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LATEINAMERIKA/108: Mexiko - Indigene fordern Mitsprache bei Windparkprojekten auf ihren Territorien (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Juni 2015

Mexiko: Indigene fordern Mitsprache bei Windparkprojekten auf ihren Territorien

Von Emilio Godoy


Bild: Mit freundlicher Genehmigung von SIPAZ (Internationaler Friedensdienst)

Windpark im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca
Bild: Mit freundlicher Genehmigung von SIPAZ (Internationaler Friedensdienst)

MEXIKO-STADT (IPS) - Im Süden Mexikos wehren sich Angehörige der indigenen Volksgruppe der Zapoteca gegen den geplanten Bau eines Windparks in ihren Gebieten. Sie pochen auf ihr verbrieftes Recht, Entwicklungsprojekten, die sie betreffen, eine Absage zu erteilen.

"Es tut uns weh, dass man unsere Gebiete als Standorte für Windturbinen auswählt, ohne die ökologischen Folgen zu untersuchen", sagt Isabel Jiménez, eine traditionelle Heilerin aus Juchitán, einer Stadt im Bundesstaat Oaxaca rund 720 Kilometer südlich von Mexiko-Stadt. Sie fürchtet negative ökologische, soziale und wirtschaftliche Folgen.

Der 42-Jährigen zufolge könnten die Stahltürme der Pflanzenwelt schaden, die für die ethnischen Gemeinschaften so wichtig seien. "Wir kennen unsere Rechte und werden sie zu nutzen wissen", sagt sie.

Wie Jiménez weiter berichtet, richtet sich der Widerstand gegen den geplanten Bau eines Windparks der Firma 'Energía Eólica del Sur' ('Windenergie des Südens'), der 396 Megawatt Strom generieren soll. Die Indigenenführerin ist Mitglied der 'Asamblea Popular del Pueblo Juchiteco' ('Juchiteco-Volksversammlung'), die im Februar 2013 gegründet wurde, um die Interessen der ethnischen Gemeinschaften zu vertreten.

Die Ureinwohner beziehen sich in ihrem Protest auf die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von 1989 und die UN-Erklärung der Rechte indigener Völker von 2007. Beide in Mexiko ratifizierten Verträge verlangen, dass indigene Völker vor der Durchführung von Entwicklungsprojekten in ihren Gebieten informiert werden und ihre Zustimmung geben müssen.

Nach Angaben des Nationalen Statistikamts sind elf Millionen der 120 Millionen Mexikaner Indigene, die mindestens 54 unterschiedlichen Volksgruppen angehören. Allerdings berücksichtigt die Zahl lediglich Ureinwohner im Alter von über fünf Jahren.


Anhörungsverfahren abgekürzt

Im November hatte ein interinstitutionelles Komitee aus Vertretern der Zentral-, der bundesstaatlichen und lokalen Regierungen im Umfeld des geplanten Windparkstandorts zwar mit der Durchführung der erforderlichen Anhörungen begonnen. Im April beschloss es jedoch, trotz eindeutiger Vorbehalte von Seiten der Indigenen, das Verfahren abzukürzen und mit der Auswertung der Befragungen zu beginnen.

Befürchtet wird nun, dass diese Vorgehensweise Schule machen könnte, um die im Rahmen der nationalen Energiereform geplanten Vorhaben schneller umsetzen zu können. Die Reform war im August letzten Jahres beschlossen worden. Seither können sich nationale und ausländische Konzerne um die Durchführung fossiler und nachhaltiger Energieprojekte bemühen.

Es hätten keine Beratungen stattgefunden, um eine 'freie und vorherige Zustimmung nach erfolgter Aufklärung', wie in den internationalen Abkommen vorgesehen, zu bekommen, monierte der Jurist Antonio López vom nichtstaatlichen 'Projekt für soziale und kulturelle Rechte'. Vielmehr sei es darum gegangen, die Verfahren zu beschleunigen und möglicherweise Fakten für künftige Verfahrensweisen zu schaffen. Seine Organisation bietet den regionalen Gemeinschaften Rechtsbeistand an. Die Zapoteco hatten sich bereits am 24. April um Hilfe an die Bundesgerichte gewandt. Eine Entscheidung wird in Kürze erwartet.

Juchitán liegt auf der Landenge von Tehuantepec. Auf diesem 30.000 Quadratkilometer großen Isthmus mit den südmexikanischen Bundesstaaten Oaxaca, Veracruz und Chiapas weht ein starker Wind. Schon jetzt befinden sich auf dem 200 Kilometer breiten Landstreifen - Heimat der Indigenenvölker Zapoteco, Huave, Zoque, Mixe und Chontal - 21 Windparks, allein zwölf im Umfeld von Juchitán.

In Mexiko werden sieben Prozent des nationalen Stromangebots aus erneuerbaren Quellen generiert, Wasserkraftwerke ausgenommen. Die Windkraft produziert jährlich 2.551 Megawatt, und bis 2020 sollen es 15.000 Megawatt werden.

Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen warnen, dass die meisten geplanten Energieprojekte auf kleinbäuerlichen und indigenen Gebieten umgesetzt werden sollen. Konflikte seien somit programmiert, was Gespräche mit den Betroffenen umso wichtiger mache.


Indigener Wiederstand auch im Norden

Seit Januar verhindern Rarámuri-Indigene im nordmexikanischen Sinaloa die Bauarbeiten an einer Gasleitung, die Sinaloa mit dem US-Bundesstaat Texas verbinden soll. Auch sie pochen auf ihr Mitspracherecht. Ähnliche Proteste finden im ebenfalls nördlichen Bundesstat Sonora statt. Dort wehren sich die Yaqui seit März 2013 gegen das Leitungsprojekt 'Acueducto Independencia', das Wasser aus Sonora bis in die Stadt Hermosillo leiten soll. Sie konnten eine Reihe juristischer Siege für sich verbuchen.

In Oaxaca wollen Mixe mit Hilfe der Bundesgerichte die Nationale Wasserkommission zwingen, ihr Recht auf Mitsprache bei der Nutzung von Brunnen in ihren Gebieten zu respektieren. "Wir alle werden bedroht und beleidigt, unsere Wege blockiert", berichtet Jiménez, die traditionelle Heilerin. "Wir wollen keine weiteren Windturbinen mehr in unseren Gebieten", betont sie.

Das Unternehmen 'Energía Eólica del Sur' hieß bis 2013 'Mareña Renovables'. Sein damaliger Versuch, einen Windpark in San Dionisio del Mar an der Pazifikküste von Oaxaca zu errichten, scheiterte an dem Widerstand der Lokalbevölkerung. Das 1,2 Milliarden US-Dollar schwere Projekt, das die Interamerikanische Entwicklungsbank (IaDB) mit fast 75 Millionen Dollar bezuschusst, liegt nach wie vor auf Eis. Angesichts etlicher rechtlicher Siege der Indigenen sah sich das Unternehmen veranlasst, seine Aktivitäten nach Juchitán zu verlagern.

Im Dezember 2012 hatte sich das internationale 'Indian Law Resource Center' im Namen von 225 Einwohnern aus sieben indigenen Dörfern an die IaDB-Beschwerdestelle gewandt und gegen die Kreditentscheidung und den Beginn der Bauarbeiten mit der Begründung protestiert, dass es aufgrund ausgebliebener Beratungen mit den Betroffenen und fehlender Schutzvorkehrungen zu Schäden gekommen sei.

Am 18. September 2013 wurde die Beschwerde zugelassen, und seit Dezember arbeitet eine Expertengruppe an einem Bericht und einem Verfahren, die sicherstellen sollen, dass ihre Empfehlungen umgesetzt werden. "Dadurch ergibt sich die historische Chance, dass das Mitspracherecht der Indigenen künftig eingehalten wird", meint dazu López. Und Cerami fügt hinzu, dass Anhörungen als wirksame Instrumente der Konfliktvermeidung dienen könnten. "Die Beratungen ermöglichen den Dialog aller Beteiligten, der zu Kompromisslösungen führen kann." (Ende/IPS/kb/03.06.2015)


Links:
http://www.ipsnoticias.net/2015/06/mexico-se-enreda-con-las-consultas-a-pueblos-indigenas/
http://www.ipsnews.net/2015/06/native-communities-in-mexico-demand-to-be-consulted-on-wind-farm

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 3. Juni 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2015

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