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KATASTROPHEN/161: Kolumbien - Hidroituango in Bildern, Flora und Fauna (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Hidroituango in Bildern - Flora und Fauna

Von Jonathan Luna


(Bogotá, 27. Juni 2018, Colombia Informa) - Die Staudämme in Kolumbien sind zu einer Bedrohung für die Lebensmodelle und die Ökosysteme in den Gemeinden geworden. Im Fall von Hidroituango sind nicht nur die negativen Folgen für die Bewohner*innen beachtlich, sondern auch die Vertreibung und Ausrottung der Flora und Fauna, die den Cauca-Fluss bewohnen. Während des Sommers gibt es im tropischen Trockenwald nur wenig Wasser und an den wenigen Stellen, wo es sich zeigt, kommt es von den Bachläufen, die nur oberflächlich ausgetrocknet sind. Und genau dort versammeln sich verschiedene Tiere, wie diese Schmetterlinge (siehe Foto), um Wasser zu trinken. Die endemischen Bäume und Pflanzen des tropischen Trockenwaldes haben Strategien entwickelt, um diese langen Dürre-Perioden zu überleben und deswegen gilt dieses nun stark bedrohte Ökosystem als eines der widerständigsten gegenüber den Herausforderungen des Klimawandels. Mit Lügen von nachhaltiger und ökologischer Entwicklung wurden in Kolumbien tausende Hektar dieser Wälder dem Bau von Staudämmen geopfert.

Ein weiteres Problem beim Bau von Staudämmen, wie Hidroituango, ist die fehlende Sorgfalt bei den Studien über die Auswirkungen für die Umwelt. Es gibt große Lücken bei den Untersuchungen über die Konsequenzen für das Ökosystem, das Klima und die Biodiversität. Beim Hidroituango gibt es keine professionelle Arbeitsgruppe, die sich mit der Bedrohung der endemischen Artenvielfalt in der betroffenen Gegend auseinandersetzt.

Die endemische Rattenart, Rata Espinosa del Magdalena, lebt in den Trockenwäldern. Man findet sie in den Flussbetten des Flusses Magdalena und Cauca:

Die Wildtier-Programme des städtischen Unternehmens Öffentlicher Dienstleistungen EPM (Empresas Públicas de Medellín, Hauptgesellschafter des Megaprojektes, Anm.d.Ü.) sind intransparent. Man weiß nicht, wie viele Tiere und welche Arten sich vor der Flutung des Staudamms retten konnten, welche Tiere in Rehabilitationszentren und welche Tiere in den Fluten ertrunken sind. Während des Aufenthalts der solidarischen Karawane "Abrazando el Cañón del Río Cauca" in Ituango, konnte man eine Menge Reptilien, Amphibien und Insekten dabei beobachten, wie sie aus dem Wasser gekommen sind und nach trockener Vegetation suchten, um sich zu schützen. (...)

Die Tiere, die sich während des Besuches der Karawane im Staubecken bei El Bombillo in der Gemeinde Ituango befanden, zeigten Anzeichen von Erschöpfung (...). Dort, wo sich im Staubecken Stämme und Holz dicht aufgetürmt haben, gibt es kein Durchkommen mehr. Man kann auch nicht unten durch schwimmen, um dieses Gebiet zu durchqueren. Wie die Einwohner*innen von Guayacanes, sind auch viele Tiere, v.a. große Säugetiere, zwischen Ansammlungen von Treibholz und aufragenden Felsen gefangen, tageweise reichte ihnen das Wasser bis zum Hals.

Seit der Flutung des Staudamms sind viele Tiere orientierungslos. Es gibt Tiere wie diesen Helmbasilisk (siehe Foto), eine amphibische Leguan-Art, die den katastrophalen Wandel, den die Flutung mit sich gebracht hat, überlebt haben. Es gibt aber auch viele Geschichten von Tieren, die nie erzählt werden können, weil sie die Flutung des Tals nicht überlebt haben. Gerade im Fall von Hidroituango war es eine Flutung ohne jede Vorbereitung. Nach Angaben von Claudia González, Direktorin der Umweltbehörde ANLA (Autoridad Nacional de Licencias Ambientales), wurden 32.516 Wildtiere gerettet, wovon 1018 gestorben sind und 31.461 an einen anderen Ort gebracht wurden.

Die Insektenarten und andere wirbellose Tiere werden bei Hidroituango und anderen Staudammprojekten nicht weiter beachtet und so tauchen sie auch nicht in den Listen bedrohter Arten auf. All diesen Projekten fehlt es an Untersuchungen über die Folgen für die Insektenbestäubung, die unabdingbar für die Ökosysteme und die Landwirtschaft ist. Laut der Studie "Der tropische Trockenwald in Kolumbien" [1] vom Umweltministerium und vom Humboldt-Institut aus dem Jahr 2014 gibt es über 600 Bienenarten im tropischen Trockenwals, aber man weiß nicht genau welche, wo sie leben, etc.

Die Präsenz von Affen in einem Wald gibt Auskunft über den Zustand des Ökosystems, denn die Primaten reagieren besonders sensibel auf die Zerstörung ihres Lebensraums und die Jagd nach ihnen. Im Tal des Cauca-Flusses finden sich auch bedrohte endemische Arten, wie der Weißfußaffe und andere empfindliche Spezies, wie der Kolumbianische Nachtaffe und die Weißschulter-Kapuzineraffen (siehe Foto).

Die kolumbianischen Trockenwälder beherbergen fast 2.600 Pflanzenarten, wovon 83 endemisch sind. In der oben genannten Studie werden 116 bedrohte Arten aufgeführt, 41 davon sind vom Aussterben bedroht. In der Bestandsaufnahme zur Pflanzenvielfalt, die die Staudamm-Erbauer*innen von Hidroituango oder El Quimbo durchführen, kommen die Epiphyten (Pflanzen, die auf anderen Pflanzen wachsen, Anm.d.Ü.), wie Orchideen, Kakteen und Bromelien nicht vor. Im Fall von El Quimbo wurde eine neue Epiphyten-Art (Pitcairnia huilensis) zwischen den gefällten Bäumen im Magdalena-Tal entdeckt, die sich auf dem Baumfriedhof, der diesen Staudamm im Departamento Huila umgibt, anhäufen. Auf dem Foto ist eine epiphytische Bromelien-Art der Gattung Tillandsia zu sehen.

Ebenso wie die Wirbellosen und die epiphytischen Pflanzen, stehen auch die Amphibien auf der Liste der in Mitleidenschaft gezogenen Tiere. In den Untersuchungen über die Folgen für die Umwelt, werden aber die gewöhnlichen Arten der Amphibien kaum katalogisiert, es gibt immer wichtige Arten, die nicht aufgenommen werden. Darunter vom Aussterben bedrohte Arten, endemische Arten und solche, die für die wissenschaftliche und medizinische Forschung von Bedeutung sein können, wie etwa die Giftfrösche. Im Flusstal des Cauca kam der gelb gestreifte Giftfrosch (Dendrobates truncatus) sowie eine endemische Art, der Raketenfrosch Santa Rita Colostethus fraterdanieli, sehr häufig vor.

Der Bau von Hidroituango zog die Vernichtung von mehr als 4.000 Hektar tropischem Trockenwald nach sich. Das ist besonders besorgniserregend, wenn man bedenkt, dass der tropische Trockenwald zu den bedrohtesten Ökosystemen des Landes zählt. Nur noch acht Prozent der ursprünglichen Ausdehnung sind erhalten. In der Studie bestätigt sich, dass die Zerstörung des Waldes hauptsächlich durch die Ausbreitung der Land- und Forstwirtschaft, durch Bergbau, wachsende Städte und Industrie, durch Infrastruktur- und Megaprojekte sowie durch die Einführung exotischer und invasiver Arten verursacht wurde.

Kolumbien ist das Land mit der größten Vogelvielfalt weltweit. In den tropischen Trockenwäldern leben 230 Vogelarten, wovon 33 endemisch sind. Die staatliche Politik ist heuchlerisch und widersprüchlich, was den Schutz ihrer größten Reichtümer - Wasser und Biodiversität - betrifft. Auf der einen Seite sagen sie, sie wollen diese biologische und kulturelle Vielfalt erhalten und feiern sie aus wirtschaftlichen, touristischen und wissenschaftlichen Gründen und auf der anderen Seite fördern sie den Neo-Extraktivismus und zerstören die Lebensräume der unterschiedlichen Ökosysteme und der Gemeinden. Der Bechsteinara oder Grüner Ara ist eine stark vom Aussterben bedrohte Art und das Tal des Cauca ist eines der letzten Lebensräume in Lateinamerika für diesen Ara.

Die Politik sieht die Flüsse als Energiequelle und sie opfern die höher gelegenen Regionen der Flussbecken für Staudämme und Mini-Kraftwerke und die mittleren und tiefer gelegenen Regionen für die Beförderung industrieller Handelsware. Die Menschen am Fluss leben in Gemeinschaften, die geschichtlich gesehen keine Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnisse kennen, sie arbeiten auf eigene Rechnung, sei es als Goldwäscher*in und Fischer*in oder sie leben von der Landwirtschaft und Jagd und alles wird mit dem Kollektiv geteilt. In den freien Gemeinschaften, die oft in Gebieten mit großer Biodiversität von der Selbstversorgung leben, ist der Fluss der einzige Arbeitgeber. Und in das aktuelle wirtschaftliche System, wo eine politische Klasse vom Neo-Extraktivismus leben will, passen sie nicht rein.

Wenige Kilometer flussabwärts von der Mauer des Hidroituango mündet der Fluss Espiritusanto in den Cauca. Obwohl der Hidroituango bereits zu einer Katastrophe geführt hat, gibt es immer noch Befürworter*innen dafür, auch an diesem Fluss einen Staudamm zu bauen, den Hidroespiritusanto.


Jonathan Luna ist Fotograf [2] und Mitglied der Bewegung Ríos Vivos. Er arbeitet bei Colombia Informa in der Sektion Naturfotografie mit.


Anmerkungen:

[1] http://media.utp.edu.co/ciebreg/archivos/bosque-seco-tropical/el-bosque-seco-tropical-en-colombia.pdf
[2] https://www.instagram.com/entre.aguas/


URL des Artikels:
https://www.npla.de/poonal/hidroituango-in-bildern-flora-und-fauna/


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https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/

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Quelle:
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Telefon: 030/789 913 61
E-Mail: poonal@npla.de
Internet: http://www.npla.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2018

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