Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

KATASTROPHEN/049: Untergang der Zivilisation fast unvermeidlich - Forscher in USA schlagen Alarm (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Januar 2013

Umwelt: Untergang der Zivilisation fast unvermeidlich - Forscher in USA schlagen Alarm

von Stephen Leahy


© Amantha Perera/IPS

Extreme Wetterlagen treffen die ärmere Bevölkerung besonders hart
Bild: © Amantha Perera/IPS

Uxbridge, Kanada, 14. Januar (IPS) - Experten, die sich mit der Gesundheit des Planeten Erde befassen, blicken mit großer Sorge in die Zukunft. Sie rechnen damit, dass eine Reihe miteinander verbundener Umweltprobleme zum Untergang der menschlichen Zivilisation führen wird.

"Wir haben alle Angst", sagt Paul Ehrlich, Präsident des Zentrums für Naturschutzbiologie an der Stanford-Universität in den USA. "Gleichwohl müssen wir die Wahrheit über das sagen, was passiert, und die Menschen dazu bringen, etwas zu tun, um dies zu verhindern."

Der Forscher und seine Frau, die Wissenschaftlerin Anne Ehrlich, halten den Kollaps der menschlichen Zivilisation weltweit für wahrscheinlich. Wie sie in der angesehenen Fachzeitung 'Proceedings of the Royal Society' schreiben, erwarten sie einen "schrittweisen Zusammenbruch", da Hungersnöte, Epidemien und Rohstoffverknappung zu einem Zerfall der zentralen Kontrolle innerhalb von Staaten führen würden. Hinzu kämen die Folgen von Handelsproblemen und Konflikten, die wegen der immer spärlicheren Ressourcen ausbrechen würden.

Derzeit leiden weltweit rund zwei Milliarden Menschen an Hunger. Den beiden Forschern zufolge ist die Nahrungsmittelproduktion der größte Industriezweig, der bereits die Auswirkungen des Klimawandels und anderer Umweltprobleme zu spüren bekommte. "Keine Zivilisation kann ihren Zusammenbruch verhindern, wenn sie ihre Bevölkerung nicht mehr ernähren kann", schreibt das Forscherpaar in seinem kürzlich veröffentlichten Artikel 'Lässt sich ein Zusammenbruch der Zivilisation verhindern?'


Versauerung der Meere und Vernichtung der Biodiversität

Die sich zuspitzenden Klimaveränderungen, die Versauerung der Meere, tote Zonen in Ozeanen, die Erschöpfung der Grundwasserreserven sowie die Vernichtung von Tier- und Pflanzenarten sind demnach die Hauptfaktoren des bevorstehenden Untergangs des menschlichen Lebens.

Dutzende Fachleute werden in dem zehnseitigen Papier, das mehr als 160 Fußnoten enthält, zu Rate gezogen. "Wir haben mit einigen der führenden Experten gesprochen, um zu reflektieren, was tatsächlich passiert", sagt Ehrlich, der als Biologe zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat.

Angesichts des derzeit übermäßigen Konsums von Rohstoffen und des daraus resultierenden Schadens an den lebenserhaltenden Dienstleistungen der Natur benötigt die Menschheit anderthalb Welten, um weitermachen zu können. Vorausgesetzt, alle sieben Milliarden Einwohner der Erde blieben bei ihrem aktuellen Lebensstandard.

"Wenn aber alle so lebten wie die US-Bürger, wären vier oder fünf Welten nötig. Die globale Bevölkerung wird bis 2050 schätzungsweise um 2,5 Milliarden Menschen anwachsen. Man muss kein Experte sein, um daraus zu folgern, dass der Zusammenbruch der Zivilisation unvermeidlich ist, wenn es keine größeren Veränderungen gibt", schreiben die Wissenschaftler.

Paul Ehrlich geht davon aus, dass in der Zukunft Milliarden Menschen sterben werden. Bisher werde aber kaum etwas unternommen, um eine Katastrophe zu verhindern. "Politiker und die Öffentlichkeit sind nicht erschrocken, weil sie nicht Bescheid wissen, wie unser Planet funktioniert", meint er.

Im vergangenen März haben Wissenschaftler aus aller Welt auf der Konferenz 'Planet under Pressure' in London die erste Einschätzung zur Lage des Planeten abgegeben. Mehr als 3.000 Experten kamen zu dem Schluss, dass die Menschheit mit einer 'Notlage' der Erde konfrontiert werde und keine Zeit zu verlieren sei, um großangelegte Veränderungen in die Wege zu leiten.


Mangel an öffentlicher Aufmerksamkeit eine "Tragödie"

2010 hatte ein Bündnis aus nationalen Institutionen und internationalen Wissenschaftsvereinigungen aus 141 Ländern bereits davor gewarnt, dass "das kontinuierliche Funktionieren des uns bekannten Systems Erde gefährdet ist". Die Lage sei "absolut verzweifelt", und dennoch stehe nichts darüber auf den Titelseiten oder auf den Tagesordnungen der Mächtigen der Welt, kritisierte Pat Mooney, Direktor der internationalen Umweltorganisation 'ETC Group'. "Der Mangel an Aufmerksamkeit ist eine Tragödie."

Doch es gibt offenbar Lösungen, die die Ehrlichs in ihrem Bericht kurz beschreiben. Diese Lösungen erfordern allerdings tief greifende Veränderungen. Alle Staaten müssten demnach alles ihnen Mögliche tun, um die Emissionen fossiler Brennstoffe zu reduzieren, ohne ihr Handeln von möglichen Aktivitäten anderer Länder abhängig zu machen.

Der Schutz der Artenvielfalt auf der Erde muss nach Ansicht der Experten bei allen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen eine zentrale Rolle spielen. Die Wasser- und Energiesysteme müssten überholt werden, die Landwirtschaft müsse den Übergang von industriellen Monokulturen, die große Mengen fossiler Energie benötigten, zu einer auf ökologischen Kriterien basierenden Nahrungsproduktion schaffen. "Widerstandskraft und Flexibilität werden entscheidend dafür sein, ob die Menschheit überleben kann."

Der britische Prinz Charles erklärte in einem Kommentar zu dem Papier der Ehrlichs, dass ein wesentliches Element bei der Vorbereitung auf diese beispiellose Herausforderung darin bestehe, "uns als vollkommen eingebettet in die Natur zu sehen und uns nicht von diesen wertvollen Systemen abzugrenzen, die alles Leben erhalten." So weitermachen wie bisher, käme einem gigantischen Selbstmord gleich. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/280/1754/20122845
http://www.stanford.edu/group/CCB/cgi-bin/ccb/
http://www.planetunderpressure2012.net/
http://www.icsu.org/
http://www.etcgroup.org/
http://www.ipsnews.net/2013/01/experts-fear-collapse-of-global-civilisation/

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. Januar 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Januar 2013