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PROTEST/030: Chile - Wasser entprivatisieren, Protestumzug in der Hauptstadt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. April 2013

Chile: Wasser entprivatisieren - Protestumzug in der Hauptstadt

Von Marianela Jarroud



Santiago, 23. April (IPS) - In der chilenischen Hauptstadt Santiago haben hunderte Umwelt-, Sozial- und Indigenenverbände mit einem sogenannten 'Großen Karnevalsumzug für die Wiedergewinnung und Verteidigung von Wasser' die Entprivatisierung der kostbaren Ressource gefordert.

An der Kundgebung am 22. April, die die Übergabe einer entsprechenden Petition an den rechtsgerichteten Staatspräsidenten Sebastián Piñera beinhaltete, nahmen nach Angaben der Organisatoren mehr als 6.000 Personen teil. Die von Musik und Tänzen begleitete, friedlich verlaufende Protestaktion führte durch das Zentrum der chilenischen Hauptstadt.

Wie die zivilgesellschaftlichen Gruppen in ihrem Schreiben an Piñera erläuterten, ist die Wasserknappheit nicht nur der derzeitigen Dürre, sondern auch strukturellen Problemen im Umgang mit der Ressource geschuldet. In Chile gebe es Wasser, doch die Mauer, die den Gemeinschaften den Zugang zu der überlebenswichtigen Ressource versperre, heiße Profit und gründe auf dem Wassergesetz von 1981, der Verfassung und internationalen Verträgen wie dem Bergbauabkommen mit Argentinien.

Die Organisationen kritisierten in ihrem Brief ferner eine "Kultur, die es als normal erachtet, dass das vom Himmel fallende Wasser Besitzer hat". Diesem gewinnorientierten Ansatz sei das Austrocknen der Wasserläufe und der Zusammenbruch des seit Jahrhunderten funktionierenden Wasserkreislaufs zu verdanken.


Übertragbare Wasserrechte für Privatunternehmen

Durch das Wassergesetz aus der Ära der letzten Diktatur von 1973 bis 1990 wurde die Ressource Wasser in private Hand überführt. Es räumt dem Staat die Möglichkeit ein, die kostbare Ressourcen kostenlos zu nutzen und gesteht den Unternehmen dauerhafte Wasserrechte zu. Diese Wasserrechte dürfen ohne Rücksicht auf mögliche Wassernutzungsprioritäten veräußert oder übertragen werden.

"Unser Ziel ist die Abschaffung des Wassergesetzes, das uns das Recht auf Wasser zum Leben abspricht", meinte Teresa Nahuelpán von der Bewegung zum Schutz des 800 Kilometer südlich von Santiago gelegenen Mehuín-Meeres. "Das Gesetz begünstigt diejenigen, die Geld haben."

Die Organisationen wollen zudem die Aufhebung des Bergbauabkommens mit Argentinien aus dem Jahre 1997 erreichen, das transnationalen Unternehmen so viel Wasser und Strom zuspricht, wie sie für ihre Aktivitäten brauchen. Die Übereinkunft sieht die grenzüberschreitende Zusammenarbeit staatlicher Stellen mit dem Ziel vor, den Investoren die Entwicklung des entsprechenden Bergbauprojekts zu erleichtern.

Wie Rodrigo Villablanca, Vorsitzender der indigenen Gemeinschaft der Diaguita der Sierra Huachacan im Norden Chiles erklärte, steckt Chile in einer tiefen nationalen Wasserkrise. Das sei nicht zuletzt auf die Vorzugsbehandlung der Bergbaukonzerne zurückzuführen. Für die Ausbeutung der Bodenschätze in einem 4.000 Kilometer langem Andengebirgsstreifen im Rahmen des binationalen Abkommens mit Argentinien müssten die Unternehmen so gut wie nichts bezahlen.

"In Lateinamerika stammt der Großteil unseres Süßwassers aus den Anden. Dort leben 80 Prozent der indigenen Gemeinschaften Chiles, die von dem Wasser abhängen", betonte Villablanca, der auch Sprecher des Umwelt- und Kulturkomitees 'Lebenshoffnung' ist. Aufgrund der Bergbaukonzessionen und Wassernutzungsrechte für Privatunternehmen, die zu allem Übel auch noch übertragbar sind, sähen sich viele indigene Gemeinschaften zum Rückzug aus der Region gezwungen.

Auch die Waldunternehmen hätten den indigenen Mapuche viel Leid zugefügt, betonte Nahuelpán. "Die Gebiete trocknen aus und es gibt viele Gemeinschaften, die ohne Wasser dastehen und nun von den Lieferungen kommerzieller Wasserwagen abhängig sind."


Auch jüngstes Urteil des Obersten Gerichtshofs am Pranger

Kritik äußerten die Demonstranten auch an einem neuen Urteil des Obersten Gerichtshofs. Dem richterlichen Beschluss zufolge müssen Bergbauunternehmen nichts für die Extraktion von Wasser aus den unterirdischen Gebirgsschichten in Territorien bezahlen, für die sie Konzessionen haben. "weil sie nur die Mineralien, die das Wasser enthalten, ausbeuten". Für Umweltschützer bietet der Richterspruch den großen transnationalen Unternehmen nun eine rechtliche Grundlage, um unkontrolliert die chilenischen Wasserquellen anzapfen zu können.

Von dem Urteil vom 22. April profitiert die Bergbaufirma 'Sociedad Legal Minera NX UNO' mit Sitz im chilenischen Peine, die von Chiles Wasserbehörde verklagt worden war, ungenehmigt Wasser abgezapft zu haben. Doch dem Obersten Gerichtshof des Landes zufolge werden Sondierungs- und Pumparbeiten, die die Klage ausgelöst hatten, von der Explorationskonzession abgedeckt und machten deshalb keine gesonderte Genehmigung durch die Wasserbehörde erforderlich. (Ende/IPS/kb/2013)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2013