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KATASTROPHEN/054: Argentinien - Bauboom verschlimmert Überschwemmungen im Paraná-Delta (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. April 2013

Argentinien: Bauboom verschlimmert Überschwemmungen im Paraná-Delta

von Marcela Valente



Buenos Aires, 25. April (IPS) - Im Mündungsgebiet des Paraná-Flusses in Argentinien ist der Bau bewachter Wohnanlagen seit einigen Jahren außer Kontrolle geraten. Die Häuser verhindern den natürlichen Abfluss von Wasser und schaden so dem Ökosystem. Die Gefahr von Überschwemmungen in dem großen Gebiet nahe der Hauptstadt Buenos Aires nimmt zu. Doch Warnungen von Umweltschützern und Anwohnern scheinen allmählich zu fruchten.

Wie ernst das Problem ist, zeigte sich bei den Überflutungen Anfang April in Buenos Aires und vor allem in der Stadt La Plata, wo fast 60 Menschen in den Wassermassen ums Leben kamen.

Der Immobilien- und Bauboom, der Mangel an Regenkanälen, die die immer häufiger und heftiger auftretenden Niederschläge ableiten können sowie fehlende Nothilfepläne stehen derzeit im Zentrum der öffentlichen Debatten in Argentinien.

Das Paraná-Delta ist ein riesiges Feuchtgebiet, das sich im Bereich des Unterlaufs des fast 5.000 Kilometer langen Flusses über eine Fläche von 17.500 Quadratkilometern ausbreitet. Bevor der Paraná zusammen mit dem Uruguay-Fluss den Mündungstrichter Rio de la Plata bildet, teilt er sich in eine Vielzahl von kleinen Armen.


Traditionelle Gebäude stehen auf Stelzen

Die traditionellen Häuser auf den Inseln im Flussdelta sind auf Stelzen gebaut, haben hölzerne Stege und sind von Röhricht umgeben. Sie harmonieren mit einem Ökosystem, das darauf eingestellt ist, in Abständen mit größeren Überschwemmungen fertigzuwerden. Das artenreiche Gebiet liefert nicht nur Wasser, sondern reguliert auch die infolge des Klimawandels immer häufiger anschwellenden Wassermengen des Flusses.

Anders verhält es sich bei den 229 Wohnkomplexen unterschiedlicher Größe, die in den vergangenen Jahren in der Überschwemmungsebene des Flusses gebaut wurden. In den meisten Fällen handelte es sich um Luxuswohnungen mit angrenzenden Golf- und Tennisplätzen, Einkaufszentren, Schulen und Reitställen. Nach Angaben von Stadtplanern wurden etwa 90 Prozent dieser Gebäude in flutgefährdeten Auengebieten errichtet. Zehn Prozent stehen demnach auf Inseln aus künstlich aufgeschüttetem Treibsand.

Daniel Blanco, der Direktor der Fundación Humedales (Stiftung Feuchtgebiete) bezeichnet den Bauboom als sehr aggressiv. Die Region verliere ihre natürliche Fähigkeit, Wasser zu absorbieren, und dies in Zeiten, in denen sich die Stürme verstärkten, warnt er.

Mitarbeiter der unabhängigen Organisation, die für die nachhaltige Nutzung von Feuchtgebieten wirbt, kritisieren, dass die Bauprojekte mit falschen Tatsachen begründet würden. So werde behauptet, dass diese Flächen nicht produktiv zu nutzen seien. Bei den Bauarbeiten werde Land eingeebnet und ausgetrocknet. Wasserwege würden umgeleitet, wodurch das natürliche Funktionieren des Feuchtgebietes gestört werde.

Sie versuchen den Ort in ein Trockengebiet zu verwandeln, kritisieren die Autoren der Studie 'Bienes y servicios ecosistémicos de los humedales del Delta del Paraná' ('Ökosystemische Güter und Dienstleistungen der Feuchtgebiete des Paraná-Deltas'), die vor Überschwemmungen in angrenzenden Regionen warnt.

Patricia Kandus, Natalia Morandeira und Facundo Schivon von der Fundación Humedales erklären, dass das Ökosystem des Deltas zwar keine Überschwemmungen verhindert, aber den Anstieg des Flusspegels bremst und einen Teil des Wasservolumens zurückhält. Das Wasser wird gefiltert und dank der Pflanzendecke, die wie ein Schwamm wirkt, langsam wieder abgegeben.

Die Warnungen von Umweltschützern und Anwohnern haben gemeinsam mit den gravierenden Auswirkungen der sintflutartigen Regenfälle in Buenos Aires bewirkt, dass einige Investitionsvorhaben blockiert wurden. Die Reglementierung des Baus neuer Häuser auf den Inseln kam zudem voran.


Bau von 1.000 Luxuswohnungen gestoppt

Eines der gestoppten Projekte ist Colony Park, das eine Privatinsel des Friedens und der Ruhe auf 300 Hektar Land im Delta del Tigre, der flachsten Stelle des Feuchtgebietes, versprochen hatte. Angekündigt wurde der Bau von 1.000 Luxuswohnungen. Wegen des Streits über das Vorhaben und einer gerichtlichen Klage von Anwohnern entwarf die Stadtverwaltung von Tigre im vergangenen Jahr strengere Planungsrichtlinien für die Bebauung der Inseln.

Gebäude müssen dort künftig auf Stelzen errichtet werden, und die natürliche Höhe der Inseln darf nicht durch Anhäufung von Sedimenten erhöht werden. Außerdem ist es verboten, das Zentrum der Inseln künstlich aufzufüllen. Die Inseln in dem Delta haben für gewöhnlich die Form einer Schüssel, deren Hohlraum Flutwasser aufnimmt. Um Überschwemmungen zu verhindern, wurden sie aufgeschüttet.

In Campana, einem anderen Vorort von Buenos Aires, erreichte eine lokale Vereinigung, dass der Bau eines für 40.000 Menschen entworfenen Wohnkomplexes am Luján-Fluss, einer der Zuflüsse des Deltas, zunächst ausgesetzt wird. Ende Oktober stieg der Pegel des Paraná um fast fünf Meter. Nicht nur die Ufergebiete, sondern auch das Zentrum von Luján und die bekannte Basilika standen daraufhin unter Wasser. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.wetlands.org/LinkClick.aspx?fileticket=%2fPlzV54OSMA%3d&tabid=56
http://www.fundacionhumedales.org/
http://ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102689
http://www.ipsnews.net/2013/04/luxury-homes-block-up-delta-near-buenos- aires/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2013