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LANDWIRTSCHAFT/030: Brasilien - Streit um großindustrielle Landwirtschaft entzündet sich am Karneval (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Februar 2013

Brasilien: Streit um großindustrielle Landwirtschaft entzündet sich am Karneval in Río

von Fabiana Frayssinet



Río de Janeiro, 11. Februar (IPS) - Durch die Straßen von Río de Janeiro klingt der Samba-Sound. Noch bis Mittwoch, den 13. Februar, feiern die Einwohner und zahlreiche Touristen den Karneval. Jedes Jahr im Februar hat der Karneval das Land fest im Griff, und das politische Leben in Brasilien steht fast eine Woche lang still. Doch in diesem Jahr ist über Tanz und Gesang ein Streit über die Agrarindustrie entbrannt.

Der Auftritt der Samba-Schule 'Visa Isabel' beim Umzug in Río de Janeiro wird in diesem Jahr vom deutschen Chemiekonzern BASF finanziert, der in Brasilien stark am Agrargeschäft beteiligt ist. "Wir singen für Brasilien, die Kornkammer der Welt", ist der Auftritt übertitelt. "Wir stillen den Hunger, indem wir Pflanzen säen ... wir beackern und kultivieren den Boden, und schauen zu, wie der alte Traum, die Welt zu ernähren, gedeiht", heißt es in dem Lied, das Arlindo Cruz, Martinho da Vila, Andre Diniz und Tonico da Vila y Leonel geschrieben haben. Die Choreographie dazu stammt von Rosa Magalhaes.

Der Text gefällt auch den Mitgliedern der Landlosenbewegung in Brasilien (MST), die gemeinsam mit anderen Gruppierungen die Kampagne gegen Pflanzenschutzmittel ins Leben gerufen hat. "Das Lied erzählt von der Schönheit der kleinbäuerlichen und familiären Landwirtschaft Brasiliens", sagt Nivia dos Santos, Mitglied des Direktoriums von MST in Río de Janeiro. "Das Thema ist für uns besonders wichtig, da wir für eine Landwirtschaft eintreten, die gesunde Nahrungsmittel für die gesamte Bevölkerung produziert."

Doch was der Landlosenbewegung nicht behagt, ist die Schirmherrschaft von BASF. Die Karnevalsgruppe Vila Isabel ist eine von zwölf, die im Rahmen der 'Spezialgruppe' jedes Jahr ihr Können auf dem sogenannten 'Sambódromo da Marquês de Sapucaí' zeigen, der Tribünenstraße, durch die der Karnevalsumzug zieht.


"Agrarindustrie will ihr Image aufpolieren"

"Die Agrarindustrie benutzt Vila Isabel, um ihr Bild in der Öffentlichkeit aufzupolieren", heißt es in einem Schreiben, das die Kampagne gegen Pflanzenschutzmittel an die Samba-Schule geschickt hat. Die Agrarindustrie habe Dreck am Stecken: "Sie vergiftet die Felder, verschmutzt unsere Flüsse, lässt Wälder abholzen und Sklaven für sich arbeiten." Man könne bei weitem nicht davon reden, dass das Agro-Business die Umwelt schütze oder den Wert der Erde zu schätzen wisse. "Die Agrarindustrie will sich das Bild der kleinbäuerlichen Landwirtschaft aneignen."

Für die Landlosenbewegung ist es ein Widerspruch, dass ein Unternehmen, das gentechnisch verändertes Saatgut und Pflanzengifte verkauft, für gesunde Nahrungsmittel wirbt.

Gegenüber IPS räumt BASF ein, dass die Unterstützung des Auftritts von Vila Isabel als Kommunikationsmittel gedacht ist. "Wir wollen die Chance nutzen, der Diskussion um die Produktion qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel eine größere Öffentlichkeit zu geben", teilte BASF mit. Die Schirmherrschaft sei Teil des Unternehmensprojektes zum Schutz südamerikanischer Sorten. Darin gehe es in erster Linie um die Wertschätzung der nationalen Landwirtschaft.


Samba-Schule beklagt Mangel an öffentlichen Zuschüssen

Die Verantwortlichen von Vila Isabel rechtfertigen die Schirmherrschaft ihrerseits damit, dass ihnen die Stadtverwaltung von Río de Janeiro nicht genügend Geld für ihren Auftritt zur Verfügung stellt und sie die Ausgaben nicht alleine stemmen können. Die Teilnahme am Karneval ist teuer: Jedes Jahr werden neue Kostüme benötigt, außerdem erwarten die Zuschauer eine Lichtshow und ein aufwändiges Bühnenbild. "Bei unserem Auftritt repräsentieren wir nicht die großindustrielle Landwirtschaft, sondern die Natur und den Kleinbauern", so die Vertreter der Samba-Schule.

Laut Elizabeth Aquino, der Vizepräsidentin von Vila Isabel, schreibt die Unabhängige Liga der Samba-Schulen vor, dass es keinerlei Werbebotschaften im Karneval geben darf. Daher erscheine auf dem Sambodrom auch nirgends das Logo von BASF.

Kleinbäuerliche Landwirtschaft hat in Brasilien große Bedeutung. Laut MST produziert diese 70 Prozent der in Brasilien verzehrten Nahrungsmittel, obwohl sie nur 25 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche für sich beansprucht, sowie ein Drittel der Agrarexporte. In der kleinbäuerlichen Landwirtschaft sind neunmal so viele Menschen beschäftigt wie in der großindustriellen Landwirtschaft. Dennoch erhalten die Kleinbauern nur 14 Prozent der Zuschüsse, die der Staat in die Landwirtschaft steckt.

Dem Nationalen Krebsinstitut zufolge beinhalten fast zwei Drittel der Lebensmittel, die Brasilianer konsumieren, Rückstände von Agrochemikalien. "Gegen 40 Prozent aller Krebstypen kann man vorbeugen", heißt es in einer Publikation des Instituts. "Gesunde Nahrungsmittel können vor allem von kleinen Produzenten hergestellt werden." (Ende/IPS/jt/2013)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2013