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LANDWIRTSCHAFT/016: Viehzucht ernährt 1,3 Milliarden Menschen - Thema für den Rio+20-Erdgipfel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Mai 2012

Umwelt: Viehzucht ernährt 1,3 Milliarden Menschen - Thema für den Rio+20-Erdgipfel

von Johanna Treblin



New York, 2. Mai (IPS) - Auf der UN-Nachhaltigkeitskonferenz 'Rio+20' werden im Juni nicht nur menschliche Entwicklung und Artenschutz im Blickpunkt stehen. Die Vertreter Hunderter Staaten und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) werden in Rio de Janeiro auch über das Wohlergehen von Nutztieren und nachhaltige Landwirtschaft diskutieren.

Die Initiative dazu ging von der Welttierschutzgesellschaft (WSPA) sowie von den Regierungen der G-77-Entwicklungsländer, der Schweiz und Neuseelands aus. Gemeinsam beteiligten sie sich an dem Entwurf des Abschlussdokuments von 'Rio+20', über das im Juni auf dem Gipfel verhandelt werden soll.

Darin werden alle Staaten aufgerufen, "der nachhaltigen Intensivierung der Nahrungsproduktion durch höhere Investitionen in die lokale Nahrungsproduktion Priorität zu verleihen", insbesondere im Hinblick auf Frauen, Kleinbauern, Jugendliche und indigene Bauern. In dem Entwurf wird außerdem ein verstärkter "Einsatz geeigneter Technologien für nachhaltige Landwirtschaft" gefordert.

Die WSPA, die sich nicht nur als Tierschutzorganisation, sondern auch als Unterstützerin einer nachhaltigen Landwirtschaft betrachtet, sieht die nachhaltige Viehzucht als Teil eines Nahrungs- und Agrarsystems, das umweltverträglich, für Bauern und Landgemeinden und andere Teile der Gesellschaft gerecht sowie hinsichtlich der Nutzung und Behandlung von Vieh human sein soll.


Für 70 Prozent der ländlichen Armen ist Vieh überlebenswichtig

Nach Angaben der UN-Agrarorganisation FAO sichert der Viehzuchtsektor weltweit 1,3 Milliarden Menschen ein Auskommen - mehr als ein Sechstel der gesamten Erdbevölkerung. Was die ländlichen Armen angeht, ist der Anteil sogar noch höher. Sie sind zu 70 Prozent von der Viehzucht abhängig.

Die industrielle Landwirtschaft, die insbesondere die Existenz der Kleinbauern bedroht und zugleich das sozio-ökonomische Gefüge und die Umwelt schädigt, kam in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf.

"Der alte Vertrag über eine verantwortliche Führungsrolle, den die Bauern Tausende Jahre lang einhielten, wurde durch Methoden der Massentierhaltung ersetzt, die ethische Praktiken zugunsten größerer wirtschaftlicher Profitabilität abschafften", heißt es in einem 2010 veröffentlichten Artikel in der Fachzeitschrift 'Holistic Nursing Practice'. Gewinne seien "auf Kosten des Wohlergehens von Tieren und um den Preis einer Zunahme möglicher gesundheitsschädigender Folgen für die Öffentlichkeit" erwirtschaftet worden.

"Massentierhaltung ist nicht nachhaltig und schadet überdies dem Klima", kritisierte auch Dinah Fuentesfina von WSPA Thailand. Tatsächlich entstehen durch die Viehzucht mehr Treibhausgasemissionen als durch Autofahren, wie zudem aus einem 2006 verbreiteten FAO-Bericht hervorgeht. Außerdem trage sie maßgeblich zur Degradation von Böden und Gewässern bei. "Die Viehzucht ist einer der wichtigsten Auslöser für die gravierendsten Umweltprobleme in der heutigen Zeit", erklärte Henning Steinfeld, der Hauptautor des Reports.

"Bei der Rio+20-Konferenz geht es um Armutsbekämpfung. Um in dieser Hinsicht erfolgreich zu sein, darf man so wichtige Bereiche wie Landwirtschaft und Viehzucht keinesfalls ausklammern", sagte Stephen Chacha von WSPA Tansania. "Die Regierung müssen darauf größeren Nachdruck legen."


Mehr als 100.000 Unterschriften gegen Massentierhaltung

Um die auf dem Rio-Gipfel vertretenen Regierungen davon zu überzeugen, sich bei ihren Beratungen auch mit Viehzucht zu befassen, hatte die NGO mehr als 100.000 Unterschriften in rund 165 Ländern gesammelt. WSPA übergab am 25. April in New York eine an die Vorsitzenden der Konferenz, John W. Ashe und Sook Kim, gerichtete Petition. Die verantwortlichen Koordinatoren der UN-Konferenz, Elizabeth Thompson und Brice Lalonde, sicherten zu, die Unterschriften weiterzuleiten.

Die Petition ist Teil einer WSPA-Kampagne, die erreichen will, dass das Wohlergehen von Tieren auf die Rio+20-Agenda gesetzt wird. Auf der ganzen Welt entstehen immer mehr Bewegungen, die die Bedeutung des Tierschutzes für Umwelt- und Klimaschutz sowie für die menschliche Gesundheit hervorheben. Zahlreiche Studien und Gruppen haben herausgefunden, dass das Wohlergehen von Tieren im Zusammenhang mit der Nahrungssicherheit steht.

"Die Standards für das Wohlergehen von Tieren und den Umgang mit ihnen, einschließlich des Fütterns, der Unterbringung und der Haltung, können sich auf das Auftreten nahrungsbedingter Krankheiten auswirken", heißt es auf der Website der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).

Obwohl die Konsumenten sich allmählich bewusster für bestimmte Lebensmittel entscheiden, muss sich die Bewegung noch gegenüber der industriellen Landwirtschaft durchsetzen. Im Kampf für ein nachhaltiges und umweltverträgliches Agrarsystem kann der Fortschritt quälend langsam vonstatten gehen.


'Burger King' will Eier von glücklichen Hühnern verwenden

Kürzlich kündigte immerhin die Fastfood-Kette 'Burger King' einen größeren Strategiewechsel an. In den über 7.200 Restaurants in den USA sollen spätestens ab 2017 nur noch Eier freilaufender Hühner verwendet werden. Diese Zahl entspricht mehr als der Hälfte der insgesamt rund 12.500 'Burger King'-Filialen in 81 Ländern und Territorien. Ob auch außerhalb der USA auf Eier aus Käfighaltung verzichtet werden soll, steht allerdings noch nicht fest. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.uncsd2012.org/rio20/index.html
http://www.wspa.de/
http://www.efsa.europa.eu/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107604

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2012