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GENTECHNIK/054: EU-Parlament macht den Weg frei für gentechnikfreie Zonen in den Mitgliedstaaten (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände e.V.
EU-Koordination

EU-News - Dienstag, 13. Januar 2015 / Landwirtschaft & Gentechnik

EU-Parlament macht den Weg frei für gentechnikfreie Zonen in den Mitgliedstaaten



Die Länder der Europäischen Union können künftig leichter den Anbau von Genpflanzen auf ihrem Hoheitsgebiet einschränken oder verbieten. Die entsprechenden Regeln beschlossen heute die Abgeordneten des Europäischen Parlaments.

Unterhändler von Parlament und Mitgliedstaaten hatten sich bereits Ende vergangenen Jahres informell auf einen Kompromiss geeinigt. Diesem stimmten jetzt 480 Abgeordnete zu, 159 votierten dagegen, 58 enthielten sich.

Ein Verbot oder eine Einschränkung müssten die Mitgliedstaaten allerdings begründen. Neben umweltbezogenen Gründen gelten auch Gründe der Stadt- und Raumordnung, der Landnutzung, oder Gründe im Zusammenhang mit den sozioökonomischen Auswirkungen, zum Beispiel die hohen Kosten einer Verunreinigung für biologisch wirtschaftende Landwirte. Außerdem muss ein EU-Land zunächst abwarten, ob ein Konzern, der plant, Genpflanzen anzubauen, der Beschränkung seiner Zulassung zustimmt. Dieser Passus stößt auf Kritik bei Politikern sowie Landwirten und Umweltverbänden.

Die neue Regelung sei rechtlich nicht genügend gegen mögliche Konzernklagen abgesichert, sagte Georg Janßen von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). "Statt alle Chancen zu nutzen, nationale Gentechnikanbauverbote rechtssicher zu machen, haben sich EU-Ministerrat und Europaparlament auf einen schwachen Kompromiss geeinigt, der den Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft und damit einen wichtigen Wettbewerbsfaktor unserer Bäuerinnen und Bauern leichtfertig aufs Spiel setzt."

Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament Martin Häusling kritisierte: "Der Gentechnik-Kompromiss ist ein trojanisches Pferd! Diese Regeln werden den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in der EU leichter machen und zu einem europäischen Flickenteppich bei der Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen führen. Das birgt die Gefahr einer weiteren Ausbreitung von gentechnisch verändertem Material etwa auf dem Transportweg durch EU-Länder, die sich klar gegen diese Agrartechnologie ausgesprochen haben."

Die Gentechnikexpertin des BUND Heike Moldenhauer bemängelte, dass nationale Verbote der Agrogentechnik nicht auf Basis des EU-Umweltrechts, sondern des Binnenmarktrechts durchgesetzt wurden. Außerdem hätte aus sicht des Umweltverbands das Mitspracherecht von Gentech-Konzernen bei nationalen Anbauverboten ersatzlos gestrichen werden müssen. Es dürfe auch nicht passieren, dass die Verantwortung für Anbauverbote auf die Bundesländer abgewälzt wird.

Mute Schimpf von Friends of the Earth Europe (FoEE) bezeichnete die neue Richtlinie als "Chance für Regierungen, die Tür für genetisch manipulierte Pflanzen in der EU zu schließen." Sie appellierte gleichzeitig an die Mitgliedstaaten, die neuen Befugnisse auch im Sinn der Bevölkerung anzuwenden, die mehrheitlich Gennahrung ablehnt.

Das Bundesumweltministerium plant ein vollständiges Verbot für Deutschland. Wichtig sei eine politische Vereinbarung, dass die sogenannte Ausschlussklausel generell in Deutschland gelte, betonte Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth. Die große Mehrheit der Bevölkerung wolle keine Gentechnik in der Landwirtschaft. Federführend zuständig ist das Bundeslandwirtschaftsministerium. In der Großen Koalition gibt es aber keine einheitliche Position gegenüber der Agrogentechnik. Die SPD und die CSU haben sich dagegen ausgesprochen, in der CDU hingegen gibt es viele Befürworter. Die neuen Vorschriften treten in diesem Frühjahr in Kraft. Sie müssen in nächster Zeit noch in nationales Recht umgesetzt werden. [mbu]


Beschluss EU-Parlament
http://www.europarl.europa.eu/news/de/news-room/content/20150109IPR06306/html/Parlament-ermöglicht-GVO-freie-Zonen-in-den-EU-Staaten

AbL
http://www.abl-ev.de/

Grüne im EU-Parlament
http://www.greens-efa.eu/de/anbau-von-gentechnisch-veraenderten-pflanzen-13372.html

BUND
http://www.bund.net/

BMUB
http://www.bmub.de/

FoEE
http://www.foeeurope.org/european-parliament-votes-new-powers-governments-ban-GM-crops-130115

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Quelle:
EU-News, 13.01.2015
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Januar 2015


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