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KATASTROPHEN/062: Kuba - Anhaltender Notstand seit Hurrikan 'Sandy', viele Menschen noch obdachlos (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. August 2013

Kuba: Anhaltender Notstand seit Hurrikan 'Sandy' - Viele Menschen noch obdachlos

von Patricia Grogg


Bild: © Jorge Luís Baños/IPS

In Santiago de Cuba sollen in diesem Jahr 3.000 neue Wohnungen entstehen
Bild: © Jorge Luís Baños/IPS

Santiago de Cuba, 14. August (IPS) - Neun Monate nach dem Wirbelsturm 'Sandy', der als schlimmster Hurrikan seit Jahrzehnten den Osten Kubas getroffen hat, sind die Schäden noch immer nicht vollständig beseitigt. Allein in der Stadt Santiago de Cuba wurden fast 38.000 Wohnungen ganz oder teilweise zerstört.

Immerhin fühlen sich die Bewohner des östlichen Teils der Insel inzwischen besser auf Katastrophen vorbereitet. "Wir werden umfassender informiert als früher", sagt die 31-jährige Musikerin Melly Alvarez, die in dem schwer geschädigten Zentrum von Santiago de Cuba lebt. "Seit 'Sandy' kam, achten wir mehr auf Wetterwarnungen und treffen Vorsichtsmaßnahmen."

Experten raten allen Städten des karibischen Inselstaates dringend dazu, sich auf Hurrikane vorzubereiten, vor allem wenn sie wie Santiago de Cuba dicht besiedelt sind und in einem gebirgigen Gebiet liegen.

Alvarez lebt in einem Haus, das seit dem Sturm immer noch nicht vollständig hergerichtet wurde. "Bei der Verteilung der Materialien ging es nicht mit rechten Dingen zu", sagt sie. "Die Behörden haben dann aber eingegriffen und den Wiederaufbau beschleunigt. Die Arbeiten werden inzwischen besser organisiert."

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Bewohner eines durch den Hurrikan 'Sandy' zerstörten Hauses in Santiago de Cuba
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Der Wohnungsbausektor war am schlimmsten von dem Sturm betroffen, der am 25. Oktober 2012 mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 200 Stundenkilometern über die Insel fegte. Offiziellen Daten zufolge wurden 15.888 Wohneinheiten komplett zerstört. 22.000 weitere Apartments stürzten teilweise ein. Insgesamt war etwa die Hälfte aller Gebäude in der 847 Kilometer östlich von Havanna gelegenen Stadt betroffen.


Mangel an Dachmaterial

Viele Häuser haben ihre Dächer verloren. Die dort lebenden Familien werden wegen der Verzögerungen beim Wiederaufbau allmählich ungeduldig. "Wir brauchen sechs Millionen Quadratmeter Dachmaterial. Doch landesweit werden nur knapp eine Million produziert", klagt Madeleine Cortés, die Vizepräsidentin des staatlichen Verwaltungsrats in der Provinz Santiago.

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Wellblech für die Dächer ist in Santiago de Cuba Mangelware
Bild: © Jorge Luís Baños/IPS

Kubaner, deren Häuser durch den Hurrikan beschädigt wurden, erhalten vom Staat einen 50-prozentigen Preisnachlass auf Baumaterialien sowie Bankdarlehen mit niedrigen Zinsen und langer Laufzeit. Wenn Familien obdachlos werden, trägt die Regierung die Kosten für den Kredit. Haushalte mit sehr geringen Einkommen erhalten ohnehin finanzielle Unterstützung.

Laut Cortés sollen bis 2019 im Rahmen des Wiederaufbaus 21.400 Wohneinheiten für Menschen, die von dem Hurrikan 'Sandy' betroffen sind, sowie für die ärmsten Familien gebaut werden. Die Behörden wollen jedes dieser neuen Gebäude sturm- und erdbebensicher machen.

Nahe Mar Verde, einem Küstenort westlich von Santiago de Cuba, traf 'Sandy' zuerst auf kubanisches Territorium. Mehr als 40 Familien warten dort noch immer auf ein neues Zuhause, nachdem das alte von einer Flutwelle weggespült wurde. In der Zwischenzeit wohnen sie in Hütten, die eigentlich für Urlauber aufgestellt wurden.

"Die Menschen wollen lieber weiter landeinwärts leben", sagt Heriberto Téllez, der eine Agrarkooperative verwaltet. Wie seine Nachbarn hofft der 53-Jährige, dass die neuen Häuser wieder mit Elektrogeräten ausgestattet sein werden. "Wir sind ein armes Land, nicht alles kann auf einmal gemacht werden", räumt er ein.

Kleinbauern, die an der Südküste der Provinz Santiago leben, berichten, dass die Zeit nach dem Hurrikan am schwierigsten war. "Normalerweise sind wir froh, dass die Wirbelstürme Regen bringen", sagt Carlos Arias, der Vorsitzende einer landwirtschaftlichen Genossenschaft in der Region. "Doch 'Sandy' hat die intensive Dürre nicht gemildert. In den vergangenen neun Monaten hat es hier kaum geregnet."


Traumatisierte Tiere

Die Naturkatastrophe habe zudem Kaninchen, Schweine und andere Nutztiere so sehr traumatisiert, dass sie sich nicht mehr vermehrten, berichtet der Farmer. Die Hühner legten weniger Eier, die Kühe gäben weniger Milch, und sogar die Bienen produzierten weniger Honig. "Die Auswirkungen der Katastrophe werden wir noch jahrelang spüren."

Wie die Regierung von Präsident Raúl Castro Ende Juli bekanntgab, wird der durch 'Sandy' verursachte Schaden an Häusern, Straßen sowie Strom- und Telefonleitungen in den drei am schwersten betroffenen Provinzen Santiago de Cuba, Holguín und Guantánamo auf etwa sieben Milliarden US-Dollar geschätzt. Der Sturm war von starken Regenfällen und Überschwemmungen begleitet worden.

Bild: © Jorge Luís Baños/IPS

'Sandy' riss Bäume auf dem Platz Carlos Manuel de Céspedes in Santiago de Cuba um
Bild: © Jorge Luís Baños/IPS

Allein in Santiago beliefen sich die Schäden auf etwa 4,7 Milliarden Dollar, wie die Provinzbehörden mitteilten. 2,6 Milliarden Dollar davon entfallen auf Häuser, die vollständig oder teilweise einbrachen. 2008 hatten bereits der Tropensturm 'Fay' und die Hurrikane 'Gustav', 'Ike' und 'Paloma' mehr als 647.000 Wohneinheiten auf Kuba beschädigt.

Die extremen Wetterbedingungen zwingen die Regierung dazu, den größten Teil ihres Etats für den Wiederaufbau der durch Stürme und heftigen Regen zerstörten Häuser zu verwenden. Der Osten der Insel gilt zudem als erdbebengefährdet. Nach Angaben der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) fehlen in dem Land mit rund 11,2 Millionen Einwohnern etwa 700.000 Wohnungen. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.eclac.org/
http://www.ipsnoticias.net/2013/08/sandy-elevo-la-percepcion-de-riesgo-en-santiago-de-cuba/
http://www.ipsnews.net/2013/08/hurricane-sandy-raised-risk-awareness-in-eastern-cuba/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. August 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2013