menschliche Wirte überzuspringen (Zoonosen). Änderungen in den hydrologischen Regimen beeinflussen die Häufigkeit von Krankheitserregern und Wegen, die Krankheiten verbreiten.

Die Landdegradierung erhöht im Allgemeinen die Zahl der Menschen, die gefährlichen Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzungen ausgesetzt sind, insbesondere in Entwicklungsländern, wobei die am stärksten betroffenen Länder eine höhere Rate an verschmutzungsbedingten Todesfällen verzeichnen als die wohlhabenden Länder.

Landdegradierung schadet im Allgemeinen dem psychischen Wohlbefinden, indem sie den Nutzen für das geistige Gleichgewicht, die Aufmerksamkeit, die Inspiration und die Erholung verringert. Sie hat besonders negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und das geistige Wohlbefinden indigener Völker und lokaler Gemeinschaften.

Landdegradierung, insbesondere in Küsten- und Ufergebieten, erhöht das Risiko von Sturmschäden, Überschwemmungen und Erdrutschen mit hohen sozioökonomischen und menschlichen Kosten.

Handlungsmöglichkeiten

Nationale und internationale Reaktionen auf die Landdegradierung konzentrieren sich häufig auf die Milderung bereits verursachter Schäden. Die Politikansätze sind selten ganzheitlich ausgelegt und zielen auf spezifische, sichtbare Faktoren der Verschlechterung innerhalb bestimmter Wirtschaftssektoren, ohne Interaktionen mit anderen Faktoren zu berücksichtigen.

Landdegradierung ist selten, wenn überhaupt, das Ergebnis einer einzigen Ursache und kann daher nur durch den gleichzeitigen und koordinierten Einsatz verschiedener politischer Instrumente und Maßnahmen auf institutioneller, staatlicher, gemeinschaftlicher und individueller Ebene angegangen werden.

Die Vermeidung, Verminderung und Umkehrung der Landdegradierung ist für die Erreichung der meisten Ziele der nachhaltigen Entwicklung unerlässlich und würde fast alle von ihnen synergistisch unterstützen.

Landmanager, einschließlich indigener Völker und lokaler Gemeinschaften, spielen eine Schlüsselrolle bei der Konzeption, Umsetzung und Bewertung nachhaltiger Landmanagementpraktiken.

Bewährte Ansätze zur Eindämmung und Umkehrung der Landdegradierung sind unter anderem:

  • Stadtplanung, Wiederbepflanzung mit einheimischen Arten, Ausbau der grünen Infrastruktur, Sanierung von kontaminierten und versiegelten Böden (z.B. unter Asphalt), Abwasserreinigung und Gewässersanierung.
  • Bessere, offenere Informationen über die Auswirkungen der gehandelten Rohstoffe.
  • Koordinierte politische Agenden, die gleichzeitig einen nachhaltigeren Konsum von landgestützten Gütern fördern.
  • Abschaffung perverser Anreize, die die Degradierung fördern - Subventionen, die zum Beispiel Überproduktion belohnen.
  • Setzung positiver Anreize, die die Einführung nachhaltiger Landmanagementpraktiken belohnen.

Beispiele für bewährte Praktiken und Techniken, sowohl traditionelle als auch moderne, um die Degradierung landwirtschaftlicher Flächen aufzuhalten, sind unter anderem:

Weideland:
  • Zustandsbewertungen und Monitoring
  • Weidedruckmanagement
  • Verbesserung von Weide- und Futterpflanzen
  • Waldweide-Bewirtschaftung
  • Unkraut- und Schädlingsbekämpfung

Weideflächen mit traditioneller Beweidung in vielen Trockengebieten haben von der Aufrechterhaltung angemessener Brandregime und der Wiedereinführung oder Entwicklung lokaler Tierhaltungspraktiken und -einrichtungen profitiert. Eine Vielzahl von passiven oder aktiven Waldbewirtschaftungs- und -wiederherstellungstechniken haben erfolgreich die Biodiversität erhalten und eine Degradierung der Wälder vermieden, während sie gleichzeitig zahlreiche wirtschaftliche, soziale und ökologische Vorteile bringen.

Maßnahmen gegen Landdegradierung durch den Abbau von Bodenschätzen können sein:

  • Vor-Ort-Bewirtschaftung von Bergbauabfällen (Böden und Wasser)
  • Rekultivierung der Grubentopographie
  • Erhaltung und frühzeitiger Ersatz des Oberbodens
  • Maßnahmen zur Wiederherstellung von funktionierendem Grünland, Wald, Feuchtgebieten und anderen Ökosystemen

Wirksame Maßnahmen zur Vermeidung, Verringerung und Umkehrung der Degradierung von Feuchtgebieten umfassen:

  • Kontrollpunkte und diffuse Verschmutzungsquellen
  • Annahme integrierter Land- und Wasserbewirtschaftungsstrategien und
  • Wiederherstellung der Feuchtgebietshydrologie, der Biodiversität und der Ökosystemfunktionen durch passive und aktive Sanierungsmaßnahmen, wie z.B. Pflanzenkläranlagen.

Kommentare zum IPBES-Bericht zu Landdegradierung und -wiederherstellung

"Der Bericht der Landdegradierung und -wiederherstellung durch IPBES ist für uns alle ein Weckruf. Er zeigt das alarmierende Ausmaß der Umwandlung, die die Menschheit dem Land auferlegt hat, und die sich verändernde Art der Triebkräfte. Wir leben in einer zunehmend vernetzten Welt, doch als Verbraucher leben wir immer weiter weg von den Ländern, die uns tragen. Es reicht nicht aus, die Landdegradierung standortbezogen anzugehen, wenn der Konsum in einem Teil der Welt das Land und die Menschen in einem anderen Teil der Welt beeinflusst. Das globale Ziel der Landdegradierungs-Neutralität erfordert eine neue Landagenda, die sicherstellt, dass wir diese Dynamik effektiv, nachhaltig und gerecht bewältigen können".

Monique Barbut, Exekutivsekretärin des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD)


"Nicht-nachhaltige Landnutzung erschüttert die Erde seit Generationen. Es kostet uns Milliarden, beeinflusst die menschliche Gesundheit und trägt zum Klimawandel bei. Dieser Bericht der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystems ist ein umfassender Versuch, glaubwürdige wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, damit wir viel bessere Entscheidungen über Land treffen können - für unsere Menschen und unseren Planeten."

Erik Solheim, Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms (UNEP)


"Dieser Bericht zeigt die Herausforderungen, denen wir uns aufgrund der globalen Bodenverschlechterung gegenüber sehen, und die Auswirkungen auf das menschliche Leben, wenn diese kritische Frage nicht dringend angegangen wird. Jetzt gilt es, die Empfehlungen des Berichts in konkrete Taten umzusetzen. Dazu müssen wir die biologische Vielfalt und das Wohlergehen der Menschen in den Mittelpunkt der Entscheidungsfindung stellen und die Interaktion zwischen allen Bereichen der Gesellschaft fördern. Die UNESCO wird ihre Rolle spielen, indem sie Erfahrungen einbringt und ihre Ressourcen und Netzwerke mobilisiert, um diese Brücken zwischen Kultur, Bildung, Wissenschaft, lokalem und indigenem Wissen zu bauen."

Audrey Azoulay, Generaldirektorin der UNESCO


"Die Degradierung der Landressourcen untergräbt unsere Bemühungen, den Hunger zu beenden. Der IPBES-Bericht dazu wird ein wichtiger Leitfaden für unsere Landespartner und die FAO sein, da er sich auf die besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse und das lokale Fachwissen stützt. Die Bewirtschaftung der Landressourcen ist entscheidend für unsere Vision einer nachhaltigen Ernährung und Landwirtschaft, und wir sind froh, dass wir dazu beigetragen haben. Ein gesunder Boden ist das Rückgrat eines jeden gesunden Ernährungssystems."

José Graziano da Silva, Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen


"Rund 12 Millionen Hektar Land gehen jedes Jahr durch Degradierung verloren. Neben der Beeinträchtigung des Wohlergehens von mindestens 3,2 Milliarden Menschen kostet die Landdegradierung mehr als 10% des jährlichen globalen BIP an verlorenen Ökosystemleistungen wie die Vermeidung von schädlichen Nährstoffabflüssen in Bächen oder die Verringerung der Auswirkungen von Überschwemmungen. Die Eindämmung und Umkehrung der derzeitigen Trends der Landdegradierung könnte bis zu 1,4 Billionen US-Dollar pro Jahr an wirtschaftlichem Nutzen bringen und einen großen Beitrag zur Erreichung der Ziele der nachhaltigen Entwicklung leisten".

Achim Steiner, Leiter des UN-Entwicklungsprogramms UNDP


Das Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland (NeFo) ist ein Projekt zur inter- und transdisziplinären Vernetzung und Sichtbarmachung der Biodiversitätsforschung in Deutschland über Institutionsgrenzen hinweg. Es wird gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und maßgeblich durchgeführt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig - UFZ sowie dem Museum für Naturkunde Berlin - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung.

Unsere tagesaktuelle Auswahl von Pressemitteilungen aus Biodiversitätsforschung und -politik finden Sie unter www.biodiversity.de und Twitter @Ne_Fo.


NeFo-Interview mit Prof. Aletta Bonn http://www.biodiversity.de/produkte/interviews/Aletta_Bonn_ipbes-bericht-landdegradierung

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news691475

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1521

[1] http://www.biodiversity.de/produkte/interviews/Aletta_Bonn_ipbes-bericht-landdegradierung

http://www.biodiversity.de/schnittstellen/ipbes/news/NeFo-PM_IPBES_Landdegradierung

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung, Sebastian Tilch, 26.03.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung
Pressemitteilung, 26.03.2018 - Langfassung
www.biodiversity.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2018

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