Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen e.V.
EU-News - 17. Mai 2023
Meeresschutz in Bedrängnis?
Meeresaktionsplan, nachhaltige Fischerei und das neue UN-Abkommen für Meeresschutz auf Hoher See waren Thema einer Aussprache im EU-Parlament. Seas At Risk und Oceana interviewten in Brüssel Menschen, wie sie zur Renaturierung von Ozeanen stehen. Deutsches Bündnis legt Kernforderungen vor.
Nach der Ablehnung der Naturschutzvorhaben der EU-Kommission (siehe EU-News 10.05.2023 [1]) hat sich die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) auch gegen den im Februar vorgelegte Aktionsplan zum Schutz der Meeresökosysteme (EU-News 23.02.2023 [2]) gestellt.
In einer Aussprache während der Plenartagung zum Thema (11. Mai) sagte EVP-Sprecher Gabriel Mato (Spanien) zum EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius: "Ihr Aktionsplan zum Schutz der Meeresökosysteme ist in Wirklichkeit ein Plan zur Zerstörung der nachhaltigen Fischerei." Die vorgeschlagene Einschränkung der Grundschleppnetzfischerei finde ohne wissenschaftliche Grundlagen und ohne Folgenabschätzung statt, das Renaturierungsgesetz sei 'ein Sargnagel' für den ohnehin angeschlagenen Fischereisektor. Es gebe zwar gefährdete Ökosysteme, allerdings seien die Fischereibetriebe ebenfalls gefährdet. Isabel Carvalhais, (Portugal, S&D) forderte zwar ebenfalls Solidarität mit den Fischereigemeinden, mahnte aber: "Jeder, der glaubt, dass wir die Meeresökosysteme nicht schützen müssen, macht sich etwas vor. Wir müssen für eine verantwortungsvolle und nachhaltige Fischerei kämpfen." Anja Hazekamp (Niederlande, GUE/Linke) sagte mit einer Anleihe an Jules Verne, dass man heute nicht auf Kapitän Nemo und eine üppige Meeresfauna träfe. "Wir würden Plastik, Ewigkeitschemikalien, Schwermetalle, sterbende Korallenriffe und immer kleiner werdende Fischschwärme vorfinden." Und genau wie in Vernes Meisterwerk 20.000 Meilen unter dem Meer sei die Bedrohung menschengemacht. Die EU müsse neben ihren Schutzaufgaben zu Hause auch das kürzlich beschlossen UN-Hochsee-Übereinkommen (EU-News 09.03.2023 [3]) dringend mit Leben füllen.
Sinkevicius verteidigte die Pläne der EU-Kommission, da sie nicht nur internationale Verpflichtungen seien, sondern auch der Resilienz Europas dienten. Zudem sehe der Meeresaktionsplan kein generelles Verbot der Grundschleppnetzfischerei in EU-Gewässern vor. Er forderte die Mitgliedstaaten auf, "in einen Dialog einzutreten, um die Meeresumwelt zu schützen und gleichzeitig den Wohlstand und die Zukunft unserer Fischerei und Fischereigemeinden zu sichern". Er zeigte sich 'zuversichtlich', dass ein Konsens über die Ziele dieses Aktionsplans für die Meeresumwelt und über die Vorgehensweise gefunden wird. Das BBNJ-Abkommen zum Schutz der marinen biologischen Vielfalt in Gebieten außerhalb nationaler Hoheitsgewalt soll von der EU voraussichtlich im Juni formal angenommen werden. Derzeit zählt es 52 Mitglieder, zur Ratifizierung müssen es 60 unterstützende Staaten sein.
Derweil interviewten die Nichtregierungsorganisationen Seas At Risk und Oceana in Brüssel verschiedene Personen zum besorgniserregenden Zustand der EU-Gewässer und fragten, was die Politik dagegen tun sollte. Es sei Zeit, auf die Stimmen der EU-Bürger*innen zu hören: #RestoreOcean! [4]
Kernforderungen der Verbände: Weichen stellen für Mensch und Meer
Parallel zur Plenarwoche in Straßburg hat ein Bündnis von Umwelt-
und Entwicklungsorganisationen in Deutschland Kernforderungen für
eine zukunftsfähige Meerespolitik [5] vorgelegt. 17 Verbände,
darunter BUND, DUH, Deepwave, NABU, Pro Wildlife, Sharkproject,
WWF, und die Environmental Justice Foundation sowie der Deutsche
Naturschutzring unterstützen das Papier. Sie fordern
Bundesregierung, Ministerien und Behörden auf, ihre politischen
Entscheidungen konsequent darauf auszurichten, die
Meeresökosysteme zu schützen und ihre Funktionen zu erhalten. Nur
so könne Deutschland seinen Beitrag zum Schutz des globalen
Klimas, der marinen Biodiversität und für die Stabilität der
Lebensgrundlagen der Menschheit leisten. Deutschland müsse sich
für eine zügige Verabschiedung einer ambitionierten EU-Verordnung
zur Wiederherstellung der Natur einsetzen, die mindestens 20
Prozent der europäischen Meere bis zum Jahr 2030 wieder in einen
naturnahen und ungestörten Zustand versetzt. Dafür sei die
eigenständige Erholung der Meere an erste Stelle zu setzen,
ergänzt durch aktive Maßnahmen zur Wiederherstellung. Maßgeblich
für den Erfolg der Verordnung in den Meeren sei das Zusammenspiel
mit der Fischereipolitik, die die Erreichung der Ziele für die
Wiederherstellung der Meeresumwelt nicht gefährden dürfe. [jg]
EU-Parlament: Schutz und Wiederherstellung von Meeresökosystemen
für eine nachhaltige und widerstandsfähige Fischerei, Hochsee-Übereinkommen:
Protokoll der Aussprache
https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/CRE-9-2023-05-11-ITM-004_DE.html
Statement EVP
https://www.eppgroup.eu/newsroom/news/commission-initiatives-against-the-need-for-food-security
DNR et al.: Kernforderungen für eine zukunftsfähige
Meerespolitik. Weichen stellen für Mensch und Meer
https://www.dnr.de/sites/default/files/2023-05/Verb%C3%A4ndepapier_Meeresschutz.pdf
NABU: Die Nordsee soll mit einer Kapazität von 300 Gigawatt
Offshore-Wind bis 2050 das 'grüne Kraftwerk Europas' werden.
Aber: Der Plan gefährdet die Gesundheit unseres Ökosystems
Nordsee langfristig (Pressemitteilung).
https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/gesellschaft-und-politik/deutschland/bundespolitik/33326.html#Nordseegipfel
Pro Wildlife und Whale & Dolphin Conservation (WDC) protestieren
mit Blick auf einen Bericht der isländischen Veterinärbehörde:
Vernichtende Befunde zu Islands Walfang - Finnwaljagd
widerspricht isländischem Tierschutzgesetz.
https://www.prowildlife.de/aktuelles/pressemitteilung/vernichtende-befunde-zu-islands-walfang/
Eine WWF-Studie zeigt, dass durch illegale und unregulierte
Fischerei (IUU) im südwestlichen Indischen Ozean beim Garnelen-
und Thunfischfang den dortigen afrikanischen Küstengemeinden
jährlich 142,8 Millionen US-Dollar verloren gehen.
https://www.wwf.eu/?10270441/US1428-million-potentially-lost-each-year-to-illicit-fishing-in-the-South-West-Indian-Ocean
Oceana fordert von der EU volle Transparenz über die
Nachhaltigkeit von verarbeiteten und importierten Meeresfrüchten
(Pressemitteilung)
https://europe.oceana.org/press-releases/oceana-calls-on-the-eu-for-full-transparency-on-the-sustainability-of-processed-and-imported-seafood/
Links:
[1] https://www.dnr.de/aktuelles-termine/aktuelles/konservative-attackieren-naturschutzpaket
[2] https://www.dnr.de/aktuelles-termine/aktuelles/das-neue-meeres-und-fischereipaket
[3] https://www.dnr.de/aktuelles-termine/aktuelles/freude-und-skepsis-un-abkommen-fuer-meere
[4] https://seas-at-risk.org/general-news/restoreocean-brussels-vox-pops-on-marine-protected-areas/
[5] https://www.dnr.de/sites/default/files/2023-05/Verb%C3%A4ndepapier_Meeresschutz.pdf
*
Quelle:
EU-News, 17.05.2023
Deutscher Naturschutzring
Dachverband der deutschen Natur-, Tier-
und Umweltschutzverbände e.V. (DNR) e.V.
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin-Mitte
Tel.: 030/6781775-70, Fax: 030/6781775-80
E-Mail: info@dnr.de
Internet: www.dnr.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 19. Mai 2023
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