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KLIMA/290: Costa Rica - Klimaneutral bis 2021, Land verlässt sich vor allem auf seine Wälder (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Februar 2014

Costa Rica: Klimaneutral bis 2021 - Land verlässt sich vor allem auf seine Wälder

von Diego Arguedas Ortiz


Bild: © Germán Miranda/IPS

Costaricanischer Regenwald
Bild: © Germán Miranda/IPS

San José, 5. Februar (IPS) - Costa Rica hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Bis 2021 will das zentralamerikanische Land zum ersten CO2-neutralen Land der Erde werden. Doch nach Ansicht von Klimaschützern verlässt sich das Land zu sehr auf seine Wälder.

CO2- oder Klimaneutralität bedeutet, dass genauso viele Treibhausgase gebunden wie produziert werden. Inwieweit sich der nächste Staatspräsident für den sogenannten Klimaneutralitätsplan engagieren wird, ist unbekannt. Denn für die beiden Kontrahenten, die sich im April einer Stichwahl stellen, hatte das Thema im Wahlkampf keine Priorität.

Mehr als drei Millionen Costaricaner werden am 6. April entscheiden, wer das höchste Staatsamt übernimmt: der Mittelinks-Politiker Luis Guillermo Solís von der oppositionellen Partei der bürgerlichen Aktion (PAC) oder der Mitte-Rechts-Kandidat der regierenden Partei der Nationalen Befreiung (PLN), Johnny Araya. Da keiner von beiden im ersten Wahldurchgang 40 Prozent der Stimmen erreichte, müssen sie sich nun einem zweiten Durchlauf stellen.

Der PAC-Umweltberaterin Patricia Madrigal zufolge lässt sich das CO2-Neutralitätsziel nicht bis 2021 schaffen. Realistischer sei das Jahr 2025. Ihrer Meinung nach sollte die Zielsetzung als Orientierungshilfe für die Behörden und nicht als Pflichtprogramm verstanden werden.

2007 hatte sich Costa Rica dazu entschlossen, zum Pionier in Sachen Klimaschutz zu werden. In diesem Sinne soll bis 2021, 200 Jahre nach der Unabhängigkeit, die im Land emittierte CO2-Menge neutralisiert werden. Um das Ziel zu erreichen, bedarf es gravierender Veränderungen im Transport-, Energie- und Landwirtschaftsbereich und der Mitwirkung der Wirtschaft.


Neutralitätsziel als Ablenkungsmanöver

Nach Ansicht von Mónica Araya, Leiterin der Umweltorganisation 'Costa Rica Limpia' ('Sauberes Costa Rica'), ist der Klimaneutralitätsplan, da er nicht den Transportsektor als größten nationalen CO2-Verursacher einbezieht, vor allem ein Instrument, um an internationale Gelder zu kommen. Araya hatte bis Mitte 2013 dem Team von Klimaexperten angehört, die im Auftrag der Regierung an den Weltklimagesprächen teilnehmen.

Wie Costa Ricas Umwelt- und Energieminister René Castro gegenüber IPS erklärte, ist das Land dem Ziel der Klimaneutralität "um 75 bis 80 Prozent" nähergekommen. Allerdings räumte er ein, dass der Transportsektor, der 42 Prozent der CO2-Emissionen des Landes verursacht, die Regierung vor enorme Herausforderungen stelle.

Auf dem Weg zum CO2-Neutralitätsziel werden die Bemühungen, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern und das öffentliche Transportsystem zu modernisieren, eine besondere Rolle spielen. Die beiden Präsidentschaftsanwärter haben vorgeschlagen, in der Hauptstadt San José eine Straßenbahnlinie aufzubauen und für eine Modernisierung von Bussen und Taxen zu sorgen.

Auf der Haben-Seite des 4,4 Millionen Einwohner zählenden Landes stehen die Erfolge, die das Land bei der Wiederaufforstung vorweisen kann. 1983 war das 51.100 Quadratkilometer große Staatsgebiet zu 21 Prozent bewaldet, 2012 zu 52 Prozent. Möglich wurde dies durch das staatliche Programm zur Zahlung von Umweltdiensten, einem Vorläufer der UN-Initiative REDD.

REDD sieht Kompensationszahlungen für überprüfbare CO2-Emissionsreduzierungen durch Waldschutzmaßnahmen, nachhaltige Waldbewirtschaftungsformen und die Verbesserung der Wirtschaftslage von Waldbewohnern vor. Hinter der Initiative steckt die Idee, den Schutz und die Aufforstung von Wäldern als CO2-Senken finanziell attraktiv zu machen.


Drastischer Anstieg der CO2-Emissionen

Doch wie aus einer vom Nationalrat der Universitätsrektoren in Auftrag gegebenen Studie ('Zur Lage der Nation 2013 - Herausforderungen von 2014 bis 2018') hervorgeht, hat sich der costaricanische CO2-Fußabdruck zwischen 2002 und 2012 um 43 Prozent beziehungsweise durch einer Zunahme der Klimagasemissionen um 15 Millionen Tonnen vertieft.

Beide Präsidentschaftskandidaten sind für eine institutionelle Reform der Klimapolitik. Derzeit ist für Klimafragen die Leitungsstelle für den Klimawandel zuständig, die im Ministerium für Umwelt und Energie angesiedelt ist. Die PAC wirbt mit der Einrichtung eines Superministeriums für Klimafragen, die PLN wiederum wirbt für eine nationale Klimastrategie.

Um klimaneutral werden zu können, müsste Costa Rica seine CO2-Emissionen massiv senken und die verbliebenen mit Hilfe der Wälder kompensieren. Der Privatsektor ist an dem Vorhaben über den Handel mit Emissionszertifikaten beteiligt. Die Leitungsstelle für den Klimawandel hat bereits acht Unternehmen zertifiziert. In vier weiteren Fällen ist das entsprechende Verfahren bereits im Gang.

Nach offiziellen Angaben wird Costa Rica bis 2021 jährlich 21 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen, die zu zwei Dritteln von den Wäldern gebunden werden sollen. Wie William Alpízar, Abteilungsleiter für den Klimawandel im Umweltministerium, erläutert, gilt es ein Mehr an 5,2 Millionen Tonnen zu kompensieren, was mit Hilfe einer Senkung der CO2-Emissionen im Transport und in der Landwirtschaft erreicht werden soll.

Doch Jorge Polimeni von der Umweltstiftung 'Fundación Bandera Ecológica' vermisst tiefgreifendere Strategien im Kampf gegen die Erderwärmung. Anstatt sich vor allem auf die Wälder in ihrer Funktion als CO2-Senken zu verlassen, gelte es integrale und weitreichende Schritte einzuleiten. "Im Namen der Klimaneutralität haben wir mehr unterlassen als getan", moniert er. Nach Berechnungen des Wissenschaftlers Roberto Flores aus dem letzten Jahr haben die zwischen 2005 und 2011 aufgetretenen Folgen des Klimawandels Costa Rica 710 Millionen Dollar gekostet. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnoticias.net/2014/02/costa-rica-neutral-en-carbono-apenas-un-eslogan/

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IPS-Tagesdienst vom 5. Februar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2014