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LATEINAMERIKA/201: Bau einer weiteren Zellstofffabrik legt nicht nur die letzte Eisenbahn lahm (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Bau einer weiteren Zellstofffabrik legt nicht nur die letzte Eisenbahn lahm

von Antje Vieth, 22.10.2019


Im Juli 2019 wurde der Vertrag mit dem finnischen Forstkonzern UPM II von der uruguayischen Regierung unterzeichnet. Laufzeit fünfzig Jahre, gebaut wird eine weitere Zellstoffabrik, diesmal mehr als doppelt so groß wie Nummer Eins mit einer Kapazität von über 2 Millionen Tonnen Eukalyptuszellstoff im Jahr. Gerade mal 2,7 Millionen US-Dollar will der finnische Konzern für den Bau investieren. Eine weitere Investition von 350 Millionen US-Dollar soll in den Hafenbetrieb Montevideo und in lokale Infrastruktur in den kleinen Ort im Landesinneren Paso de los Toros fließen.

Im Falle von UPM II sind die Folgen, die der Bau einer solchen Fabrik hinterlässt, nur zu bekannt. Die erste Fabrik am Río Uruguay wurde 2007 gebaut. Ana Filipini ist Sprecherin der Umweltpolitischen NGO Movus (Bewegung für ein nachhaltiges Uruguay) und sprach sich schon beim Bau der ersten Zellstofffabrik in Uruguay dagegen aus. Was sie und ihre Kolleg*innen damals vorrausgesagt haben, hat sich bestätigt: Probleme mit dem Wasser, mit dem Land und Plagen, zum Beispiel Wildschweine. Das sei klar ein Problem der Forstwirtschaft im großen Stil. Außerdem verdrängt die Fabrik die kleinen Betriebe, fast alle leiden an Wassermangel und verlassen das Land.


Probleme mit dem Wasser

Die Auswirkungen der verseuchten Flüsse sind seit dem letzten Sommer in Uruguay wieder sehr präsent: Blaualgen stiegen vom Río Uruguay und Río Negro bis zum Ozean und machten ein Baden entlang der urugayischen Küste für mehrere Monate unmöglich. Während einer Großdemonstration im März 2019 anlässlich des Welttags des Wassers schildert eine Demoteilnehmerin die Situation wie folgt: "Das Problem mit dem Wasser in Uruguay sind die Blaualgen, bisher war das nie ein Problem, aber diesen Sommer haben die Algen vielen Menschen den Sommer vermiest. Hinzu kommt, dass UPM II gebaut wird und sie haben vor, sich mit dem Wasser des Río Negro zu versorgen. Aber das wird ihnen nicht reichen, da das Regenwasser dort nicht ausreicht. Deshalb haben sie vor, sich ins Grundwasser zu bohren, an die Grundwasserquelle Guaraní, eine der größten Reserven der Erde." Auf die Grundwasserquellen und die Gefahr ihrer Verschmutzung durch UPM II weist auch Blanca, Sprecherin der Gruppe Guyunusa in Tacuarembó hin, die "Situation ist kompliziert, der Río Negro kommt schon sehr belastet aus Brasilien und wir haben hier zwei der wichtigsten Grundwasserquellen in der Region".

Wasserverschmutzung durch Pestizide, Dürre und Trockenheit durch die Monokulturen sind schwerwiegende Folgen der riesigen Eukalyptus- und Kiefernplantagen. Menschen, die es mit eigenen Augen gesehen haben, sprechen von grünen Wüsten. Der Bau einer weiteren Zellstofffabrik bedeutet, dass als Grundstoff Wasser verwendet wird, welches neben der Erde, die in Uruguay zu 98 Prozent fruchtbarer Boden ist, der Reichtum des Landes ist. Seit 1987 gibt es ein Gesetz, das die Forstwirtschaft im großen Stil ermöglicht. Mit öffentlichen Geldern wurden Konzerne bezahlt, damit sie sich in Uruguay niederlassen, um ganze Wälder von Monokulturen anzubauen.


Eine Eisenbahn nur für UPM II

Um das Holz aus den Monokulturen zum Hafen zu bringen, muss das Unternehmen eine eigene Bahnstrecke bauen. Wer die kleinen Bummelzüge der uruguayischen Eisenbahn kennt, mit denen Menschen aus den Vororten bis vor Kurzem morgens zur Arbeit in die Hauptstadt gefahren sind, dem wird das Ausmaß wohl schnell klar sein. Dieser Personenverkehr wurde diesen Sommer von einem Tag auf den anderen einfach eingestellt, denn auf dem gleichen Schienennetz sollen in Zukunft die Güterzüge für UPM II rollen. Dafür muss allerdings noch einiges umgebaut werden, denn der Zug, den UPM bauen wird, fährt mit 80 Stundenkilometern, ist acht Straßenblöcke lang und kann bis zu 2 Millionen Tonnen Zellulose pro Jahr befördern, die bisher größte Zelluloseproduktion der Welt.


Greenwashing im Bildungsbereich

Ein Blick auf die deutsche Website des Konzerns: "UPM führt die Bio- und Forstindustrie in eine nachhaltige, von Innovationen geprägte und spannende Zukuft. Wir entwickeln erneuerbare und verantwortungsvolle Lösungen, die fossile Materialien ersetzen, indem wir Reststoffe und Nebenströmen optimal weiterverwerten. Wir setzen auf nachwachsende und biologisch abbaubare Rohstoffe zur Fertigung von recyclingfähigen Alltagsgegenständen und Materialien." Klingt doch gut, oder?

Mit einem solchen Diskurs dringt UPM auch in das uruguayische Bildungssystem ein, dies wurde im Juli vertraglich festgelegt. Der Konzern hat eine eigene Stiftung Fundación UPM, die inzwischen mit 22 Projekten in allen Bildungsbereichen vertreten ist: Schule, Aus- und Weiterbildung im Bereich Landwirtschaft, Ingenieurswesen, technische Berufe und vieles andere. Besonders vertreten ist die Stiftung im Landesinneren Uruguays, wo es sonst wenig oder keine Bildungsangebote gibt. So zum Beispiel die UTEC, eine Technische Hochschule für Automechantronik, Informatik und erneuerbare Energien. Das Problem: Das Bildungssystem bleibt dabei nicht mehr staatlich, sondern ist finanziell gänzlich von einem ausländischen Konzern abhängig, in diesem Fall UPM. Das finnische Unternehmen gewinnt immer mehr Einfluss - mit erheblichem Manipulationspotenzial. Im Gegenzug dazu verpflichtet sich Uruguay vertraglich, die Grundbildung im ländlichen Raum zu verbessern. In dem kleinen Land führte das nun zu großem Unmut seitens der Bevölkerung.

Anfang September 2019 in Montevideo: Eine Demonstration gegen die Einmischung des Konzerns in den Bildungsbereich wird gewaltsam gestoppt. Während Demonstrationen sonst in Uruguay in der Regel friedlich verlaufen, mit Mate-Tee, Trommeln und verschiedensten Transparenten, gab es hier Verletzte und vier Festnahmen. Gerardo Padilla ist Lehrer und war bei der Demonstration dabei, in einer Whatsappnachricht schreibt er: "Es erschien ein einzelner Polizist, er versuchte zu verhindern, dass die Demoteilnehmenden keine Grafitti sprühten. Ich verstand die Situation so, dass der einzelne Polizist geschickt wurde um die Situation zu eskalieren, nirgendwo sonst gibt es die polizeiliche Anweisung, sich alleine mit 80 Demoteilnehmenden auseinanderzusetzen. Ich sagte ihm, er solle sich beruhigen, aber er fing an jemandem ins Gesicht zu schlagen, ich forderte ihn noch mal auf das zu lassen, ein weiterer Polizist kam schlug mich mit seinem Gewehr und sie beschossen mich von hinten aus 2 Meter Entfernung mit Gummigeschossen ..."


Knebelvertrag mit dem Unternehmen

Warum unterzeichnet der uruguayische Staat einen Vertrag, bei dem er sich von einem finnischen Konzern derart in die Pflicht nehmen lässt? Nicht nur, dass UPM II komplett von Steuern und Zöllen befreit ist. Auch verpflichtet sich der uruguayische Staat dazu, dem Konzern den überzähligen Strom abzukaufen, das ganze zu überteuerten Preisen. "Es ist nicht klar, welche Vorteile die Regierung davon hat, es ist nicht logisch nachvollziehbar, denn wenn wir Investitionen in der Größenordnung machen wollten, warum machen wir sie dann nicht mit Dingen, die wir wirklich brauchen, wie Wohnraum und Arbeitsplätze, die durch den Bau von Wohnraum enstehen würden?", das fragt sich nicht nur Sprecherin Ana Filipini.

Dass im Schulunterricht keine zellstoffkritische Stunde gegeben wird, da hat der Konzern also seine Hand drauf. Aber natürlich hat er noch eine andere Strategie in Petto: die der klassischen Unternehmens-Umweltkommunikation. Zwei Vertreter der Versammlung für das Wasser am Fluss Santa Lucía berichten, wie die Konsequenzen rhetorisch heruntergespielt werden: "Die Wasserverschmutzung hat natürlich verschiedene Ursachen, aber das Problem multikausal zu nennen ist auch eine Methode, es sich aus der Welt zu schaffen. In dem man es auf andere schiebt, zum Beispiel auf die Agrargifte." Greenwashing heißt die Strategie, die Konzerne anwenden, um sich nach außen ein nachhaltiges umweltfreundliches Image zu geben.

Nach der Vertragsunterzeichnung dürfte dieses Mega-Projekt mit weitreichenden Folgen nur noch schwer zu stoppen sein. Wofür das Ganze? Wohl hauptsächlich für Verpackungspappe chinesischer Produkte. Es zeigt sich: Verpackungen sind auch dann nicht umweltfreundlich, wenn sie aus Pappe statt Plastik sind. Das heißt aber auch, dass Verbraucher*innen etwas tun können, damit Eukalyptusmonokulturen sich in Zukungt weniger lohnen: Verpackungen, auch die aus Pappe, wo es geht vermeiden!


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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Oktober 2019

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