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KATASTROPHEN/028: Fukushima - Das erste Jahr der Katastrophe (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 166 - Februar/März 2012
Die Berliner Umweltzeitung

Fukushima - ein Jahr danach

Oder vielmehr: Das erste Jahr der Katastrophe


Der Super-GAU im japanischen Fukushima ist inzwischen aus den Schlagzeilen verschwunden. Vorbei ist die Katastrophe deswegen noch lange nicht. Im Gegenteil: Das Ende ist nicht absehbar.

Die Katastrophe

Am 11. März 2011 erschüttert ein starkes Erdbeben die Ostküste Japans. Im AKW Fukushima-Daiichi laufen zu diesem Zeitpunkt drei der sechs Reaktoren. Alle drei geraten außer Kontrolle. Kühlsysteme und Stromversorgung fallen aus, die Brennstäbe im Kern der Reaktoren beginnen zu schmelzen. Mehrere Explosionen zerfetzen die Reaktorgebäude. Bis heute ist unklar, ob es sich um Wasserstoff- oder nukleare Explosionen handelte. Das Containment, also die Betonumhüllung des Reaktorkerns, bekommt Risse. Auch im Reaktor IV kommt es zu einer Explosion.

Die Becken mit hochradioaktiven, abgebrannten Brennelementen liegen unter freiem Himmel. Das Wasser darin verkocht, weil die Kühlung nicht mehr funktioniert, zum Teil lecken sie. Mit Feuerwehrschläuchen und Pumpen versuchen Rettungsmannschaften unter Inkaufnahme hoher Strahlendosen, Brennelemente und das Innere der Reaktoren zu kühlen.

Der Strahlendreck

Schätzungen der japanischen Atomaufsicht zufolge setzt der Super-GAU in Fukushima eine Strahlungsmenge zwischen 500 und 1.000 Billiarden Becquerel (Jod-131-Äquivalent) frei. Das wäre ein Zehntel bis ein Fünftel der Menge, die 1986 bei der Explosion des ukrainischen AKW Tschernobyl in die Umwelt gelangte. Auf der internationalen "INES-Skala" zählt Fukushima als "katastrophaler Unfall" der höchsten Stufe sieben, der gesundheitliche Spätschäden im weiten Umfeld und in mehreren Ländern erwarten lässt.

Im Verlauf der Katastrophe und der Rettungsarbeiten fließen Tausende Tonnen zum Teil hochradioaktives Wasser in den Pazifik. Mehrfach lässt AKW-Betreiber TEPCO zudem radioaktiven Dampf aus den Reaktoren ab, um deren Bersten zu verhindern. Einen Teil der radioaktiven Wolke bläst der Wind aufs Meer, der Rest zieht in einem Bogen über Japan hinweg. Selbst im 240 Kilometer entfernten Tokio findet sich radioaktives Jod im Trinkwasser. Monate später sind noch immer Nahrungsmittel kontaminiert, Kontrollen finden nur stichprobenweise statt.

Die Flüchtlinge

Am Morgen des 12. März ruft die japanische Regierung die Bewohner im 20-Kilometer-Umkreis um das AKW auf, zu fliehen. Viele fahren genau dorthin, wohin die radioaktive Wolke weht. In Flüchtlingslagern spielen Kinder im radioaktiven Fallout. Wochen später legt die Regierung auch den Menschen, die in 20 bis 30-Kilometer Entfernung um das AKW wohnen, eine Flucht nahe. Diese Empfehlung hebt sie sechs Monate später wieder auf. Die 20-Kilometer-Zone bleibt aber auf unbestimmte Zeit gesperrt. Von 100.000 wegen des Atomunfalls evakuierten Menschen spricht die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ).

Messungen zeigen, dass die tatsächlich kontaminierte Zone weit größer ist als der 30-Kilometer-Ring um dass AKW. Zigtausende Menschen haben, um Gesundheitsschäden zu entgehen, auf eigenen Entschluss und ohne Aussicht auf Entschädigung Haus und Heimat verlassen. Die Zahl der Strahlenflüchtlinge dürfte also weit höher liegen als amtlich angegeben.

Die Shutdown-Lüge

Kurz vor Jahreswechsel verkündete die Regierung den sogenannten "cold shutdown" aller drei Havariemeiler in Fukushima-Daiichi: Der Begriff "cold shutdown" bezeichnet allerdings einen kontrolliert heruntergefahrenen, intakten Reaktor.

Tatsächlich hat sich die heiße Uranmasse jeweils durch die dicke Stahlwand des Druckbehälters hindurch in den Betonboden des Containments geschmolzen. In welchem Zustand sie sich befindet, weiß niemand. Noch immer tritt Radioaktivität aus. Und die Gefahr einer neu startenden Kettenreaktion im AKW Fukushima ist noch lange nicht gebannt.

Am 11. März, ein Jahr nach Beginn der atomaren Katastrophe in Fukushima, wird es in Deutschland sechs große Demonstrationen oder Aktionen in verschiedenen Städten und an Atomstandorten geben. Die Proteste werden von regionalen Bündnissen organisiert.

jm


Infos zu Demonstrationen und Aktionen am 11. März:
www.ausgestrahlt.de


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Quelle:
DER RABE RALF - 22. Jahrgang, Nr. 166 - Februar/März 2012, S. 16
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. März 2012