OceanCare - Medienmitteilung, 15. September 2023
Identifikation wichtiger Lebensräume für Meeressäuger an der südamerikanischen Atlantikküste
Im Südwestatlantik, entlang der Ostküste Südamerikas, wurden von den Guyanas bis zur Südspitze des Kontinents in Feuerland (Argentinien) 33 neue wichtige Lebensräume für Meeressäuger (Important Marine Mammal Areas - IMMAs) identifiziert. Dies ist das Ergebnis eines einjährigen wissenschaftlichen Prozesses, zu dem auch ein einwöchiger Expertenworkshop im vergangenen Dezember gehörte, bei dem Daten zu den IMMA-Kandidaten ausgewertet und präsentiert wurden. Daraufhin folgte eine fachliche Begutachtung der Informationen
Die Region des Südwestatlantiks (SWATLO) beherbergt Südliche Glattwale, Buckelwale und Seiwale, von denen einige zwischen der Antarktis und dieser Region wandern. Neben den weit verbreitenden Spinnerdelfinen und Grossen Tümmlern gibt es in der Region endemische (Unter-)Arten wie den Commerson-Delfin, den gefährdeten La-Plata-Delfin, den gefährdeten Lahille-Tümmler und den bedrohten Guyana-Delphin. Der gefährdete Nagel-Manati ist an den Küsten der Guyanas und im Nordosten Brasiliens beheimatet.
IMMAs werden als Lebensräume definiert, die für Meeressäugetierarten besonders wichtig sind. Es handelt sich dabei nicht um eine rechtliche Kategorie, sondern um unabhängige wissenschaftliche Beurteilungen auf Basis eines Kriterienkatalogs.
"Der Fortschritt der Ausweisung von IMMAs ist beachtlich. Mit den vorliegenden Resultaten sind 72% des globalen Ozeanareals systematisch evaluiert. Nun liegt es an den Entscheidungsträgern in der Politik, den wissenschaftlichen Informationen entsprechende Schutzmaßnahmen zu erlassen. Ein konkretes Beispiel dafür ist die Identifikation von Hochrisikogebieten für Schiffskollisionen mit Grosswalen" kommentiert Mark Simmonds, Leiter des Wissenschaftsbereiches bei der internationalen Meeresschutzorganisation OceanCare, die den IMMAs-Prozess unterstützt.
"Wir begrüssen diese weltweite Anerkennung unserer einzigartigen Meeresschätze entlang der Ostküste Südamerikas", sagt José Truda Palazzo Jr. vom Instituto Baleia Jubarte (Buckelwal-Institut), das den IMMA-Workshop letzten Dezember in Praia do Forte, Brasilien, ausgerichtet hat.
Zu den bedeutenden Lebensräumen für Meeressäuger in der Region gehören unter anderem die Inseln Abrolhos und Fernando de Noronha vor Brasilien, die Magellanstrasse, die Gewässer der Península Valdés in Patagonien (Argentinien) sowie der Paramaribo-Fluss in Surinam.
"In den letzten Jahrzehnten haben wir die Erforschung der seltenen, endemischen und bedrohten Meeressäuger der Region intensiviert", ergänzt Miguel Iñíguez von der Fundación Cethus und Whale and Dolphin Conservation in Argentinien.
Der einwöchige IMMA-Workshop, der im Dezember 2022 in Praia do Forte, Brasilien, stattfand, wurde vom IMMA-Sekretariat der IUCN-Taskforce für Meeressäuger-Schutzgebiete organisiert und vom brasilianischen Instituto Baleia Jubarte (Buckelwal-Institut) ausgerichtet. Die 31 Workshop-Teilnehmer, einige der besten Meeressäugerexperten der Region, befassten sich zunächst mit 112 "preliminary areas of interest" (pAoI). Daraus wurden die IMMA-Kandidaten ausgewählt und die Auswahl und Grenzziehung wurden durch die wissenschaftlichen Erkenntnisse anhand verschiedener Kriterien begründet. Die Überprüfung und Kartierung dieser Vorschläge ist nun abgeschlossen.
Insgesamt sind es nun 242 IMMAs, vor allem in der südlichen Hemisphäre, die alle mit Beschreibungen, Karten und anderen Hintergrundinformationen im IMMA e-Atlas [1] verzeichnet sind.
Laut den Co-Vorsitzenden der Task Force, Giuseppe Notarbartolo di
Sciara und Erich Hoyt, hat das IMMA-Team zusammen mit 267
Meeressäuger-WissenschaftlerInnen nun 72% der Weltmeere untersucht.
Davon wurden 13% als IMMAs identifiziert. Man hofft, in den nächsten
vier bis fünf Jahren die globale wissenschaftliche Bewertung der
Lebensräume der 133 Meeressäugerarten abschließen zu können. Die
IMMA-Arbeiten werden als nächstes im Nordostatlantik weiter vorangetrieben,
wobei die endgültigen Ergebnisse bis Anfang 2024 vorliegen sollen. Im
Nordwestatlantik und in der Karibik ist für Mai 2024 ein Workshop
geplant, und die endgültigen Ergebnisse sollen spätestens Anfang 2025
veröffentlicht werden.
Die Region Südwestatlantik umfasst etwa ein Viertel des Atlantiks. Die
Task Force hat nun 72% des weltweiten Meeresfläche auf IMMAs
untersucht. Die identifizierten IMMAs machen 13% der untersuchten
Fläche aus. Die Gesamtfläche aller 242 IMMAs beträgt 33,3 Millionen
km².
Insgesamt gibt es nun 242 IMMAs, 30 IMMA-Kandidaten und 157 Areas of
Interest (AoI). Den e-Atlas mit Karten aller bisher identifizierten
IMMAs und AoI finden Sie unter
https://www.marinemammalhabitat.org/imma-eatlas/
Der Status als AoI ist schwächer als der eines IMMA, aber er
erleichtert und fokussiert künftige Monitoring- und
Forschungsaktivitäten zu Meeressäugetieren in der Region, was wiederum
diesen Gebieten zu einem zukünftigen IMMA-Status verhelfen könnte.
Im Vorfeld des Workshops hatte OceanCare die argentinische
Expertenorganisation Fundacion Cethus beauftragt, die aktuellen
Meeresschutzgebiete in argentinischen Gewässern mit dem Wissen über
das Verbreitungsgebiet von Walen und Delfinen zu vergleichen.
https://www.oceancare.org/wp-
content/uploads/2023/08/MPA_Argentina_OceanCare_Cethus_EN.pdf
Die IMMA-Initiative ist eine Kooperation von IUCN Joint SSC-WCPA
Marine Mammal Protected Areas Task Force, Tethys Research Institute
und Whale and Dolphin Conservation (WDC). Ein kürzlich in Frontiers in
Marine Science veröffentlichter Artikel beschreibt die Arbeit der IMMA-Taskforce
(2016-2022):
https://www.marinemammalhabitat.org/download/the-important-marine-mammal-area-network-a-tool-for-systematic-spatial-planning-in-response-to-the-marine-mammal-habitat-conservation-crisis/
Die Arbeit der IMMA-Taskforce wurde hauptsächlich von der
Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) des deutschen
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und
Verbraucherschutz (BMUV) als Beitrag zur Global Ocean Biodiversity
Initiative (GOBI) finanziert. Einzelne Regionen wurden von der
französischen Agentur für Biodiversität über das Meeres- und
Polarprogramm der IUCN sowie von der Mava-Stiftung finanziert. Die
Finanzierung in der Vorbereitungsphase erfolgte durch das Animal
Welfare Institute und die Pacific Life Foundation. Zusätzliche Mittel
für die IMMA-Arbeit in der Region Südwestatlantik kamen von OceanCare
sowohl für die Vorbereitung als auch für den Workshop selbst. Das
brasilianische Instituto Baleia Jubarte (Buckelwal-Institut) war
Gastgeber des Workshops und leistete zusätzliche finanzielle
Unterstützung für lokale Ausgaben und Flughafentransfers und stellte
seine Räumlichkeiten für die Eröffnungssitzung zur Verfügung.
Diese Pressemitteilung und der Abschlussbericht über die IMMA-Region
Südwestatlantik stehen auf der Website marinemammalhabitat.org zum
kostenlosen Download bereit.
Den Bericht über die IMMAs im Südwestatlantik finden Sie unter
https://www.marinemammalhabitat.org/resources/documents/
Shapefiles und detaillierte Hintergrundinformationen über die 242
IMMAs finden Sie unter
https://www.marinemammalhabitat.org/immas/imma-spatial-layer-download/
[1] https://www.marinemammalhabitat.org/imma-eatlas/
*
Quelle:
OceanCare - Medienmitteilung, 15. September 2023
Herausgeber: Verein OceanCare
Oberdorfstr. 16, Postfach 372, Ch-8820 Wädenswil
Tel.: +41 (0) 44 780 66 88, Fax: +41 (0) 44 780 66 08
E-Mail: info[at]oceancare.org
Internet: www.oceancare.org
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 15. September 2023
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang