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LATEINAMERIKA/034: Karibik - Auf Wirbelstürme und Fluten besser vorbereitet, Landgemeinden rüsten auf (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. November 2010

Karibik: Auf Wirbelstürme und Fluten besser vorbereitet - Landgemeinden rüsten auf

Von Sadie Neufville


Kingston, Jamaika, 29. November (IPS) - Mehrmals im Jahr heißt es in fünf entlegenen Gemeinden rund um Trinityville in Ostjamaika 'Land unter'. Tropenstürme, Erdrutsche und Hochwasser führende Flüsse und Bäche schneiden die Einheimischen oft mehrere Tage lang von der Außenwelt ab.

Auch im rund 2.900 Kilometer entfernten Wageningen, einer Kleinstadt an der Atlantikküste von Nordwest-Suriname, standen bis vor kurzem bei jedem schweren Regen, der über Amazonien niederging, über 100 Häuser unter Wasser. Früher hatte hier ein ausgefeiltes System von Gräben und Schleusentoren die Niederungen entlang des Nickeri-Flusses vor Hochwasser und die Stadt vor Überschwemmungen geschützt. Doch mangels ausreichender Wartung verrottet die 1949 gebaute Anlage im Laufe der Jahre. Die Schleusentore ließen sich nicht mehr schließen und konnten in der Regenzeit die rund 6.000 Einwohner nicht mehr vor den vom Fluss und der See eindringenden Fluten schützen.

Doch mit finanzieller Hilfe des staatlichen 'Canada Caribbean Disaster Risk Managment Fund' (CCDRM) wurden die Schleusentore im Februar repariert und erfüllen seitdem wieder ihren Zweck. Damit dies auch so bleibt, haben Stadt und Regierung beschlossen, eine technische Spezialabteilung einzurichten, die sich um den Erhalt aller Schleusen im Bezirk kümmert. Auf der Basis von Partnerschaften und organisierter kommunaler Selbsthilfe unterstützt der kanadische Fonds mit jeweils 24.000 bis 73.000 US-Dollar Katastrophenschutzprojekte armer Gemeinden in der Karibik und im Norden Südamerikas.

Gegenüber IPS betonte der Fondskoordinator Leslie Walling: "Es zeigt sich immer deutlicher, dass der erste Schritt auf dem Weg zur Anpassung an den Klimawandel die Anpassung an die derzeitigen klimatischen Extreme sein muss."

Auch Jamaikas Trinityville und seine Nachbargemeinden Danvers Pen, Front Hill, Mounts Lebanus, Vermont und Somerset sollen vom CCDRM profitieren. Hier leben überwiegend Subsistenzbauern, die ein kleines Stück Land bewirtschaften und ein, zwei Kühe, ein paar Ziegen oder anderes Kleinvieh besitzen. Doch das Projekt ist ins Stocken geraten, weil die für den Bau eines Lagerhauses benötigten technischen Experten fehlen.

Für vorbeugende Infrastrukturmaßnahmen auf dem Land haben die meisten betroffenen Karibikstaaten kein Geld übrig. Weil aber der Klimawandel derartige Naturkatastrophen inzwischen zum Normalfall macht, helfen einige Geberländer und internationale Nichtregierungsorganisationen den betroffenen Landgemeinden, sich besser vor den Folgen der zunehmenden extremen Wetterlagen zu schützen.


Ohne technische Kompetenz bleiben Projekte auf der Strecke

In der Region blieben in den vergangenen Jahren zahlreiche Entwicklungsprojekte auf der Strecke. Vor allem staatliche Agenturen stellen nur widerwillig technisches Know-how zur Verfügung, wenn ihnen der direkte Zugriff auf die Gebermittel verweigert wird. Für die für die technische Umsetzung und die Wartung von Projekteinrichtungen erforderlichen Kosten kommen die internationalen Geber nicht auf.

Dass viele Katastrophenschutzprojekte mangels technischer Unterstützung durch die Regierung ausbleiben, erklärt die Expertin Barbara Carby mit dem verbreiteten Unwillen regionaler Regierungen, Geld in Projekte zu investieren, deren Nutzen man erst im Katastrophenfall erkennt. Die Direktorin des Forschungszentrums für Katastrophenschutz an der University of the West Indies erklärte: "Die technischen Experten sind unfähig, die für die Präventionsprojekte erforderlichen Kosten zu berechnen. Deshalb wollen weder die politische Führung noch Investoren Geld in Infrastrukturmaßnahmen stecken, die sich erst bei künftigen Gefahren bewähren."

Andernorts in der Karibik funktioniert der Katastrophenschutz weit besser, weil Regierungsbehörden, Hilfsorganisationen und Expertengruppen zusammenarbeiten. So etwa baute eine Gruppe unabhängiger Betreiber von Radiostationen auf der Karibikinsel St. Vincent ein Warnsystem auf, das neun besonders gefährdete Gemeinden mit erfahrenen Behörden und Einrichtungen sowie mit den Nachbarinseln Martinique, Dominica, Grenada und St. Lucia vernetzt.

Obwohl es noch nicht vollständig installiert war, wurde es in Betrieb gesetzt, als der Hurrikan 'Tomas' im Oktober über die Inseln vor dem Wind hinwegfegte und Strom- und Telefonleitungen niederriss. Mit Strom aus einer Solaranlage und einer Windradturbine habe man die für die betroffenen Gemeinden unverzichtbaren Verbindungen wieder aufgebaut, berichtete Projektkoordinator Donald De Rigg.


Regionales Rotes Kreuz baut Frühwarnsysteme auf

Als wichtige Partner für eine erfolgreiche Arbeit des CCDRM-Fonds nannte Walling die regionalen Gruppen des Roten Kreuzes. Mit ihrer Hilfe sei es gelungen, für verschiedene Karibikländer die Risiken von Naturkatastrophen einzuschätzen. Mit UN-Hilfe finanzierten sie überall in der Region kommunale Überwachungseinrichtungen.

An der Südostküste von Dominica haben sich die Gemeinden Morne Jaune und Rivière Cyrique zusammengetan und Tere Yam, eine der wenigen zertifizierten Notunterkünfte der Region, einzurichten. In dem Gebäude finden nicht nur 592 Personen Schutz. Auch für eine Vielzahl kommunaler Aktivitäten ist noch Platz.

Von den vom CCDRM-Fonds bis Ende 2015 finanzierten Initiativen sind nach Angaben von Koordinator Walling 24 bereits abgeschlossen oder in Arbeit. Weitere 39 Projekte wurden als geeignet ausgewählt und können Mittel aus dem kanadischen Sonderfonds beantragen. Jetzt bemüht sich Walling in den Projektgemeinden um den Aufbau technischer Kompetenz.

"Wenn man nichts gegen die Gefahren der derzeitigen Wirbelstürmen und Regenfluten unternimmt, wird man denen, die uns in Zukunft bevorstehen, erst recht nichts entgegensetzen können", betonte er. (Ende/IPS/mp/2010)


Links:
http://www.cdema.org
http://www.alertnet.org/
http://www.cdkn.org
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=53687


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 29. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2010