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MEER/151: Millionen Tonnen Baggergut bringen Australiens 'Great Barrier Reef' in Gefahr (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. August 2014

Umwelt: Australiens 'Great Barrier Reef' in Gefahr - Fünf Millionen Tonnen Baggergut sollen ins Meer gekippt werden

von Stephen Leahy


Bild: © NASA Goddard Space Flight Center

Luftaufnahme vom Great Barrier Reef
Bild: © NASA Goddard Space Flight Center

Uxbridge, Kanada, 27. August (IPS) - Um das vor der Nordostküste Australiens gelegene 'Great Barrier Reef' zu retten, das sich in einem ständigen Niedergang befindet, bedarf es einem neuen Bericht zufolge umfangreicher Schutzvorkehrungen.

"Um eine weitere Verschlechterung der Lage zu verhindern, müssen die Gefahren auf allen Ebenen verringert werden", heißt es in der Untersuchung der für den Schutz des weltgrößten Korallenriffs zuständigen Behörde 'Great Barrier Reef Marine Park Authority'.

Doch ausgerechnet dieses Amt hat erst unlängst die Genehmigung erteilt, fünf Millionen Tonnen Baggergut in der Riffregion zu versenken. Von Wissenschaftlern und anderen Experten kam massive Kritik.

Dokumenten, die dem australischen Fernsehsender ABC vorliegen, ist zu entnehmen, dass sogar für die Behörde tätige Forscher ebenfalls gegen das Abladen von Schutt in dem seit 1981 als UNESCO-Weltnaturerbe geschützten Meeresgebiet sind. "Es muss sich also um eine politische Entscheidung handeln", kommentiert Charlie Veron, ein international bekannter Experte für Korallenriffe.

Das Great Barrier Reef (GBR) ist eines der sieben größten Naturwunder der Welt. Das Mosaik aus Tausenden Riffen, Seegrasgebieten und Inseln erstreckt sich über etwa 2.300 Quadratkilometer entlang der Küste vor dem australischen Bundesstaat Queensland und ist auch vom Weltall aus sichtbar. Die UNESCO bezeichnet das GBR als "unersetzliche Quelle von Leben und Inspiration".


Hälfte der Korallen abgestorben

Einst waren dort etwa zehn Prozent aller Fische der Welt zu finden. Auch Dugongs (Gabelschwanzseekühe) sowie viele Delfin- und Meereschildkrötenarten kamen früher reichlich vor. Doch obwohl das Riffgebiet unter Schutz steht, sind die Korallen bereits zur Hälfte abgestorben. Ohne vereinte Anstrengungen würden im Jahr 2020 nur noch fünf bis zehn Prozent der Korallen übrig sein, heißt es in einer 2012 veröffentlichten wissenschaftlichen Studie.

Bild: © Richard Ling/cc by 2.0

Anemonenfisch im australischen Great Barrier Reef
Bild: © Richard Ling/cc by 2.0

"Ich arbeite hier seit mehr als zehn Jahren. Die Untersuchungsergebnisse waren überwältigend", sagt Richard Leck, Sprecher der Umweltorganisation WWF in Australien. "Das GBR ist wahrscheinlich das am besten überwachte Riff der Welt. Wir erkennen die Auswirkungen der massiven Küstenentwicklung."

2010 hatte die Regierung Australiens den Bau von vier großen Gasverflüssigungs- und Hafenanlagen in Gladstone in Queensland gebilligt. Nach umfangreichen Arbeiten wurden 46 Millionen Tonnen hochgiftigen Baggerguts in das Hafenbecken und das Gebiet des Naturparks gekippt. Der größte Teil sollte hinter einer Staumauer innerhalb des Hafens gelagert werden. Die Mauer erwies sich jedoch als schadhaft, und inzwischen erreichen täglich etwa 4.000 Tonnen Material das Meer. Die Auswirkungen sind verheerend. "Der einst blühende Fischereisektor liegt am Boden. Delfine und Dugongs sind verschwunden", sagt Leck. "Gladstone war eindeutig ein Fehler der Bundesstaat- und der Zentralregierung."

Lokale Touristikunternehmer erklären, dass sich die Wasserqualität deutlich verschlechtert habe. In Queensland werden zudem Bodenschätze gefördert und von dort aus exportiert. Rund 156 Millionen Tonnen werden jährlich zumeist nach Asien verschifft. Die Fördermenge soll bis 2020 auf jährlich fast eine Milliarde Tonnen versechsfacht werden.


Indische und chinesische Firmen wollen sich Bodenschätze sichern

Der indische Konzern Adani will sechs Milliarden US-Dollar investieren, um die größte Kohlemine in Queensland zu erschließen. Unter anderem sollen eine neue Stadt und eine 350 Kilometer lange Eisenbahnstrecke gebaut werden, die das Bergwerk mit dem Hafen von Abbot nahe der bei Touristen beliebten Stadt Bowen verbinden soll.

Weitere indische und chinesische Bergbauunternehmen haben sich Kohlevorkommen von schätzungsweise 20 Milliarden Tonnen im Zentrum von Queensland gesichert. Australische Firmen wie 'Hancock Prospecting' bauen ihr Geschäft ebenfalls weiter aus.

Im Dezember 2013 genehmigte der australische Umweltminister Greg Hunt einen Plan, der den Bau eines der weltgrößten Kohleverladehafens in Port Abbot vorsieht. Wenige Monate später erklärte sich die Meeresparkbehörde gegen den Widerstand ihrer eigenen Experten bereit, das Abladen der fünf Millionen Tonnen Baggergut zuzulassen.

"Die Behörde befand sich in einer schwierigen Lage. Ein Nein hätte bedeutet, die Genehmigung des Ministers abzulehnen", sagt Leck. Hunt sagte dem Sender ABC, er habe die Angelegenheit "gründlich und ausführlich" untersucht und sei überzeugt, dass das Vorhaben sicher ausgeführt werden könne.


Meereslebewesen geht die Luft aus

Andererseits liegen substanzielle wissenschaftliche Erkenntnisse dafür vor, dass aus Baggergut entstehende Sedimente Meereslebewesen ersticken lassen können. Die Ablagerungen verringern zudem den Lichteinfall, versetzen Tiere in Stress, hemmen Wachstum und Fortpflanzung und fördern Krankheiten, wie Terry Hughes, Direktor des Exzellenzzentrums für Korallenriffstudien an der James-Cook-Universität in Townsville in Queensland erklärt. Manches Baggergut zerfällt demnach in winzige Partikel, die durch Winde, Strömungen und Wellen weitergetrieben werden. Binnen weniger Monate können sie sich über eine Entfernung von rund 100 Kilometer verbreiten.

Wie aus einer kürzlich veröffentlichten Modellstudie hervorgeht, können sich feine Sedimente binnen 90 Tagen sogar bis zu 200 Kilometer weit von den Kohlehäfen entfernen. Untersucht wurden Ablagerungen in Korallenriffen innerhalb des GBR, die in der Nähe eines weiteren Kohlehafens liegen. In den Proben wurde eine hohe Belastung durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH) nachgewiesen, die mit Kohlenstaub in Verbindung gebracht werden.

Das Great Barrier Reef wird außerdem durch die steigenden Wassertemperaturen und die zunehmende Übersäuerung des Ozeans aufgrund von CO2-Emissionen durch fossile Brennstoffe bedroht. Hughes und andere Wissenschaftler fordern daher ein vollständiges Verbot für das Abladen von Baggergut im Gebiet des Riffs.

Die UNESCO hat Australien bereits gewarnt, dass sie in Anbetracht dieser Bedrohung beschließen könnte, den Welterbe-Status des Great Barrier Reef zu ändern und es in die Rote Liste des gefährdeten Welterbes aufzunehmen. Eine Entscheidung darüber wird Mitte 2015 erwartet, wenn die Baggerarbeiten in Port Abbot beginnen sollen. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/08/dumping-ban-urged-for-australias-iconic-reef/

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IPS-Tagesdienst vom 27. August 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. August 2014