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KLIMA/380: Weltklimarat IPCC debattiert über seine Arbeitsweise (DGVN)


DGVN Webseite - Den Klimawandel bekämpfen

Vereinte Nationen & int. Organisationen - 02.03.2015

Weltklimarat IPCC debattiert über seine Arbeitsweise

von Frank Kürschner-Pelkmann [1]


"Die Herausforderung, die der Klimawandel für die Menschheit darstellt, ist weiterhin eines der größten Hindernisse für eine nachhaltige Entwicklung." Dies hob Achim Steiner, der Exekutivdirektor des UN-Umweltprogamms UNEP [2], bei der Eröffnung der 41. IPCC-Plenarsitzung in Nairobi vom 24.-27. Februar 2015 hervor.

UNEP und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO)[3] haben den Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change)[4] ins Leben gerufen und begleiten seine Arbeit.

Achim Steiner war deshalb berufen, bei der Sitzung des IPCC-Ausschusses, dem höchsten Beschlussgremium des Weltklimarates, große Herausforderungen zu benennen, vor denen der IPCC steht. So betonte er: "Es ist wünschenswert, die Fähigkeit und die Flexibilität des IPCC zu erhöhen, zu einem frühen Zeitpunkt Antworten zu auftauchenden Themen oder neuen Anliegen von Regierungen, politischen Entscheidungsträgern und internationalen Organisationen zu liefern. Gleiches gilt für Anforderungen, die im Rahmen der internationaler Prozesse zum Klimawandel entstehen."

Der UNEP-Exekutivdirektor ermutigte außerdem zu einer stärkeren Kooperation und Kohärenz in der Arbeit der verschiedenen Arbeitsgruppen und Fachdisziplinen. Er hob auch hervor, der IPCC sollte sich fragen, wie er zur Verwirklichung der nachhaltigen Entwicklungsziele [5] in der Zeit nach 2015 beitragen kann.

Achim Steiner merkte in seiner Eröffnungsansprache kritisch an, dass bisher zu wenige wissenschaftliche Studien zu Klimathemen in Entwicklungsländern selbst entstehen und in die IPCC-Berichte einfließen. Er verwies auf eine Untersuchung, wonach weniger als zwei Prozent aller Veröffentlichungen zu Klimathemen zwischen 1981 und 2009 aus Afrika stammten. Eine Ausbildung von mehr Klimawissenschaftlern in Entwicklungsländern sei unverzichtbar und die Aufgabe verschiedener internationaler Organisationen. Das sei die Grundlage dafür, umfassendere Bewertungen des Klimawandels in Entwicklungsländern vorzunehmen.

Debatte über zukünftige Arbeitsstrukturen

Die 41. Plenarsitzung sollte die Reformvorschläge zur IPCC-Arbeitsweise debattieren und Entscheidungen treffen. Eine Frage lautete: Reicht es angesichts rasch wachsender globaler Klimaprobleme und einer unübersichtlich großen Zahl neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zum globalen Klimawandel aus, wenn der IPCC alle fünf bis sieben Jahre einen Sachstandsbericht veröffentlicht? Diese gravierende Frage wurde im Vorfeld der IPCC-Plenarsitzung und in Nairobi selbst intensiv debattiert.

Letztlich hat der IPCC-Ausschuss bei seiner Plenarsitzung in Nairobi beschlossen, bei diesem Rhythmus zu bleiben. Der Prozess der Erarbeitung der umfangreichen Berichtsteile, die Überprüfung aller Fakten und Analysen, die Erstellung eines besonders einflussreichen "Summary for Policy Makers" sowie die Abstimmung der Texte mit Wissenschaftlern und politisch Verantwortlichen in aller Welt sei so aufwendig, dass es unrealistisch wäre, alle ein oder zwei Jahre einen Sachstandsbericht zu veröffentlichen. Tom Stocker, Ko-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe 1, betonte bei einer Pressekonferenz in Nairobi: "Es ist dieser sehr ausgedehnte, aber sorgfältig geplante Prozess der Durchführung der IPCC-Begutachtung, der den Unterschied zu allen anderen Informationsquellen ausmacht. Das ist ein Punkt, den wie erhalten möchten."

Die einzelnen Teile der Sachstandsberichte sollen weiterhin nacheinander publiziert werden, wobei alle Berichte aber möglichst innerhalb eines Jahres präsentiert werden sollen, längstens aber innerhalb von 18 Monaten.

Es wurde in Nairobi beschlossen, häufiger Sonderberichte zu Themen zu veröffentlichen, die in Wissenschaft und Politik intensiv diskutiert werden und einen hohen Stellenwert im Kampf gegen den Klimawandel haben. In den letzten Jahren wurden solche Sonderberichte zu Erneuerbarer Energie und zum Extremwetter herausgebracht. Bei dieser Plenarsitzung des IPCC-Ausschusses wurde beraten, ob ein Bericht zum Thema Ozeane erarbeitet werden sollte.

Ausführlich wurde in Nairobi diskutiert, wie die Erkenntnisse der IPCC-Berichte besser an Politiker und eine breite Öffentlichkeit vermittelt werden können. So wurde kritisiert, dass nicht nur die mehrere Tausend Seiten umfassenden Sachstandsberichte selbst, sondern auch die "Summary for Policymakers"-Texte zu schwierig zu lesen seien. Es wurde deshalb beschlossen, alle IPCC-Berichte lesbarer zu formulieren und hierfür Kommunikationsexperten hinzuzuziehen. Der Süden soll stärker beteiligt werden

Breiten Raum in den Debatten und Beschlüssen nahm die Notwendigkeit einer stärkeren Einbeziehung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem Süden der Welt in die IPCC-Arbeit ein. Es wurde beschlossen, den IPCC-Vorstand von 31 auf 34 Mitgliedern zu erweitern, um die Aufnahme von drei zusätzlichen Mitgliedern aus Afrika und Asien zu ermöglichen.

Außerdem sollen mehr Expertinnen und Experten aus Entwicklungsländern in die Erarbeitung und Begutachtung der Berichte einbezogen werden. In diesem Zusammenhang soll gezielt die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses in diesen Ländern gefördert werden. Neuer Amtierender Vorsitzender gewählt

Die Plenarsitzung in Nairobi wurde überschattet von juristischen Auseinandersetzungen um den bisherigen IPCC-Vorsitzenden Rejendra Pachauri in Indien. Ihm wird vorgeworfen, eine Mitarbeiterin des von ihm geleiteten "Energy and Resource Institute" in Delhi sexuell belästigt zu haben, was er bestreitet. Die Vorwürfe sind Gegenstand einer polizeilichen Untersuchung. In dieser Situation kündigte Pachauri zunächst an, er könne nicht an der Plenarsitzung in Nairobi teilnehmen und teilte am Eröffnungstag des Treffens mit, er trete mit sofortiger Wirkung als IPCC-Vorsitzender zurück. Leider fand dieser Rücktritt in deutschen Medien sehr viel mehr Beachtung als die Ergebnisse der Plenarsitzung in Nairobi.

Nach dem Rücktritt Pachauris wählte der IPCC-Ausschuss seinen bisherigen Stellvertreter zum Amtierenden Vorsitzenden. Ismail El Gizouli aus dem Sudan verfügt über fast vier Jahrzehnte Erfahrungen als Klima- und Energiewissenschaftler an Hochschulen, in Regierungsämtern und als Berater verschiedener internationaler Organisationen wie UNEP, UNFCCC [6] und FAO [7]. Er hat an den letzten IPCC-Berichten mitgearbeitet und gehört seit 2002 dem Vorstand an. Eine positive Bilanz des Reformprozesses

Den Prozess der Überprüfung der Arbeitsweise des IPCC beschrieb der Amtierende Vorsitzende am Ende der Beratungen in Nairobi so: "Wir haben eine Bestandsaufnahme vorgenommen. Dabei haben wir einen detaillierten Prozess der Überprüfung durchlaufen, in dem wir untersucht haben, wie wir unsere Arbeit fortlaufend verbessern und sie so relevant wie möglich nicht nur für Entscheidungsträger in Regierungen, sondern für die ganze Gesellschaft machen können." Daraus seien Entscheidungen für die zukünftige IPCC-Arbeit erwachsen.

Die in einigen Monaten ausscheidende IPCC-Sekretärin Renate Christ fügte hinzu: "Ich bin sehr zufrieden mit den Fortschritten, die wir diese Woche erzielt haben. Die Plenarsitzung hat sich mit einem breiten Spektrum von Themen befasst, um die Zeitplanung und die Qualität der IPCC-Berichte weiter zu verbessern. Der IPCC ist in guten Händen und gut vorbereitet für die Zukunft."

Turnusmäßig wird bei der nächsten Plenarsitzung im Oktober 2015 ein neuer IPCC-Vorsitzender gewählt. Dann werden auch alle Positionen im Vorstand neu besetzt.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

  • Schmelzende Eisberge in Grönland sind ein deutliches Anzeichen dafür, dass der Klimawandel begonnen hat und noch fundierter untersucht werden muss. UN Photo/Mark Garten
  • Ismail El Gizouli wurde zum Amtierenden IPCC-Vorsitzenden gewählt, nachdem Rajendra Pachauri zurückgetreten war. Foto: IPCC


[1] http://klimawandel-bekaempfen.dgvn.de/leitbild-impressum/
[2] http://klimawandel-bekaempfen.dgvn.de/klimaschutz/un-umweltprogramm-unep/
[3] http://klimawandel-bekaempfen.dgvn.de/index.php?id=1102
[4] http://klimawandel-bekaempfen.dgvn.de/index.php?id=1051
[5] http://menschliche-entwicklung-staerken.dgvn.de/menschliche-entwicklung/ziele-fuer-nachhaltige-entwicklung-sdgs/
[6] http://klimawandel-bekaempfen.dgvn.de/klimaschutz/unfccc-united-nations-framework-convention-on-climate-change/
[7] http://klimawandel-bekaempfen.dgvn.de/auswirkungen-anpassung/fao-welternaehrungs-und-landwirtschaftsorganisation-der-vereinten-nationen/

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Quelle:
DGVN Webseite - Den Klimawandel bekämpfen
Vereinte Nationen & int. Organisationen - 02.03.2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2015

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