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MEER/097: Pazifik - Streit über Meeresschutzzone in Kiribati (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Juni 2013

Pazifik: Streit über Meeresschutzzone in Kiribati - Umweltaktivisten werfen Regierung Täuschung vor

von Christopher Pala


Bild: © Christopher Pala/IPS

Anote Tong, der Staatspräsident von Kiribati
Bild: © Christopher Pala/IPS

Tarawa, Kiribati, 21. Juni (IPS) - Der Staatspräsident des Pazifikstaates Kiribati, Anote Tong, gerät zunehmend unter Druck, die seit 2008 angekündigte Einrichtung eines riesigen Meeresschutzgebietes in die Tat umzusetzen. Politiker, Wissenschaftler und Umweltaktivisten werfen ihm vor, die internationale Staatengemeinschaft getäuscht zu haben. Denn entgegen der Zusagen wurde die Zone nicht vollständig für den lukrativen Thunfischfang gesperrt.

Seit Jahren brüstet sich Tong damit, dass unter seiner Führung das Schutzgebiet der Phoenix Inseln (PIPA) von der Größe des US-Bundesstaates Kalifornien entstanden ist. "Fischfang und die Extraktion weiterer Meeresressourcen sind dort nicht gestattet", erklärte er. In seinen Reden auf Klimakonferenzen hat er PIPA mehrfach als größtes Geschenk seines Landes an die Welt bezeichnet.

Dabei hat Kiribati 2008 lediglich den Fischfang in drei Prozent des Meeresschutzgebietes verboten. In diesen Zonen im Umkreis unbewohnter Inseln hatten Fischer ohnehin nie ihre Netze ausgeworfen. Im übrigen Schutzgebiet wie auch in Kiribatis Sonderwirtschaftszone (EEZ) hat der immer profitträchtigere industrielle Thunfischfang weiter zugenommen.

Im Interview mit IPS auf der Hauptinsel Tarawa erklärte Tong, der seit einem Jahrzehnt im Amt ist, dass er nicht die Absicht habe, Fischern in absehbarer Zeit den Zugang zu PIPA zu verwehren. "Dies muss schrittweise vor sich gehen", meinte er. Ein genaues Datum könne er noch nicht nennen.


Greenpeace attackiert Staatschef Tong

Umweltaktivisten reagieren entrüstet. "Präsident Tong hat die Welt über den tatsächlichen Status des Meeresschutzgebietes der Phoenix Inseln getäuscht", kritisiert Seni Nabou von der Organisation 'Greenpeace'. "Während Kiribati internationales Lob wegen seiner Umweltschutzbemühungen eingeheimst hat, scheint die Meeresreservation bisher nur dazu gedient zu haben, die spanische Thunfischflotte in diesen Gewässern zu finanzieren."

Für die Einrichtung von PIPA hat Tong mehrere renommierte Auszeichnungen von Organisationen erhalten. Deren Vertreter gingen aber irrtümlich davon aus, dass das gesamte Gebiet für Fischer gesperrt sei. Unter anderem erhielt der Präsident in den USA den 'Benchley Award for Excellence in National Stewardship of the Ocean' und den 'Hillary Leadership Award' in Neuseeland.

Auch in Tarawa, dem kleinen Atoll, auf dem mehr als die Hälfte der rund 100.000 Bewohner von Kiribati zu Hause sind, gingen die meisten Menschen bis jetzt davon aus, dass in dem Schutzgebiet gar kein Fischfang betrieben wird. Auch mehrere Parlamentarier waren davon überzeugt.

Tongs Vorgänger Teburoro Tito übte scharfe Kritik. "Die Bevölkerung von Kiribati wird enttäuscht sein zu erfahren, dass ihr Präsident die Welt belogen hat. Vor allem diejenigen, die deswegen glaubten, dass er prestigeträchtige Auszeichnungen für die Schutzzone verdient habe", sagte der Oppositionsführer. "Er muss PIPA sofort für alle Fischer schließen, um die Ehre des Landes wiederherzustellen."

Nach Ansicht von Daniel Pauly von der 'University of British Columbia' im kanadischen Vancouver wäre eine Schließung von PIPA für den Fischfang "die bislang effizienteste Einzelmaßnahme zum Schutz des Meeres." Auf diese Weise könnte die weltweit letzte größere Population von Bonito-Thunfischen wesentlich besser geschützt werden. Im Atlantik und im Indischen Ozean seien diese Fischbestände bereits erheblich dezimiert.

Tong rechtfertigte die geringen Forschritte in den letzten fünf Jahren mit finanziellen Schwierigkeiten. Kiribati müsste Entschädigungen in Höhe von mehreren Millionen US-Dollar zahlen.

Die Veräußerung von Fischereirechten an ausländische Fangflotten bringt dem Pazifikstaat zwischen 30 und 50 Prozent der gesamten Staatseinnahmen ein. Laut Tong legt die Verdoppelung dieser Einnahmen im vergangenen Jahr nahe, dass die verlangte Entschädigungssumme für den PIPA-Trustfonds von 50 Millionen Dollar aufgestockt werden müsse.

Experten zweifeln jedoch daran, dass der Präsident jemals die ernsthafte Absicht hatte, PIPA für Fischer unzugänglich zu machen. Zwar wäre eine Schließung für die Fangschiffe unbequem. Andererseits bewegten sich Thunfische auch in andere Teile des Meeres und könnten in gleicher Zahl auch außerhalb der Zone gefangen werden.


Profite von mehr als hundert Prozent

Angesichts der Tatsache, dass die Fischerei in den Gewässern von Kiribati etwa 1.000 Dollar pro Tonne Fisch erzielt, ist es unwahrscheinlich, dass die Schiffe aus den Gewässern der Region abziehen. Und das Meeresreservat mache nur elf Prozent der Fanggründe aus.

Die große Umweltorganisation 'Conservation International' (CI) mit Sitz in Arlington im US-Bundesstaat Virginia steht Kiribati bei dem PIPA-Projekt als wichtiger Partner zur Seite. Vizepräsident Gregory Stone hatte Tong die Schaffung eines riesigen Schutzgebietes vorgeschlagen und dem Staat dabei geholfen, eine rechtliche und finanzielle Infrastruktur für PIPA zu entwerfen.

Die Schutzzone ist derzeit das größte Projekt der Organisation, die Tongs Vorgehen verteidigt. Auf der Website heißt es, der Präsident sei "weiter als irgendjemand sonst gegangen, um die unberührtesten Gewässer der Welt zum globalen Wohl zu schützen". Bis vor Kurzem erklärte CI stets, PIPA sei komplett für den Fischfang gesperrt. Auch angesichts der jüngsten Vorwürfe gegen Tong wirbt Stone weiterhin für Verständnis für die kleine Pazifiknation, "die Zeit und Geduld braucht", um ein Meeresreservat zu schaffen. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.phoenixislands.org/
http://www.greenpeace.org/international/en/
http://www.conservation.org/Pages/default.aspx
http://www.ipsnews.net/2013/06/fishing-undercuts-kiribati-presidents-marine-protection-claims/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 21. Juni 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2013