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PROTEST/049: Seltene Erden - Raubbau an Menschenrechten (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 118/3.2013

Seltene Erden: Raubbau an Menschenrechten

von Michael Reckordt



Im November 2012 demonstrierten mehrere zehntausend Menschen in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur gegen ein Seltene-Erden-Produktionswerk. Der australische Konzern Lynas verschifft Seltene Erden als Erzkonzentrat aus seinem Abbaugebiet am Mount Weld im Westen Australiens ins rund 6.000 Kilometer entfernte Kuantan an der Ostküste der Malaiischen Halbinsel.

Die AnwohnerInnen und UmweltschützerInnen befürchten, dass der Konzern die radioaktiven Rückstände nicht ordnungsgemäß entsorgen wird. Hohe Belastungen für Umwelt und Menschen drohen auch wegen Konstruktionsfehlern der Raffinerie. Die verantwortlichen Politikerinnen stehen hinter dem Projekt, obwohl die Stop Lynas-Kampagne mittlerweile eine der größten Umweltbewegungen in der Geschichte des asiatischen Landes geworden ist.

Versorgungssicherheit

Die Stop Lynas-Kampagne erhielt bisher wenig Öffentlichkeit in Deutschland, obwohl die beiden deutschen Konzerne Siemens und BASF im Jahr 2011 mit Lynas langfristige Lieferverträge eingegangen sind. BASF hat vor allem Interesse an Lanthan, das für bestimmte chemische Katalysatorenerzeugnisse und bei der Produktion von Erdöl benötigt wird. Siemens nutzt Neodym für die Herstellung von Magneten in energieeffizienten Antrieben und Windturbinengeneratoren. Seitdem der Konzern Molycorp im Jahr 2000 seine Produktionsstätte in den USA aufgrund von Umweltverstößen schließen musste, hat China ein Monopol auf die Produktion von Seltenen Erden. Auch dort sind die Umweltbeeinträchtigungen gravierend und die chinesische Regierung entschied im Jahr 2010 die Exporte zu drosseln. Offiziell aus Gründen des Umweltschutzes, doch die deutsche Wirtschaft und die Bundesregierung werfen dem Land Wettbewerbsverzerrungen und Benachteiligung von ausländischen Unternehmen vor.

Seit knapp zehn Jahren sorgt sich die Industrie um den Produktionsstandort Deutschland und die eigenen Gewinne. Deutsche Großkonzerne wie Bayer, BASF, Bosch, Thyssen-Krupp, BMW und VW gründeten daher im Jahr 2012 die RA Rohstoffallianz GmbH, um sich gemeinsam auf dem Weltmarkt für die Versorgungssicherheit bei Rohstoffen einzusetzen. Doch nicht nur die wirtschaftliche Selbstversorgung steht dabei im Zentrum, sondern auch der Druck auf die Bundesregierung, die Industrie flankierend zu unterstützen. So forderte der Geschäftsführer der Rohstoffallianz, Dierk Paskert, die Bundesregierung im Frühjahr 2013 in einem Interview im Handelsblatt auf, "mehr Verantwortung in Außenwirtschafts- und Sicherheitsfragen (zu) übernehmen", um freie Märkte zu erhalten. Dafür bedarf es weiterer "sicherheitspolitischer und militärischer Instrumente", wie er ergänzte.

Deutschlands Rohstoffpolitik lässt Menschenrechte und ökologische Standards außer Acht

Sowohl die Große Koalition als auch die Koalition aus CDU/CSU und FDP kam diesem Wunsch nach. So wurde im Oktober 2010 die "Rohstoffstrategie der Bundesregierung" verabschiedet. Diese unter Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) entwickelte Strategie beinhaltet die "Gewährleistung einer bedarfsgerechten Versorgung der Industrie mit mineralischen Rohstoffen", da dies "von grundlegender Bedeutung für die Wirtschaft Deutschlands" sei.

Die Kernziele dieser Strategie sind, Handelshemmnisse abzubauen und die deutsche Wirtschaft beim Aufbau neuer, bilateraler Rohstoffpartnerschaften zu unterstützen. Bisher gibt es vor allem Partnerschaften mit der Mongolei, Kasachstan und Chile. Außerdem sollen rohstoffbezogene Forschungsprogramme unterstützt und nationale Maßnahmen mit der europäischen Rohstoffpolitik verzahnt werden. Zum 1. Januar 2013 startete ein beim BMWi angesiedeltes Förderprogramm, das bedingt rückzahlbare Darlehen an Unternehmen vergibt, die die von der EU als "kritische Rohstoffe" eingestuften Bodenschätze wie z.B. Kobalt oder Seltene Erden ausbeuten wollen.

In der Rohstoffstrategie, den Rohstoffpartnerschaften und anderen politischen Entscheidungen der Bundesregierung spielen menschenrechtliche und ökologische Standards eine untergeordnete Rolle. In dem Rohstoffstrategie-Papier aus dem Jahr 2010 unterstreicht die Bundesregierung zwar, "dass nachhaltige Entwicklung sowie wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt ohne gute Regierungsführung, ohne Achtung der Menschenrechte und ohne Beachtung ökologischer und sozialer Standards nicht möglich ist", bleibt aber vage bei den Konsequenzen und tritt nur "dafür ein, dass die deutsche Wirtschaft unternehmerisches Handeln an international anerkannten Instrumenten und Initiativen wie den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen ausrichtet."

Während die Bundesregierung also konkrete Ziele, Programme und gar Abkommen formuliert, um die Versorgungssicherheit für die deutsche Industrie zu garantieren, bleibt sie bei Verstößen der Unternehmen gegen nationales oder internationales Recht vage: "Problematisch sind Rohstoffgewinnungsprojekte` die Umweltschäden verursachen, bei denen schlechte Arbeitsbedingungen herrschen und Menschenrechte missachtet werden. Rohstoffreichtum kann auch zu Korruption führen, mitunter werden damit bestehende Konflikte finanziert oder neue bewaffnete Konflikte ausgelöst." Das klingt ähnlich konsequent wie die Schilder "Rauchen kann tödlich sein". auf Zigaretten-Packungen.

Organisationen fordern eine alternative Rohstoffpolitik

Während die deutsche Industrie auf verschiedenen Ebenen in die Entwicklung und Ausgestaltung der deutschen Rohstoffpolitik involviert war, werden die Parlamente und die Zivilgesellschaft kaum eingebunden. Verbände und Organisationen von Misereor bis urgewald kritisierten schon im Jahr 2010 in einem gemeinsamen Papier "Anforderungen an eine zukunftsfähige Rohstoffstrategie" die Position der Bundesregierung. Trotz der stetigen Verweise auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in vielen rohstoffreichen Ländern sah sich die Politik nicht genötigt etwas an ihrer rohstoffpolitischen Strategie zu ändern.

Im Sommer 2013 erneuerten Menschenrechts-, Umwelt- und Entwicklungsorganisationen ihre Kritik. Statt einem "Weiter so wie bisher" fordern sie, den Rohstoffverbrauch in Deutschland und Europa absolut zu verringern, die verbindliche Regulierung von Unternehmen im Rohstoffgeschäft (Transparenz, sozialökologische Standards, Steuern, Partizipations- und Klagemöglichkeiten für Opfer von Menschenrechtsverletzungen) und eine demokratische Einbindung von Parlamenten und der Zivilgesellschaft anstatt eines privilegierten Zugangs zu politischen Entscheidungen für die IndustrievertreterInnen. Die Vorschläge zu einer alternativen Rohstoffpolitik liegen also vor, müssen aber von der Zivilgesellschaft in Deutschland noch viel entschlossener und koordinierter vorgebracht werden. Einen Beitrag dazu soll die erste "Alternative Rohstoffwoche" vom 12. bis 19.10.2013 leisten, an der sich viele Organisationen beteiligen und sich weitere gerne beteiligen können.

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Seltene Erden sind, anders als der Name es vermuten lässt, in der Erdkruste weitverbreitet, doch ihr Abbau ist nur selten wirtschaftlich lukrativ. Die Gruppe der Seltenen Erden umfasst Lanthan und die vierzehn im Periodensystem folgenden Lanthanoide sowie Yttrium und Scandium. Sie werden in Hochtechnologiesektoren eingesetzt und gelten als zentral für viele "grüne Technologien", wie z.B. Cer, Europium und Terbium in modernen Leuchtmitteln, Samarium in Mikromotoren oder Dysprosium und Terbium in Permanentmagneten, die u.a. für moderne Windkraftanlagen verwendet werden. China produziert 97 Prozent des globalen Bedarfs.


Michael Reckordt arbeitet als Koordinator des AK Rohstoffe bei PowerShift e.V. zu der deutschen Rohstoffpolitik.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Indigene in Bong Mal auf den Philippinen wehren sich: Der Schweizer-Konzern GlencoreXstrata plant dort für 2018 die Produktion von Kupfer und Gold. Doch schon bei der Erkundung und Vorbereitung kam es zu tödlichen Übergriffen und der Zerstörung von Grabstätten ihrer Ahnen. Auch deutsche Banken und Versicherungen gehören zu den Geschäftspartnern des Unternehmens.

- Beim Abbau begehrter Rohstoffe, wie hier bei der Goldsuche auf den Philippinen, sind Umweltschäden und miserable Arbeitsbedingungen häufig die Regel.

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 118/3.2013, Seite 12 - 13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. September 2013