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LATEINAMERIKA/075: Peru - Umweltverträglichkeitskontrollen auf dem Prüfstand (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. August 2012

Peru: Umweltverträglichkeitskontrollen auf dem Prüfstand

von Milagros Salazar

Die Bewohner in Morococha im Zentrum Perus sollen umgesiedelt werden, um den Bergbauarbeiten der chinesischen Firma 'Chinalco' Platz zu machen - Bild: © Milagros Salazar/IPS

Die Bewohner in Morococha im Zentrum Perus sollen umgesiedelt werden, um den Bergbauarbeiten der chinesischen Firma 'Chinalco' Platz zu machen
Bild: © Milagros Salazar/IPS

Lima, 28. August (IPS) - In Peru hat eine Untersuchung von 205 nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Umweltverträglichkeitsstudien (EIAs) durch die Regierung ergeben, dass in 86 Prozent der Fälle die Informationen fehlen, warum die Studien von den Behörden akzeptiert worden sind.

Im Zuge der Untersuchungen hatte sich die Regierung EIAs aus den Jahren 2006 bis 2010 angeschaut. Insgesamt waren in diesem Zeitraum 2.360 Projekte und zugehörige EIAs genehmigt worden. 62 Prozent davon fielen in den Bergbau- und Energiesektor.

In 95 Prozent der 205 untersuchten Fälle bezog sich die Kritik auf die Art und Weise, wie die Richtlinien umgesetzt werden sollten und in 74 Prozent auf die Zulässigkeit der durchgeführten Studien. In 60 Prozent der Fälle gab eine unzureichende Beteiligung der Bürger Anlass zu Kritik.

Die Missstände sind keine Lappalie: Seit 2006 sind in Peru 211 Menschen in sozialen Auseinandersetzungen ums Leben gekommen, 2.700 wurden verletzt. Der Großteil dieser Konflikte drehte sich dem Büro des Ombudsmannes zufolge um Umweltbelange. Ausführliche und verantwortungsbewusste Umweltverträglichkeitsprüfungen könnten hier Abhilfe schaffen.

Allein 15 Menschen starben aufgrund sozialer Konflikte seit dem Amtsantritt von Präsident Ollanto Humala Ende Juli 2011. 430 Menschen wurden verletzt. Anfang Juli dieses Jahres starben fünf Menschen bei Protesten gegen die Goldmine Conga in Cajamarca, einer Region im Norden Perus. Die Behörden hatten den Ausnahmezustand ausgerufen, Gegner des Projekts, das vier Bergseen zerstören wird, gingen trotzdem auf die Straße. In Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht erschossen Polizisten schließlich insgesamt fünf Demonstranten.


Regierung will Beziehung zu Bergbauunternehmen überdenken

Präsident Humala reagierte auf die Geschehnisse, indem er zum einen ankündigte, die Beziehungen des Landes zu den Bergbauunternehmen zu überdenken. Außerdem ließ er die Umweltverträglichkeitsprüfung für die Conga-Goldmine, die von dem multinationalen Konzern 'Yanacocha' ausgebeutet werden soll, von internationalen Experten nachprüfen.

Dabei kam heraus, dass zwei der Seen trockengelegt werden müssten, um die Suche nach Gold zu ermöglichen. Die anderen beiden sollen mit Erde und Gestein zugeschüttet werden, das durch die Bergbauarbeiten anfällt. Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung wurden allerdings keine hydrologischen oder hydrogeologischen Untersuchungen vorgenommen - obwohl diese notwendig gewesen wären, um eine Leckage der giftigen Abfälle zu vermeiden. Auch wurde die lokale Bevölkerung, die unmittelbar von den Bergbauarbeiten betroffen sein wird, nicht informiert.

Zivilgesellschaftliche Organisationen haben der Regierung nun Vorschläge zu einer Reform der EIAs unterbreitet. Die Peruanische Gesellschaft für Umweltrecht (SPDA) beispielsweise hat kürzlich ein Buch veröffentlicht, in dem die Autorin und Anwältin Isabel Calle sieben konkrete Forderungen stellt. Eine davon ist die Einrichtung einer technischen Behörde, die dem Umweltministerium unterstehen und speziell für die Überprüfung und die Genehmigung von EIAs in allen Wirtschaftszweigen verantwortlich sein soll.

"Die Öffentlichkeit traut den Politikern nicht zu, dass sie unvoreingenommen entscheiden. Die Menschen gehen davon aus, dass sich Politiker in jedem Fall für das Wohl der Unternehmen entscheiden", sagte die Autorin Calle gegenüber IPS. "Aber wenn der Monitor-Prozess künftig beim Umweltministerium angesiedelt wäre, könnte dies als gutes Zeichen aufgefasst werden."


Umweltministerium wird zuständig für EIAs

Der Vorschlag hat nun auch die Zustimmung der Regierung gefunden. Anfang Juli besetzte sie ein Komitee mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteuren. Es soll die Frage beantworten, wie sich der Vorschlag in die Praxis umsetzen lässt. Am 24. August erklärte das Umweltministerium schließlich, dass eine solche Einrichtung geschaffen werde.

"Wenn wir ein solches Gremium einrichten, wird jeder davon profitieren", hatte Vize-Umweltminister Mariano Castro noch vor der Entscheidung gesagt. "Eine Reform der Umweltverträglichkeitsprüfung wird die Qualität der Entscheidungsfindung verbessern, dazu beitragen, mehr Vertrauen in die EIAs und in die Politik zu schaffen und Unsicherheit und Konflikte reduzieren."

Unternehmensvertreter erklärten gegenüber IPS, kein Problem mit einer solchen Reform zu haben. "Wir haben nichts dagegen, wenn uns staatliche Einrichtungen kontrollieren - aber zunächst müssen sie beweisen, dass sie technisch versiert sind", meinte Gonzalo Quijandría, der die Abteilung für Umweltverantwortung der peruanischen Filiale des kanadischen Bergbauunternehmens 'Barrick Gold' leitet. "Für Unternehmen ist es wichtig, dass neue Initiativen keine Verzögerungen auslösen."

Die Peruanische Gesellschaft für Umweltrecht fordert, noch vor der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bereits in der Grundlagenstudie auf soziale und Umweltbelange einzugehen. Beispielsweise müsse die Situation der Ökosysteme vor Ort untersucht werden. Auch sollten die Unternehmen geplante Maßnahmen ausloten, um potenzielle Schäden zu vermeiden oder zu beseitigen.

Auch will die SPDA einen Plan zur sozialen Einbindung der lokalen Bevölkerung und zur Entschädigung für etwaige Umweltschäden. Die Unternehmen und die Regierung sollen darüber hinaus gemeinsam dafür sorgen, dass die armen, meist indigenen Völker, die in der Nähe von Bergbauprojekten leben, Zugang zur notwendigen Grundversorgung und zu Arbeitsplätzen erhalten.

Die Anwältin Calle fordert eine Bestrafung aller Unternehmen, die die Richtlinien der EIAs nicht einhalten. Im schlimmsten Falle solle das jeweilige Projekt verboten werden. (Ende/IPS/jt/2012)


Links:

http://www.spda.org.pe/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101296
http://www.ipsnews.net/2012/07/peru-working-to-reform-environmental-impact-assessment-system/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 28. August 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. August 2012